Schulgottesdienst

I. Grundfragen und allgemeine Hinweise

Die nachstehenden allgemeinen Hinweise gelten vorbehaltlich jederzeit möglicher schulpraktischer Änderungen und von Divergenzen in einzelnen Bundesländern sowie Differenzierungen je nach Schulart. Soweit ersichtlich, ist die Durchführung von Schulgottesdiensten in allen Bundesländern nur durch Verordnung geregelt. Bayern und Baden-Württemberg erlauben bis zu fünf Schulgottesdienste pro Schuljahr, andere Länder höchstens drei. Ein Sonderfall ist Nordrhein-Westfalen. In einem 2015 immer noch geltenden Runderlass des Kultusministeriums vom 13. April 1965[1] (eine bloße Verwaltungsvorschrift) heißt es:

1. Die Schulgottesdienste nach diesem Runderlass sind Schulveranstaltungen.

2. Für allgemeinbildende Schulen und berufsbildende Vollzeitschulen, in deren Stundentafeln Religionslehre als Unterrichtsfach aufgenommen ist, wird Gelegenheit zum Sch.ulgottesdienst gegeben. Dieser Sch.ulgottesdienst erscheint in der Regel als eine erste Stunde im Stundenplan und tritt nicht an die Stelle einer der in den Stundentafeln vorgesehenen Unterrichtsstunden.

Er darf einmal wöchentlich stattfinden.

Ein weiterer Schulgottes.dienst kann einmal wöchentlich an einem Werktage außerhalb der Unterrichtszeit gehalten werden. Ferner können Schulgottesdienste auch aus besonderen Anlässen stattfinden.

Die Schulleiter haben einen Ermessensspielraum. Sie sind nicht zur Durchführung von Schulgottesdiensten verpflichtet. Üblicherweise finden diese zu Schuljahresbeginn und –ende statt, ggf. auch anlässlich hoher Kirchenfeste. Sie sind stets an den Anfang oder das Ende des Schultags zu legen, damit den Nichtteilnehmern die Möglichkeit zu späterem Erscheinen bzw. früherer Heimkehr gelassen wird. In Bayern müssen Schulgottesdienste laut kultusministeriellem Schreiben vom 11.6.1978 mit Ausnahme des Schuljahresanfangs- und des Schlussgottesdienstes sogar außerhalb der regulären Unterrichtszeit stattfinden, d.h. vor 8 oder nach 13 Uhr.

II. Gebot der Freiwilligkeit

In sämtlichen Bundesländern gilt vorrangig vor allen Landesvorschriften stets Art. 136 IV WRV/140 GG: "Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden" (vgl. Art. 31 GG: "Bundesrecht bricht Landesrecht"). Das gilt unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit und auch für Gottesdienste der eigenen Konfession. Die Schulen müssten die Eltern bzw. Schüler davon in Kenntnis setzen, doch wird das gern versäumt. Schüler, die nicht am Schulgottes.dienst teilnehmen, dürfen nicht verpflichtet werden, sich ersatzweise im Schulgebäude aufzuhalten. Nicht teilnehmende Lehrer können allenfalls (wenn überhaupt) dann aus sachlichen Gründen zur Anwesenheit im Schulgebäude verpflichtet werden, wenn sie bei regulärem Stundenplan Dienst hätten. Wichtiger ist die Frage, ob Lehrer in ihrer Funktion als Aufsichtsperson auch Schüler in den Gottesdienst begleiten müssen. Nach Prüfung der Rechtslage stellte das kirchenfreundliche bayerische Kultusministerium mit Schreiben vom 7.4.1989[2] an die Bezirksregierungen klar, eine solche Pflicht bestehe unter keinen Umständen. Wörtlich: "Die dienstliche Anordnung an einen Lehrer, Schüler während eines Schulgottesdienstes zu beaufsichtigen, berührt das Grundrecht des Lehrers aus Art. 107 Abs. 6 BV, 140 GG i. V. m. 136 Abs. 4 WRV. ...". Folglich können auch konfessionsfremde Lehrer die Aufsichtsführung bis vor die Kirche ablehnen, vor allem dann, wenn sie damit gegen ihre Überzeugung einer Religionsgemeinschaft zuarbeiten, deren Lehre sie ablehnen. Bei funktionaler Betrachtung ist schulrechtlich der Gang zum Schulgottes.dienst Bestandteil desselben.

III. Einzelfallprüfung und Rechtswidrigkeiten

Im Einzelfall wäre zu prüfen, ob Schulgottesdienste allgemeine schulische Veranstaltungen (wohl Regelfall) oder solche im Rahmen des Religionsunterrichts sind. Problematisch sind allgemeine Schulgottesdienste im Hinblick auf die religiös-weltanschauliche Neutralität, sofern die Schule außerhalb des Religionsunterrichts dafür Werbung macht. Denn die staatliche Schule hat unter der Geltung des nicht religiösen GG keinerlei religiöse Kompetenz. Daher ist nach ständiger Rspr. des BVerfG auch in den (zu Unrecht) so genannten "Christlichen Gemeinschaftsschulen" jegliche einseitige christliche Beeinflussung untersagt. Dreist GG-widrig ist daher folgende Bestimmung des § 35 der bayerischen Grundschulordnung vom 11. September 2008 zur religiösen Erziehung:

(1) 1 Die Schule unterstützt die Erziehungsberechtigten bei der religiösen Erziehung der Kinder. 2 Schulgebet, Schulgottesd.ienst und Schulandacht sind Möglichkeiten dieser Unterstützung; die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler ist zu ermöglichen und zu fördern. 3 Die Mitglieder der Schulgemeinschaft sind verpflichtet, die religiösen Empfindungen aller zu achten.[3]

Eine Parallelreglung enthält § 44 der bayerischen Mittelschulordnung vom 4.3.2013.

Nur die Scheu vor Unannehmlichkeiten (Anfeindungen aller Art), Angst vor schulischer Benachteiligung und Unkenntnis halten nichtreligiöse Eltern davon ab, diese Dinge juristisch zu problematisieren. Unter dem Blickwinkel der Neutralität sind Schulgottesdienste allenfalls zu rechtfertigen als Veranstaltung, die lediglich in stillschweigender Erfüllung grundrechtlicher (tatsächlich vorhandener) Wünsche der Eltern bzw. Schüler freiwillig angeboten wird, was freilich bei entsprechend großen Schülerzahlen auch gegenüber anderen Religionen (Islam) gelten müsste.

>> Christliche Gemeinschaftsschulen; christliche Schulpolitik; Leitprinzipien des Grundgesetzes; Neutralität; Religionsunterricht; Erziehung.

 


  • [2] KM-Schreiben (Nr. III/8-4/32483). Abgedruckt in: R. Ponitka, Konfessionslos in der Schule, Aschaffernburg 2013, S. 54.

© Gerhard Czermak / ifw (2017)