Religiös-konservative Ideologie als juristisches Erkenntnismittel

Von Dr. Gerhard Czermak, Friedberg, Bay.

Veröff. in Sonderheft 9 (Karlheinz Deschner zum 80. Geb., Dez. 2004) der Zeitschr. Aufklärung und Kritik, Nürnberg, S. 234-254     © G. Czermak, Bgm.-Ebner-Str. 33, 86315 Friedberg

Inhaltsübersicht

1. Einführung

1.1.  Das Ideologieproblem

1.2.  Grundfragen juristischer Normauslegung

1.3.  Ideologie im deutschen Religionsrecht

2.  Nachkriegsära (bis ca. 1965)

2.1.  Allgemeines

2.2.  Einzelfälle

2.2.1.  Sittengesetz

2.2.2.  Suizid

2.2.3.  Konkordatsurteil

2.2.4  "Staat-Kirche-Verhältnis"

2.2.5.  Vertragsrecht

3.  Zur Rechtsentwicklung seit 1965

3.1.  Juristische Wende

3.2.  Neutralität

3.3.  Kirchensteuer

3.4.  Schwangerschaftsabbruch

3.5.  Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen

​​4.  Zur Rechtsproblematik Schule, Religion und Neutralität

4.1.  Keine Glaubensfreiheit für Nichtchristen

4.2.  Christliche Gemeinschaftsschulen

4.3.  Neutralität

4.4.  Kreuz/ Kruzifix im Klassenzimmer

4.5.  Ethikunterricht (EU)

4.6.  Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER)

5.  Schlussüberlegungen

"In wenigen Verfassungsrechtsfragen ist die Scheidelinie zwischen exegetischem Bemühen und schlichter "Ideologiejurisprudenz" so schlecht markiert wie bei der Beurteilung der religiösen und weltanschaulichen Aktivitäten des Staates."

Friedrich v. Zezschwitz[1]

"Die Genauigkeit der Sprache und die Klarheit der Begriffe sind unerlässliche Voraussetzungen einer Rechtswissenschaft, die diesen Namen verdient."

Bernd Rüthers [2]

"Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter."

J. W. v. Goethe[3]

1. Einführung

1.1.  Das Ideologieproblem.  Rechtliche Erkenntnisse werden im allgemeinen nach unter Juristen im Einzelnen zwar umstrittenen, aber im Grundsatz doch anerkannten und konkret nachvollziehbaren fachlichen Regeln gewonnen. Bei allen Fragen mit besonderem ideologischem Einschlag gilt dieses Einverständnis leider aus menschlicher Schwäche nur bedingt. Diesem Aufsatz geht es deshalb vor allem um einen Vergleich von ausgewählten, aber typischen Gerichtsentscheidungen aus dem religiös-weltanschaulich-ideologischen Bereich mit der methodengerechten Rechtsfindung. Hintergrund ist dabei eine sehr stark von kirchlich orientierten Juristen dominierte Literatur, die schon wegen ihres Umfangs hier nur am Rande berücksichtigt werden kann. Es wird eine "Methode" der Rechtsfindung erkennbar, die außerhalb dieses Bereichs nur ausnahmsweise anzutreffen ist. Diese "Methode" kennt keine allgemein akzeptierbaren rationalen Regeln und variiert im Hinblick auf das jeweils ideologisch gewünschte Ergebnis. Mit Karlheinz Deschner hat die daran hier vorgestellte Kritik den aufklärerischen Impetus gemein und die Herausstellung von Fakten, die absichtsvoll gern ignoriert werden.

Zwar sind bekanntlich alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen stark ideologiegefährdet. In besonderem Maß gilt das aber für die Jurisprudenz und die juristische Praxis. Denn beider Basis ist gesetztes Recht, gesetztes Recht aber nichts anderes als geronnene Politik. Die Politik wie das kulturelle Leben insgesamt ist aber ein ständiges Kampffeld ideologischer Strömungen. Es geht daher im Recht immer auch um Interessen und um die Durchsetzung von Wertungen. Dieses Problemfeld wird verschärft, ja geradezu vermint, wenn es um spezifisch religiös-weltanschauliche Themen geht.

Die folgenden Anmerkungen betreffen daher nicht (positiv) wertneutral Ideologie im Sinn der jeweiligen Gesamtheit kultureller Denksysteme bzw. geistiger Grundeinstellungen, sondern (negativ) Ideologie als unehrliches strategisches Mittel zur Durchsetzung der jeweils eigenen Denkmuster entgegen den theoretisch in der Gesellschaft bzw. Fachdisziplin als allgemein verbindlich anerkannten Verhaltensregeln. Es geht um eine Vorgehensweise, die man wie folgt beschreiben kann: "Ideologien sind dadurch charakterisiert, dass sie als geistiges Gerüst zur Stützung bestehender Verhältnisse oder als Pseudobeweismittel zur Änderung eben dieser Verhältnisse erfunden und nicht selten wider bessere Einsicht festgehalten werden. Sie treten oft in wissenschaftlichem Gewande auf, sind meist offen oder laviert demagogisch, stützen die Interessen von Gruppen und sichern sich durch Tabus der Rede und sogar des Denkens ab."[4]

1.2.  Grundfragen juristischer Normauslegung. Zu den Erfordernissen korrekten juristischen Argumentierens gehören die sorgfältige Ermittlung des wesentlichen Sachverhalts und die Anwendung der anerkannten Regeln zur Auslegung von Rechtsnormen. Ungeachtet der zahllosen und oft komplexen Probleme der Rechtstheorie seien an erster Stelle genannt die Auslegung unter Berücksichtigung des Wortlauts (Ausgangspunkt) und systematischen Zusammenhangs einer Rechtsnorm sowie die Würdigung von Sinn und Zweck der Norm im Hinblick auf eine aktuell sinnvolle (legitime) rechtspolitische Regelung. Dazu gehört auch die Rechtsfolgenabschätzung in Bezug auf verschiedene in Betracht kommende Auslegungsergebnisse. Hilfsweise ist die parlamentarische bzw. sonstige Entstehungsgeschichte einer Regelung zu berücksichtigen. Eine zusätzliche Schwierigkeit ist der Umstand, dass es zwischen den verschiedenen Auslegungsgesichtspunkten keine logische Rangfolge geben kann, sieht man einmal vom Erfordernis des Normtextes als Ausgangspunkt ab. Die Wahl der Methode bestimmt daher bereits weitgehend das Ergebnis. Hinzu kommt stets das Grunderfordernis einer vollständigen Vereinbarkeit mit den einschlägigen Regelungen des Grundgesetzes (GG). Denn das GG geht (sieht man vom supranationalen Recht ab) im Konfliktfall jeder anderen Rechtsnorm vor. Bei der Auslegung des GG wiederum, das bereits selbst die wichtigsten Regelungen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit enthält, sind die genannten Auslegungsgesichtspunkte ebenfalls zu beachten. Letztlich kommt es darauf an, alle sinnvoll in Betracht kommenden Gesichtspunkte sorgfältig zu berücksichtigen, wertend in ein Verhältnis zu setzen und das Ergebnis in rational nachprüfbarer Weise darzustellen, um Überzeugungskraft zu gewinnen.

1.3.  Ideologie im deutschen Religionsrecht. Versucht man, unter diesem Blickwinkel GG und Rechtswirklichkeit, d. h. die Rechtsnormen selbst und die Rechtsprechung (Rspr.) und Rechtsliteratur zu vergleichen, kommt man zu erstaunlichen Ergebnissen. Weithin gilt heute noch der vorrangige "Auslegungsgrundsatz" in dubio pro ecclesia, so als ob deutsche Juristen im allgemeinen besonders kirchengläubig und besonders unredlich wären und als ob nicht die rechtliche Basis und das gesellschaftliche Umfeld völlig bzw. weitgehend säkular geprägt wären. Bedenkt man aber, wie häufig deutsche Gerichte staatliche Entscheidungen aufheben, und zwar auch da, wo es um Wichtiges geht und weh tut, wird der genannte – noch näher zu belegende – Auslegungsgrundsatz geradezu rätselhaft. "Im Zweifel für die Kirche bzw. für die Religion": dieser Grundsatz hat in der Geschichte der Bundesrepublik starke Spuren hinterlassen. Unübersehbar und tief waren sie in der klerikalen Adenauer-Ära, abgeschwächt in der Zeit danach und noch heute teilweise sehr deutlich. Daher schreibt Ludwig Renck, rechtswissenschaftlicher Hauptkritiker der bisherigen Praxis der Staat und Religion betreffenden Bereiche, die "Mehrheit der Vertreter der herrschenden sog. Staatskirchenrechtslehre" trachte "ihr kirchliches Engagement hinter einer Maske wissenschaftlicher Abgeklärtheit zu verbergen", habe jedoch zur Rechtswissenschaftlichkeit im Religionsrecht "ein vielfach höchst gebrochenes Verhältnis".[5] In den gewiss nicht kirchenfeindlichen "Grundzüge(n) des Staatskirchenrechts (2000) von Jeand’Heur / Korioth heißt es verhaltener und auch in Bezug auf Kirchenkritiker: "Das Hauptproblem im Staatskirchenrecht ist, dass in diesem Rechtsgebiet häufig vom (erwünschten) Ergebnis und den jeweiligen staats- und kirchentheoretischen Prämissen her diskutiert wird; die juristische Methode droht in den Hintergrund geschoben zu werden."[6] Auch die kirchlich orientierten Protagonisten des sog. "Staatskirchenrechts" (das man heute zunehmend und korrekter "Religionsverfassungsrecht" nennt[7]) waren sich schon immer dessen bewusst, dass ihre kirchenzentrierte Rechtsauffassung auf unsicherem Boden steht.[8] Martin Heckel, als Protestant stark kirchlich engagierter kämpferischer "Staatskirchenrechtler" und Rechtshistoriker, schreibt ganz offen im Zusammenhang der Kruzifixdebatte von 1995 ff.: "Der Anschein der Verschleierung einer gewissen Unaufrichtigkeit, die scheinbiedere Verwendung der Argumente des Gegners, um in sophistischer Verdrehung diesen selbst damit zu schlagen, ist freilich ein altgewohntes Phänomen im Kirchen- und Staatskirchenrecht."[9] Klarheit und Unklarheit, Redlichkeit und Unredlichkeit juristischen Argumentierens im religiös-weltanschaulichen (im Folgenden: r-w) Bereich stehen daher im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.

2.  Nachkriegsära ( bis ca. 1965)

2.1.  Allgemeines.  Der enorme Umfang der Thematik dieses Aufsatzes gestattet nur einige Hinweise. Das Grundgesetz der Bundesrepublik von 1949 (GG) enthält einschließlich seiner durch Art. 140 inkorporierten Religionsartikel der Weimarer Reichsverfassung (WRV) eine zwar sehr religionsfreundliche, aber doch – insbesondere im Vergleich mit den anderen europäischen Verfassungen – durchaus "fortschrittliche" Regelung. Sie verbindet zwar eine grundsätzliche institutionelle Trennung von Staat und Religion mit – wenigen – Ausnahmen hiervon, stellt aber Religion und (nichtreligiöse) Weltanschauung ausdrücklich an mehreren Stellen formal generell gleich.[10] Die katholischerseits geforderte textliche Festlegung eines Rechts der Eltern auf konfessionelle Bestimmung des Schulwesens hatte sich im Parlamentarischen Rat ebensowenig durchgesetzt wie die umstrittene Erstreckung des Lebensrechts auf das vorgeburtliche Leben. Die ausdrücklich diskutierte Frage der Fortgeltung des Reichskonkordats blieb unentschieden. Der Text des GG enthält, genau betrachtet, keinerlei Anhaltspunkt für eine spezielle Privilegierung der christlichen Religion oder gar der christlichen Großkirchen. Dennoch ist die Entwicklung völlig anders verlaufen. Sowohl im politischen[11] wie auch juristischen[12] Bereich setzte sich eine umfassende Klerikalisierung durch. Das christliche Naturrechtsdenken prägte auch die höchstrichterliche Rechtsprechung (im Folgenden: Rspr.) in wichtigen Bereichen.

2.2.  Einzelfälle

2.2.1.  Sittengesetz.  In der heute seltsam, ja lächerlich anmutenden Frage der Strafbarkeit der elterlichen Duldung des Geschlechtsverkehrs zwischen Verlobten als Kuppelei räsonierte der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 1954: "Die sittliche Ordnung will, dass sich der Verkehr der Geschlechter grundsätzlich in der Einehe vollziehe, weil der Sinn und die Folge des Verkehrs das Kind ist...Die unbedingte Geltung der ethischen Norm lässt keine Ausnahme zu." [13] Das entsprach genau dem offiziellen katholischen Leitbild der Ehe. Das "Sittengesetz" wurde als Bestandteil eines speziellen Naturrechts begriffen, aus dem die Strafvorschriften abgeleitet seien. Der problematisierende Gedanke, dass der Begriff des Sittengesetzes (s. Art. 2 I GG)[14] auch seinerzeit völlig vage war, einer Bestimmung des Verhältnisses zum Recht des Menschen auf möglichst "freie Entfaltung seiner Persönlichkeit" (ebenfalls Art. 2 I) sowie einer Erörterung der Frage bedurft hätte, inwieweit ein derart einseitiges ideologisches Vorverständnis mit dem Charakter des GG als einer keineswegs christlichen, sondern ideologisch offen-pluralistischen Verfassung vereinbar war, war der Mehrheit der Richter offensichtlich nicht zugänglich. Dabei hätte die bloße Fragestellung keiner intellektuellen Anstrengung bedurft.

2.2.2.  Suizid.  Naturrechtlich wurde auch die Frage der Strafbarkeit unterlassener Hilfeleistung gegenüber einem Suizidenten ("Selbstmörder") erörtert. Hierzu beschloss der Große Strafsenat des BGH 1954: "Da das Sittengesetz jeden Selbstmord – von äußersten Ausnahmefällen vielleicht abgesehen – streng missbilligt, da niemand selbstherrlich über sein eigenes Leben verfügen und sich den Tod geben darf, kann das Recht nicht anerkennen, dass die Hilfepflicht des Dritten hinter dem sittlich missbilligten Willen des Selbstmörders zu seinem eigenen Tode zurückzustehen habe..."[15] Es wird damit eine rein axiomatische Behauptung über die Geltung einer ganz speziellen ethischen (und verkappt religiösen) Forderung zur allgemeinverbindlichen Rechtsregel aufgestellt und mit einer Strafandrohung versehen. Verfassungsrecht wird nicht einbezogen. Dabei hat selbst Hermann Weinkauff, damals Präsident des BGH und einflussreicher Befürworter von "Naturrecht", eingeräumt, dass die Naturrechts-Rechtsprechung des BGH nicht wissenschaftlich bewiesen werden könne und dass die Naturrechtssätze "nicht alle im gleichen Maße einsichtig" seien.[16] Zur Problematik des Suizids ist anzumerken: Auch 1954 war dieser nicht strafbar und somit auch nicht Beihilfe dazu. Dennoch wird noch heute von Strafrechtlern, tendenziell auch vom BGH, die Meinung vertreten, die straflose Teilnahme an eigenverantwortlicher Selbsttötung schlage in strafbare Tötung durch Unterlassen um, wenn der "Täter", wie z. B. der Ehegatte, eine "Garantenstellung" gegenüber dem Suizidenten innehat. Die Diskussion dieser vielfach äußerst schwierigen Rechtsfragen ist heute eher noch verworrener geworden, und religiöse Voreingenom-menheiten spielen dabei immer noch erkennbar eine bedeutende Rolle. Streng rational argumentierende Juristen wie Reinhard Merkel und (Rechts)Philosophen wie Norbert Hoerster werden mit z. T. offen religiös motivierter Scheinrationalität, auch unter der Gürtellinie, angegriffen. Die alte, auf religiöser Naturrechtsauffassung basierende Ideologie ist nach wie vor wirksam.

2.2.3.  Konkordatsurteil.  Der erbittert geführte Kampf um die Schule führte nach einem äußerst aufwändigen Verfahren zum hochpolitischen Konkordatsurteil[17] des BVerfG von 1957. Gerade bei dieser Materie hätte man vom BVerfG ein fachlich sauberes Vorgehen erwarten müssen. Worum ging es? Die Bundesregierung (!) hatte beim BVerfG auf Feststellung geklagt, das Land Niedersachsen, das mit seinem Schulgesetz von 1954 die Bildung von Bekenntnisschulen erschwert hatte, habe gegen das Reichskonkordat von 1933 verstoßen und seine Verpflichtung zur Einhaltung der Bundestreue verletzt. Obwohl das BVerfG eine Verpflichtung der Länder gegenüber dem Bund verneinte und den Feststellungsantrag abwies, machte es in den Entscheidungsgründen Ausführungen, auf die es zur Entscheidung gar nicht ankam, die aber höchst fragwürdig waren und die rechtliche und politische Entwicklung erheblich beeinflussten. Die schon damals äußerst umstrittene Auffassung des BVerfG, das Reichskonkordat gelte fort (wenn auch unter höchst merkwürdigen rechtlichen Umständen), soll hier dahinstehen.[18] In der damaligen Situation, 1957, war die Art und Weise verhängnisvoll, wie das BVerfG mit dem Konfessionsschulzwang umging: In einer Zeit, in der die Juristen mit der individuellen Religionsfreiheit, speziell in der Schule, noch nichts Rechtes anzufangen wussten, rechtfertigte es - ganz nebenbei - den Konfessionsschulzwang (den selbst der Katholik Theodor Maunz in seinem Gutachten schon als ohne weiteres verfassungswidrig bezeichnet hatte[19]) mit der kaum in die Form einer Begründung gekleideten Feststellung, man könne nicht allen Eltern eine ihren Wünschen entsprechende Schulart zur Verfügung stellen.[20] Art. 4 GG (Glaubensfreiheit) wurde als mögliche Begrenzung des Art. 7 I GG (staatliche Schulhoheit) groteskerweise nicht einmal erwähnt. Damit wurde das Zeitalter der Konfessionsschulen mit seiner konfessionellen Lehrerbildung noch auf längere Zeit zementiert, obwohl doch gerade das BVerfG den Pluralismus und die Notwendigkeit eines freien geistig-politischen Prozesses der Meinungsbildung schon eindrucksvoll hervorgehoben hatte. Gerade der "Hüter der Verfassung" gab so ein Negativbeispiel dafür, wie Politik und Gerichte mit der Religionsfreiheit im Schulwesen umspringen durften. Beide zogen daraus vielfältige Konsequenzen in Richtung Verchristlichung des Schulwesens. Diesem wird wegen seiner Bedeutung ein eigener Abschnitt gewidmet.

2.2.4  "Staat-Kirche-Verhältnis".  Das Verhältnis des Staats zu den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wurde in der konfessionsbestimmten Nachkriegszeit – bei gleich gebliebenen Verfassungsnormen (Art. 136 ff WRV mit Art. 140 GG) zu Gunsten der großen Kirchen völlig umgekrempelt. Die Juristen sprachen allgemein vom "Bedeutungswandel" der Weimarer "Kirchenartikel" in Richtung Verkirchlichung. Dabei war die Religionsfreiheit durch die strikte und stets für alle Staatsorgane vorrangige Geltung der Grundrechte (Art. 1 III GG) und die Existenz einer an sich effektiven Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber der Weimarer Verfassung sogar erheblich verstärkt worden. Zudem setzte sich die Lehre von der dreigestuften Parität der Religions-gesellschaften durch. Sie kannte nicht nur unterschiedliche Rechtspositionen für privat-rechtliche Religionsgemeinschaften und solche mit öffentlichrechtlichem Körper-schaftsstatus (Art. 137 V WRV), sondern forderte darüber hinaus besondere Rechts-privilegien für die großen Kirchen. Irgendeinen rechtlichen Ansatz für solche Forderungen sucht man im GG vergeblich. Damals war die Hoch-Zeit der auf der katholischen Staatslehre basierenden Koordinationstheorie, wonach Staat und Kirche gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Noch in der Schlussphase der Adenauer-Ära erkannte gar der BGH 1961 vorübergehend die Koordinationslehre in ihrer extremen Form an: Nach seinem Urteil vom 16.3.1961[21] waren die Kirchen mit ihrer originären Hoheitsgewalt der staatlichen Hoheitsgewalt nicht unterworfen. Und das, obwohl alle Religionsgesellschaften auch ihre eigenen Angelegenheiten gem. Art. 137 III WRV nur "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" regeln durften. Einer vorangehenden Entscheidung des BGH zufolge galt staatliches Recht für die Kirchen nur dann, wenn es sich um "Normen elementaren Charakters, die sich als Ausprägungen und Regelungen grundsätzlicher, jedem Recht wesentlicher, für unseren sozialen Rechtsstaat unabdingbarer Postulate darstellen", handelte[22], ferner, wenn die Regelungen "vom kirchlichen Recht stillschweigend oder ausdrücklich bejaht und in Bezug genommen werden". Diese BGH-Regeln galten, wohlgemerkt, nur für die christlichen Großkirchen. Der bekannte Rechtsgelehrte Hans Heinrich Rupp resümierte die ganze Entwicklung 1969 wie folgt:

"Die staatskirchenrechtlichen Artikel der Weimarer Reichsverfassung, vom Grundgesetz en bloc rezipiert, wurden mit Hilfe höchst fragwürdiger und bis dahin in der Rechtswissenschaft unbekannter Methoden mit neuen Inhalten gefüllt und dem neuen staatskirchenrechtlichen Verständnis dienstbar gemacht. Diese Umdeutung fand in atemberaubender Schnelligkeit allgemeine Anerkennung und Eingang in die gesamte Staatskirchenrechtslehre und die Rechtsprechung. Besorgte oder kritische Stimmen, wie etwa diejenige von Thomas Ellwein, der 1954 eine beängstigende Klerikalisierung der deutschen Nachkriegspolitik diagnostiziert und die Frage nach dem Verhältnis von Demokratie und Kirchen gestellt hatte, blieben entweder ungehört oder gingen in beißender Kritik unter...So entstand auf dem Boden der Bundesrepublik ein eigenartig autoritär-kirchenfreundliches Staatsgebilde, das heute gelegentlich mit dem Schlagwort der Pastoraldemokratie gekennzeichnet wird."[23]

2.2.5.  Vertragsrecht.  Eine besondere Eigenart des Staat-Kirche-Verhältnisses in Deutschland ist die Herausbildung eines weltweit einzigartig dichten Netzes von Verträgen insbesondere zwischen den Bundesländern und den großen Kirchen. Die in der Weimarer Zeit begonnene Entwicklung wurde ab 1955, als der "bahnbrechende" Loccumer Vertrag mit den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen mit seinen umfassenden Kirchenprivilegien geschlossen wurde, intensiv fortgesetzt. 1955 entsprach es der die staatliche Souveränität paralysierenden Theorie der Koordination zweier Mächte, sich vertraglich zu verständigen. Ungewöhnlich offenherzig erklärte Juraprofessor Grundmann 1962, durch das Vertragskirchenrecht hätten die Kirchen "ihre einmalige Stellung als religiöse Gemeinwesen obersten verfassungsrechtlichen Ranges...auch im positiven Recht wieder eingenommen."[24] Nach etwa 1965, als niemand mehr etwas von solchen Theorien wissen wollte, fand man freilich andere Gründe, fragwürdige Privilegien zu perpetuieren und neu zu begründen.[25]

3.  Zur Rechtsentwicklung seit 1965

3.1.  Juristische Wende.  Etwa um 1965 ging die klerikale Nachkriegsperiode mit ihren Übersteigerungen auch im Rechtswesen schlagartig zu Ende. In kurzer Zeit erschienen juristische Arbeiten teils sehr renommierter Autoren, die koordinationstheoretische Überlegungen regelrecht ad absurdum führten. Niemand wagte es mehr, sich darauf zu berufen. Gleichzeitig erfolgte im Jahr 1965 die forensische Wende durch acht Kirchensteuerurteile des BVerfG, in denen die persönliche Glaubensfreiheit und die staatliche Neutralität betont wurden.[26] Das bedeutete freilich keineswegs ein generelles Ende der Missachtung der juristischen Methode zu Gunsten der Kirchen bzw. der religiösen Weltanschauung. Insbesondere dann, wenn das Neutralitätsgebot drohte, in der praktischen Auswirkung die Position der Großkirchen fühlbar zu schmälern, fanden selbst die höchsten Gerichte Mittel und Wege, und seien es "brachiale", um derartige Konsequenzen zu vermeiden. Solches geschah im Schulwesen, im Kirchensteuerrecht, im Arbeitsrecht, bei der Religionsförderung und in zahlreichen anderen Bereichen, und es geschieht – bei erneut gewandelter Gesamtsituation[27] – noch heute.

3.2.  Neutralität. Im positiven Sinn bahnbrechend war die Entscheidung des BVerfG von 1965 zur Badischen Kirchenbausteuer.[28] Ihr zufolge legt das GG dem Staat als "Heimstatt aller Bürger" ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität auf und untersagt ihm auch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse sowie die Einführung "staatskirchlicher Rechtsformen". Die vielzitierte und durch eine Serie von GG-Zitaten eindrucksvoll untermauerte Passage klingt sehr gut. Dass sie dennoch wenig bewirkt, hängt auch mit dem (absichtsvollen?) Fehler des BVerfG zusammen, das Neutralitätsgebot nicht näher zu erläutern. Dieser noch heute bestehende Mangel veranlasst eine wenig rechts- und verfassungstreue Politik immer wieder dazu, die Reichweite vorhandener oder auch nur postulierter rechtlicher Spielräume bis ins Letzte auszutesten, um die christliche Religion weiterhin zu privilegieren (Beispiele: Bayerisches Kruzifix-Gesetz, einseitige Kopftuchgesetze).

Selbst die konservativsten kirchlich gesinnten Juristen tragen die Neutralität wie eine Fahne vor sich her, um dann mit fadenscheinigen Ausflüchten einschließlich der Ignorierung logischer Widersprüche die Neutralität doch zu verweigern. Zu diesem Zweck werden die z. T. ohnehin komplexen Anwendungsprobleme der Neutralität künstlich aufgebläht mit der Folge einer begrifflichen Vagheit, die – bei Zuhilfenahme von Begriffen wie positive Neutralität, Toleranz, Tradition, Gottesnennung in der GG-Präambel, Landesverfassungsrecht u. a. – bei gleichzeitiger Reduzierung des Neutralitätsgebots zu einem leicht durchbrechbaren Grundsatz – die Erreichung des interessenpolitisch gewünschten Ziels erleichtert. Selbst vor der Diffamierung des korrekt argumentierenden Gegners schreckt man nicht immer zurück. Das erstaunlichste Beispiel dafür ist die Kontroverse um das Kreuz im Klassenzimmer (dazu später).

Zur Erleichterung des Verständnisses sei auf Folgendes hingewiesen: Nach heute zumindest verbal fast allgemeiner und zutreffender Auffassung bedeutet das indirekt, aber deutlich im GG verankerte r-w Neutralitätsgebot im Kern nichts anderes als Unparteilichkeit aller staatlich-öffentlichen Organe gegenüber Religionen und Weltanschauungen im Sinn der Wahrung gleicher Distanz oder gleicher Förderung, wie das auch ohne weiteres dem Alltagsverständnis und etymologischen Wortsinn entspricht. Das Problem liegt dann in der Entscheidung zwischen der Alternative r-w Distanz (Ausklammerung) oder r-w Offenheit (Berücksichtigung) und im Ermitteln der Gleichheit von Tatbeständen. Die Unparteilichkeit gilt aber in jedem Fall ohne Ausnahme. Ihr Fehlen ist häufig sehr klar ersichtlich.

3.3.  Kirchensteuer.  So sehr die Kirchensteuerurteile des BVerfG insgesamt die individuelle Religionsfreiheit gestärkt haben, so gravierend sind doch grundlegende Mängel seiner Rechtsprechung zum Kirchensteuerrecht. Weder 1965 noch später hat das BVerfG den staatlichen Einzug der Kirchensteuer durch die Finanzämter beanstandet, sondern als selbstverständlich und nicht begründungsbedürftig für verfassungsrechtlich zulässig erachtet. Das erstaunt, denn Art. 137 VI WRV/ 140 GG garantiert den steuerberechtigten "Religionsgesellschaften" lediglich zweierlei: Zum einen die Erhebung des (der Sache nach) individuellen Mitgliedsbeitrags in Form einer "Steuer", d. h. notfalls mit staatlicher Vollstreckung von Amts wegen, zum anderen die Zurverfügungstellung der "bürgerlichen Steuerlisten" durch den Staat. Da es solche Steuerlisten längst nicht mehr gibt, ist der Staat stattdessen verpflichtet, den Kirchen als den Steuergläubigern die erforderlichen individuellen Steuerdaten zur Verfügung zu stellen. Die eigentliche Erhebung muss dann (unstreitig!) von Verfassungs wegen gerade nicht zwingend durch staatliche Stellen (Finanzämter) erfolgen, sondern könnte durch eine kircheneigene Steuerverwaltung durchgeführt werden. So handhaben es die kath. Kirche und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern seit Jahrzehnten problemlos und freiwillig bei der Einkommensteuer (nicht: Lohnsteuer) mit kirchlichen Steuerämtern. Die fast allgemeine Meinung in Rspr. und Literatur will nicht sehen, dass die staatliche Kirchensteuerverwaltung eine "staatskirchliche Rechtsform" darstellt, die das BVerfG in seiner grundlegenden Entscheidung zur Badischen Kirchenbausteuer (s. o.) als Obersatz gerade generell untersagt. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass der Satz "Es besteht keine Staatskirche" (Art. 137 I WRV) als Grundnorm der Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften jedenfalls grundsätzlich keine gemeinsamen institutionellen Verbindungen zulässt. Eine Abweichung davon bedarf nach den sonst anerkannten Rechtsregeln stets einer besonderen – hier verfassungsrechtlichen – Rechtfertigung. Eine solche besteht zwar hinsichtlich der notwendigen Steuerdaten, der im Grundsatz einvernehmlich zu gestaltenden Kirchensteuergesetze und des staatlichen Religionsunterrichts (Art. 7 III GG), nicht aber beim staatlichen Kirchensteuereinzug. Denn die Funktion des Art. 137 I WRV ist es, jede unnötige gegenseitige Abhängigkeit verhindern. [29]

Sogar die Pflicht des konfessionslosen oder andersgläubigen Arbeitgebers zur kostenlosen Mitwirkung am staatlichen Kirchenlohnsteuerverfahren wird gerechtfertigt: der Arbeitgeber werde nicht für die Religionsgemeinschaft tätig, sondern sei nur Beauftragter des Steuerfiskus und unterstütze den Arbeitnehmer bei der Erfüllung der Kirchensteuerpflicht: so die m. E. scheinheilige Begründung des BVerfG.[30] Sie ignoriert, dass Steuergläubiger ausschließlich eine Religionsgemeinschaft ist, die der Arbeitgeber u. U. scharf ablehnt, für die er aber entgegen Art. 4 GG gezwungenermaßen kostenlos tätig werden muss und die er damit indirekt unterstützt. Dabei ist anerkannt, dass auch mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen Grundrechtseingriffe darstellen, die selbst bei Geringfügigkeit einer verfassungsadäquaten Begründung bedürfen. Bei der pauschalisierten Kirchenlohnsteuer muss der Arbeitgeber sogar den Einzelnachweis führen, wenn er sie für konfessionslose Arbeitnehmer nicht abführen will.[31]

Mindestens so fragwürdig ist der Zwangsvermerk über die (Nicht)Zugehörigkeit zu einer kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft auf der Lohnsteuerkarte: Sagt doch Art. 136 III 1 WRV/ 140 GG eigens: "Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren", wenn keine verfassungsgemäßen Rechte oder Pflichten davon abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung das erfordert. Darüber kam das BVerfG 1978 ganz leicht hinweg: Da das Kirchenlohnsteuer-Abzugsverfahren statthaft sei, verlange die in Art. 137 VI WRV enthaltene Garantie einer geordneten Besteuerung den Religionsvermerk, denn dieser sei erforderlich und nicht unzumutbar. Die abstrakte Missbrauchsmöglichkeit mache das zulässige Verfahren noch nicht verfassungswidrig.[32] Diese Argumentation übersieht geflissentlich, dass die Weiterleitung der Religionsdaten von der Meldebehörde an den Arbeitgeber keineswegs erforderlich ist: Eine Besteuerung kann auch ohne Einschaltung des Arbeitgebers in geordneter Form erfolgen, wäre nur für die Kirchen nicht so praktisch. Ein Grundrechtseingriff lässt sich damit nicht rechtfertigen, zumal keiner der ausschließlich festgelegten Einschränkungstatbestände vorliegt.[33] In religiös geprägten ländlichen Gebieten kann der Zwangsvermerk für den Arbeitnehmer durchaus auch heute noch von Nachteil sein.

Hätte das BVerfG in Sachen Kirchensteuer lege artis judiziert und sowohl das Trennungsgebot (staatlicher Einzug) als auch die Rechte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern korrekt beachtet, so würde die Kirchensteuer in ihrer bisherigen Form fallen. Die Kirchen müssten sich selbst um ihre Mitglieder kümmern und die Steuern verwalten und ggf. vollstrecken, wie andere private und öffentliche Vereinigungen auch. Das wäre nicht unbillig und entspräche nach statistischen Erhebungen dem klaren Mehrheitswunsch der Bevölkerung, hätte aber wegen verstärkter "Kirchenaustritte" sicher Auswirkungen auf die amtskirchlichen Strukturen. Das BVerfG trägt somit durch seine Rspr. erheblich zur Aufrechterhaltung verkrusteter Strukturen in den "Amtskirchen" bei, mischt sich also indirekt massiv in religiöse Angelegenheiten ein.

Nebenbei: Schon im Standardbegriff "Kirchenaustritt", den alle Kirchensteuergesetze der Länder verwenden, kommt eine kirchenhörige Verlogenheit zum Ausdruck, die eine (vom "Austretenden" keineswegs immer gewollte) völlige Abwendung von der Kirche vortäuscht. Denn die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft ist ausschließlich Sache innerkirchlicher Regelung. Der säkulare Staat hätte nach völlig unbestrittener Rechtsmeinung keinerlei Befugnis, echte Austritterklärungen mit innerkirchlicher Wirkung entgegenzunehmen. Rechtspraktisch bedeutet die Erklärung des "Kirchenaustritts" bei Standesamt bzw. Amtsgericht lediglich die Abmeldung von der staatlich-kirchlichen Kirchensteuergemeinschaft. Andere Rechtsfolgen im staatlichen Bereich dürften kaum auftreten. Ob und welche Folgerungen die Religionsgemeinschaft aus einer "Austrittserklärung" zieht, ist allein deren Sache.

3.4.  Schwangerschaftsabbruch.  Die Problematik des ungeborenen Lebens hat das geistige Klima der Bundesrepublik jahrzehntelang wie kaum ein anderes erregt, ja sogar vergiftet, und die neue bioethische Debatte hat die Gemüter wiederum heftig bewegt. Es sind zahllose juristische Abhandlungen und auch hochklassige Monographien, meist stark verknüpft mit philosophischen und naturwissenschaftlichen Erwägungen, die zu diesen Themen geschrieben wurden und werden. Oft überdeckt freilich triefende Ideologie das klare juristische Denken. Wir sind heute wieder soweit, dass die Menschenwürde der befruchteten Eizelle verfassungsrechtlich diskutiert wird. Das BVerfG hat an dieser Entwicklung keinen geringen Anteil. Zum Verständnis ist es wichtig, zu den meist ignorierten, aber schlichten verfassungsrechtlichen Grunddaten zurückzukehren.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist das berühmte erste Urteil des BVerfG zum Schwangerschaftsabbruch (im Folgenden: S.) vom 25.2.1975.[34] Das Urteil ist Basis für alle folgenden Wirrungen bis zum heutigen Tag. Sein Gegenstand ist die Neuregelung des S. durch das 5. Strafrechts-Reformgesetz vom 18.6.1974. Dessen § 218 a StGB erklärte den S. für straffrei, wenn er innerhalb der ersten 12 Wochen nach der Empfängnis von einem Arzt mit Einwilligung der Schwangeren vorgenommen wird (Fristenlösung). Bei Fehlen einer sachgerechten Beratung wurde (nur) der Arzt mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht. Das BVerfG erklärte das Reformgesetz mit seiner Fristenregelung für verfassungswidrig. In seiner exzessiv langatmigen, aber wenig juristischen Entscheidung vertrat es folgende Grundthesen: Die Art. 2 II 1 und 1 I GG schützen das vorgeburtliche menschliche Leben als selbständiges Rechtsgut, auch gegenüber der Mutter. Das GG missbilligt also rechtlich den S. Der Lebensschutz hat grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. In bestimmten Ausnahmefällen darf der Gesetzgeber jedoch Straffreiheit gewähren.

Fragwürdige Ideologie liegt bereits der Grundthese zugrunde, wonach der Nasciturus – zumindest ab dem 14. Tag der Empfängnis, d. h. nach erfolgter Nidation (sie erst ist entscheidend für den Beginn konkret-individuellen Lebens) – durch das Grundgesetz geschützt wird. Sie ist Grundlage für die angeblich verfassungsrechtliche Forderung nach speziell strafrechtlichem Schutz. Ausgangspunkt des BVerfG ist Art. 2 II 1 GG. Er hat folgenden Wortlaut: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Ergänzend wird Art. 1 I GG herangezogen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Zu entscheiden ist somit an erster Stelle, ob "Jeder" im Sinn des Art. 2 II 1 GG auch das werdende menschliche Leben ist. Der isolierte Wortlaut gibt hierzu nichts her. Art. 2 I bezieht "Jeder" auf eine "Persönlichkeit", die sich frei entfalten darf, und unmittelbar auf Art. 2 II 1 folgt der Satz: "Die Freiheit der Person ist unverletzlich". Daher spricht der Wortlaut und Gesamtzusammenhang des Art. 2 deutlich dafür, dass "Jeder" grundsätzlich eine "Person" sein muss. Zwar kann man auch einen Neugeborenen nicht im Vollsinn als "Person" bezeichnen, aber da die Rechtsordnung (s. § 1 BGB) dem Menschen seit je die Rechtsfähigkeit mit der Vollendung der Geburt zuerkennt, ist unter "Jeder" sicherlich auch jeder Geborene zu verstehen. Dafür, dass auch der Nasciturus, gar in seinen ersten Frühformen, einbezogen werden soll, geben Wortlaut und systematischer Zusammenhang nichts her. Aus der vom BVerfG ansonsten so häufig herangezogenen Entstehungs-geschichte ergibt sich aber erst recht nichts für die Ausgangsthese. Insoweit hatte das BVerfG ausweislich der Entscheidungsgründe – zu Recht – selber Bedenken. Der Verfassungsschutz für das werdende Leben hat sich im Parlamentarischen Rat ja trotz heftiger Auseinandersetzungen gerade nicht im Wortlaut durchsetzen lassen.[35] Trotz alledem kommt das BVerfG zu seinem extrem weiten Verständnis von "Jeder" durch folgende Überlegung: Die menschliche Entwicklung ist von der Empfängnis bis nach der Geburt ein kontinuierlicher Prozess, so dass der Lebensschutz des Art. 2 II 1 umfassend gelte. Auch sollten Grundrechte "in Zweifelsfällen" so ausgelegt werden, dass sie ihre Wirkungskraft am stärksten entfalten. Das ist aber ein reiner Zirkelschluss: nicht nur, dass keiner der Kontrahenten die Kontinuität eines – per se rechtlich unerheblichen – Entwicklungsprozesses bestreitet, es geht auch nicht um den sinnvollen Umfang eines existierenden Grundrechts, sondern gerade darum, ob ein solches überhaupt zuerkannt werden soll oder nicht. Und gerade das war und ist seit je politisch und rechtlich umstritten. Ein Verfassungsrecht des Nasciturus ist dem GG gerade nicht zu entnehmen (wenn man es nicht zuvor hineinliest, s. Goethe). Unklar ist zudem geblieben, nach welchen Kriterien das Vorliegen eines "Zweifelsfalls" festgestellt werden sollte. In Frage käme ja auch die Sichtweise der Schwangeren.

Die Grundthese der Entscheidung ist eine petitio principii und keine juristische Begründung. Das Urteil wurde im übrigen von zahlreichen Rechtswissenschaftlern (selbst von einer Minderheit der entscheidenden Richter) scharf kritisiert, etwa von Josef Esser mit seinem Aufsatz "Bemerkungen zur Unentbehrlichkeit des juristischen Handwerkszeugs".[36] Zu denken hätte den Richtern auch folgender Gedanke der an der Entscheidung beteiligten Richterin Rupp-von Brünneck geben sollen: "Für den deutschen Rechtsraum verdient Hervorhebung, dass das Kirchenrecht, gestützt auf die Beseelungslehre (Hervorh. Cz), bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Abtreibung in der Zeitspanne bis zum 80. Tag nach der Empfängnis als straflos angesehen hat."[37] Jahrhundertelang galt in der Rechtspraxis also eine katholische Fristenregelung. Dass ein rigides Verbot des S. nur religiös begründet werden kann, erscheint offensichtlich.[38] Daher stellt sich auch die (rechtlich-politisch aber kaum je gestellte) Frage, ob die säkulare Rechtsordnung religiöse Forderungen eines (kleineren) Teils der Bevölkerung allen übrigen Bürgern überstülpen kann, ohne das neutral begründen zu können. Ein solches Verfassungsverständnis ist mit der liberalen Rechtstheorie z. B. eines John Rawls abzulehnen und mit dem Geist des GG unvereinbar.[39]

Trotz aller Kritik knickte nach 1975 allmählich die gesamte Rechtsliteratur völlig ein. Wer heute Kommentare zum GG oder zum StGB liest, wird kaum viel mehr finden als die apodiktische und unkritisch wiedergegebene Feststellung, auch das werdende Leben im Mutterleib sei Träger des Grundrechts auf Leben. Das vielumstrittene 2. Urteil des BVerfG vom 28. 5. 1993[40] zum S. und die Folgeentwicklung haben die Zahl der Rechtsprobleme, Ungereimtheiten und sogar massiven logischen Widersprüche noch stark vermehrt. In manchen rechtlichen Teilbereichen der komplexen Thematik S. vermag niemand mehr zu sagen, was die zentralen Begriffe "rechtswidrig" und "rechtmäßig" noch sinnvoll bedeuten, und es gibt viel Literatur dazu: Perversion der Jurisprudenz. So trifft auf das o. g. Urteil des BVerfG von 1975 in besonderem Maß der Satz zu: "Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären."

Wichtige logische Aspekte der Probleme des Urteils des BVerfG von 1993 hat Norbert Hoerster 1995 in einem Aufsatz mit dem Titel dargelegt: "Das ‚Recht auf Leben’ der menschlichen Leibesfrucht – Rechtswirklichkeit oder Verfassungslyrik?"[41] Nicht zuletzt juristischen Defiziten haben wir es zu verdanken, wenn sogar die Präimplan-tationsdiagnostik mit vorgeschobenen verfassungsrechtlichen Argumenten teilweise fanatisch bekämpft wurde: Dabei ist PID ein Verfahren, das es lediglich sicher ermöglichen soll, die Austragung schwer geschädigten Lebens rechtzeitig zu verhindern, so dass ein rechtlich zulässiger S. vermieden werden könnte.

3.5.  Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen. Aus Raumgründen sei nur kursorisch auf eine problematische Gesamtentwicklung hingewiesen. 1968 weitete das BVerfG die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 II GG) extrem weit aus und erstreckte sie textwidrig auf das gesamte religiös begründete Verhalten, hier eine Aktion Rumpelkammer der Kath. Landjugend, die in Konflikt mit einem gewerblichen Sammler geriet. Ohne, dass der Streitfall (Lumpensammler-Entscheidung[42]) das zwingend erfordert hätte, wurde das Recht auf ungestörte Religionsausübung weit über das klassische Verständnis als Garantie der Kultausübung hinaus[43] auch allen solchen Vereinigungen zuerkannt, die sich, anders als Religionsgemeinschaften, nur eine teilweise Pflege des religiösen Lebens zum Ziel setzen. In der Folge konnten sich alle kirchlichen Sozialeinrichtungen für ihre äußerlich rein weltliche Tätigkeit auf Art. 4 GG berufen. Verheerende Auswirkungen hatte auf dieser Basis die Entscheidung von 1985 zum stark reduzierten Kündigungsschutz in kirchlichen Sozialeinrichtungen, die mit einer heute juristisch immer mehr kritisierten völligen Übersteigerung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 III WRV) begründet wurde.[44] Während Art. 137 III WRV/ 140 GG dieses Recht nur innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze gewährt, setzte das BVerfG im Ergebnis diesen religionsneutralen Vorschriften ihrerseits Schranken durch übersteigerte und nicht einmal nach der Arbeitnehmerposition differenzierte amtskirchliche Loyalitätspflichten, weit hinaus über den ohnehin gegebenen arbeitsrechtlichen Tendenzschutz. Insbesondere der konkret entschiedene Fall eines gekündigten und bislang unbeanstandeten altgedienten Buchhalters ließ erkennen, dass das Gericht den Grundrechten der Arbeitnehmer kaum eine echte Bedeutung beimaß. Das staatliche Kündigungsschutzrecht wurde auf eine Weise paralysiert, die zuvor keinem Arbeitsrechtler denkbar erschien.[45] Trotz stärker werdender Kritik auch von christlichen Juristen ist eine Änderung der Rspr. des BVerfG immer noch nicht in Sicht. Betroffen sind derzeit ca. 1,2 Millionen Arbeitnehmer.

Die Gesamtentwicklung des Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich ist, einschließlich gesetzlicher Sonderregelungen zugunsten der Kirchen und zu Lasten der Arbeitnehmer und Gewerkschaften verlaufen. Selbst die härtesten juristischen Interessenvertreter der Amtskirchen hätten sich wohl keine günstigere Konstellation ausdenken können, als sie der Gesetzgeber und das BVerfG den Kirchen freiwillig eingeräumt haben. Inwieweit die Antidiskriminierungsvorschriften der EG eine teilweise Modifizierung bewirken können, ist abzuwarten.

4.  Zur Rechtsproblematik Schule, Religion und Neutralität

Wegen des riesigen Umfangs dieser speziellen, vielfältigen und politisch brisanten Thematik verweise ich vorab auf meine 2003 anderweitig publizierte detaillierte Darstellung (s. Literaturliste). Zur unverständlichen Ignorierung des Art. 4 GG im Konkordatsurteil des BVerfG (1957) wurde schon oben unter 2.2.3. hingewiesen.

4.1.  Keine Glaubensfreiheit für Nichtchristen. 1967 erklärte der Bayer. Verfassungsgerichtshof, die Glaubensfreiheit verbiete die Erziehung einer Bekenntnisminderheit nach den Grundsätzen der Bekenntnismehrheit, weil sonst ein "klarer Verstoß" gegen das Grundrecht vorliege.[46] Nur kurze Zeit später, im selben Jahr, scheute sich der BayVerfGH nicht, allen Nichtchristen das Grundrecht der "Glaubens- und Gewissensfreiheit", Art. 107 I BayVerf, in der Schule abzusprechen. Das Grundrecht wurde ihnen zwar nicht generell aberkannt, aber die "Ausmerzung" des christlich geprägten Geistes der (Volks)Schule verletze die "Gewissensfreiheit" der christlichen Eltern. Auch habe der Gedanke der Nichtmajorisierung der Grundrechte Schranken "kraft unserer demokratischen Rechtsordnung" (!).[47] Jeder weitere Begründungsversuch fehlt.

4.2.  Christliche Gemeinschaftsschulen.  Im Zuge der Abschaffung der Konfessionsschulen wurde 1968 in Bayern Art. 135 der Landesverfassung wie folgt gefasst: "Die öffentlichen Volksschulen sind gemeinsame Schulen für alle volksschulpflichtigen Kinder. In ihnen werden die Schüler nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen." Das war nach Entstehungsgeschichte und Text eine eindeutig auch inhaltlich christlich geprägte Gemeinschaftsschule. Etabliert wurde also trotz absoluter religiöser Inkompetenz des Staats eine interkonfessionelle Konfessionsschule. 1975 entschied das BVerfG in einer vielzitierten Entscheidung, die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen, da das Gericht den Begriff der Christlichen Gemeinschaftsschule wegen Art. 4 GG verfassungskonform verstand.[48] Die Schule dürfe das Christentum nur im Rahmen pluralistischer Offenheit als Kulturerscheinung vermitteln, nicht aber als Glaubensgut lehren. Das hieß: Die Schule darf sich zwar formal christlich nennen, es aber inhaltlich keinesfalls sein. Auch dürften nichtchristliche Lehrer nicht benachteiligt werden. Das entsprach inhaltlich der Nichtigerklärung des Art. 135 BayVerf, den man aber trotzdem formal aufrechterhielt: eine äußerst unehrliche Entscheidung, die zwar ein öffentliches Ärgernis vermied, aber allen Grundsätzen der "verfassungskonformen Auslegung" widersprach. Das erleichterte den folgenden massiven Rechtsbruch der bayerischen Schulverwaltung, die die Volksschule bis zum heutigen Tag im Rahmen der Möglichkeiten als Feld für z.T. massive christliche Missionierung versteht.[49]

4.3.  Neutralität.  Der, wie ich es offen nennen möchte, Feigheit (oder staatspolitischen Klugheit?) des BVerfG von 1975 entsprach sein fester Entschluss, sich in Sachen Neutralität (s. oben 3.2) ja nicht ohne Not inhaltlich festzulegen. Ist doch das Gebot r-w Neutralität das am meisten missachtete Postulat des GG[50], und bei einer klaren Grunddefinition würde man Konsequenzen befürchten müssen. Nur so ist es wohl zu erklären, dass das BVerfG 1973 der Verfassungsbeschwerde eines jüdischen Klägers wegen Verstoßes gegen Art. 4 GG aus Gründen des Einzelfalls stattgab und die Entfernung eines Standkreuzes aus einem Gerichtssaal anordnete.[51] Ob dieses schon dem vorrangigen generellen Neutralitätsgebot widersprach, wollte das Gericht nicht allgemein entscheiden, da das zu schwierig sei. Dabei wäre nichts einfacher gewesen, als zu der Erkenntnis zu gelangen, dass ein einziges, spezifisch religiöses Symbol im Gerichtssaal eines nicht religiös begründeten Staats nichts verloren hat, weil damit gegen die Gleichbehandlung der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen verstoßen wird.

Diese "Methode", die Neutralitätsfrage – regelwidrig –zu ignorieren und stattdessen vorrangig das Vorliegen einer persönlichen Rechtsverletzung zu prüfen, wird von den Gerichten, soweit ersichtlich, bis zum heutigen Tag bevorzugt, gehe es um Kreuze in Ratssälen oder Schulen oder um Gebete im gemeindlichen Kindergarten. So werden Kreisräte, Eltern, Schüler und Lehrer gezwungen, sich als Nichtchristen zu outen, dem Unverständnis einer unaufgeklärten Bevölkerung, Presse und Kollegenschaft bis hin zum Hass auszusetzen und eine (möglichst intensive) persönliche Rechtsverletzung geltend zu machen. Ist aber ein ideologisches Symbol (auch: ein politisches Parteiabzeichen) oder eine sonstige einseitige religiös-weltanschaulich-politisch-ideologische staatliche Beeinflussung von vornherein generell unzulässig, so genügt eindeutig jede geringe Beeinträchtigung dieser Art, um eine nicht rechtfertigungsfähige Grundrechtsverletzung zu bewirken, und es kann eigentlich zu gar keiner Situation kommen, die den Klageweg erzwingt.

4.4.  Kreuz/ Kruzifix im Klassenzimmer. Wenn Schule nach den Entscheidungen des BVerfG von 1975 (s. o.) nicht einseitig beeinflussen[52] oder gar missionieren darf, so hätte das wohl unmittelbare Bindungswirkung für alle bayerischen Staatsorgane auch bezüglich des Kreuzsymbols haben müssen. Aber der Freistaat Bayern hat ja bekanntlich zugunsten des christlichen Glaubens den Verfassungsbruch konsequent zum Erziehungsmittel gemacht.[53] Den Gipfel des Rechtsbruchs stellte es dar, als der berühmte Kruzifix-Beschluss des BVerfG vom 16. 5. 1995 durch ein rasch durchgepeitschtes Landesgesetz nicht nur unterlaufen, sondern regelgerecht konterkariert wurde. Denn das BVerfG hatte ausweislich der tragenden Entscheidungsgründe zum grundrechtlichen Beeinflussungsverbot und vor allem Neutralitätsgebot – mit formaler Bindungswirkung für alle bayerischen Staatsorgane, § 31 BVerfGG – sämtliche staatlich veranlassten Schulkreuze für generell GG-widrig erklärt (wird dennoch bestritten). Die Schamlosigkeit mancher der zahlreichen juristischen Gegner der Entscheidung[54], die weder Anstand, noch juristische Logik gelten ließen[55], ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher beispiellos. Das kann hier nicht näher dargestellt werden.[56] Immerhin ist seitdem die Zahl der juristischen Verteidiger der Entscheidung stark angestiegen und diese heute weithin akzeptiert. In einer rückblickend-distanzierten Analyse hat der bekannte Frankfurter Öffentlich-Rechtler Michael Stolleis, ein gelegentlicher Mitarbeiter der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, im Jahr 2000 bei aller Nachdenklichkeit konstatiert, das BVerfG habe im Kruzifix-Beschluss von 1995 die Pflicht, lege artis zu entscheiden, "in respektabler Weise" erfüllt.[57] So sieht es auch z. B. das Lehrbuch "Grundzüge des Staatskirchenrechts" von Jeand’Heur/ Korioth (2000; eingehend). Demgegenüber ist die Art und Weise, wie das BVerwG 1999 meinte, das Schulkreuz in Bayern grundsätzlich entgegen der auch das BVerwG bindenden Entscheidung des BVerfG noch halten zu müssen, wenig respektabel, und noch schlimmer ist die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. [58] Beide Gerichte ignorieren (trotz verbaler Erwähnung) die Fragen der Bindungswirkung und der Bedeutung des Neutralitätsgebots. Folge ist ein nicht enden wollender Kampf einzelner Eltern/ Schüler und Lehrer um das Kreuz in der Schule.

Am Rande sei die Frage gestellt, wie viel innere Unabhängigkeit und r-w Neutralität von den Tausenden von Richtern, d. h. unmittelbaren Repräsentanten der säkularen Staatsgewalt, zu erwarten ist, die "unter dem Kreuz" judizieren. Denn kraft Sitzungshoheit sollten sie für die verfassungsgemäße Ausstattung der Sitzungssäle zumindest während der Sitzungszeit verantwortlich sein.

4.5.  Ethikunterricht (EU). Ab 1972 wurde in mehreren, mittlerweile allen westdeutschen Flächenstaaten ein Ethikunterricht (EU) oder vergleichbarer Unterricht als Ersatz für Religionsunterricht (RU) eingeführt. Er zielte von Anfang an auf die Schüler, die sich mit steigender Tendenz vom RU abmeldeten, um dadurch den RU zu stabilisieren: ein laut BVerwG klar GG-widriges Motiv. Gegen einen solchen EU erhob eine juristische Minderheit insbesondere seit 1992 Kritik mit der Begründung, das GG garantiere durch Art. 4 I und 7 II eine freie, d. h. unsanktionierte Entscheidung gegen den RU. Ein Zwangsersatz in Form eines anderen Faches für die betreffenden Schüler stehe im Widerspruch zur Freiheit der Entscheidung. Auch werde eine Verknüpfung zwischen Schulpflicht und Religion hergestellt, die im Widerspruch zu Art. 3 III GG stehe. Da es keine Religionspflicht gebe, könne es auch keine Pflicht geben, als Ersatz oder Zwangsalternative (so in vier neuen Bundesländern) einen anderen Unterricht besuchen zu müssen. Nach deutlich der religiösen Erziehung zugeneigten, recht gewundenen Urteilen der Vorinstanzen (VG Freiburg, VGH Mannheim), die vielfach mehr an Besinnungsaufsätze als juristische Argumentation erinnerten[59], erklärte das BVerwG 1998 in einer prozessual und inhaltlich irritierenden Weise den EU für GG-konform, wenn er nur rechtlich und tatsächlich dem RU gleichgestellt sei.[60] Dieser Forderung kommen übrigens noch heute etliche, wenn nicht alle Bundesländer immer noch nicht nach. Der EU, das Fach Werte und Normen (Niedersachsen) usw. soll möglichst unattraktiv sein. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BVerwG sowie eine weitere Verfassungsbeschwerde und eine Richtervorlage des VG Hannover (das die Kritik mit präziser Argumentation aufgenommen hatte) würgte das BVerfG 1999 auf äußerst rüde Weise als bereits unzulässig ab.[61] Eine inhaltliche Auseinandersetzung sollte wohl mit allen Mitteln verhindert werden. Dirk Heckmann, obwohl ein erklärter Befürworter des EU für Nichtteilnehmer am RU, vertrat die Meinung, die Argumentation der Kritiker sei "nicht leicht zu widerlegen", was er auch selbst gar nicht erst versuchte.[62]

4.6.  Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER).  Erstaunlich war und ist der Kampf gegen das brandenburgische Fach LER, das von Anfang an als r-w neutrales lebenskundlich-praktisches, ethisch-philosophisches und religionskundliches Fach für alle Schüler sorgfältig geplant war, teilweise auch unter christlicher Anregung und mit intensiver wissenschaftlicher Begleitung. Die dagegen betriebene, auf breiter Ebene geführte maßlose jahrelange ununterbrochene Hetze führte 1996 – parlamentshistorisch einzigartig – sogar zu einem gegen das Land Brandenburg gerichteten, von CDU/ CSU und FDP getragenen Beschluss des Bundestags, das Land solle das geplante Schulgesetz ablehnen oder zu Gunsten des RU abändern.[63] Dabei war die Frage des RU wegen Art. 141 GG verfassungsrechtlich pro und contra äußerst umstritten und war man den Kirchen, vor allem durch eine rechtlich sehr fragwürdige Befreiungsklausel, schon weitestgehend entgegengekommen. Im Kern ist LER trotz aller Besonderheiten und seiner integrativen Funktion ein Fach wie der westliche EU. Was im Westen als tendenziell abschreckendes Fach nur für Abweichler höchst erwünscht war, sollte in Brandenburg gegen das GG verstoßen. Dabei ist LER der Sache nach ein Fach wie Geschichte oder Sozialkunde. Zahlreiche Interessenvertreter kämpften geradezu mit Schaum vor dem Mund, mit dem Ziel, einen attraktiven Unterricht mit Integrativfunktion für alle Schüler im weitgehend nichtreligiösen Brandenburg zu verhindern und stattdessen auf Staatskosten einen staatlichen RU zu etablieren. Das gegen das neue Schulgesetz von 1996 angerufene BVerfG griff zu dem rechtshistorisch völlig außergewöhnlichen Mittel, den zahlreichen Verfahrensbeteiligten einen Prozessvergleich vorzuschlagen, statt die drängenden Verfassungsfragen zu entscheiden. Dem diesbezüglichen Beschluss des BVerfG vom 11. 12. 2001[64] kann man indirekt entnehmen, dass das Gericht trotz eines von den Beschwerdeführern betriebenen gigantischen Aufwands kirchlich orientierter Professoren sich nicht in der Lage gesehen hatte, LER im Grundsatz zu beanstanden. Der Vergleichsvorschlag, der schließlich in Gesetzesform umgesetzt wurde, enthält zahlreiche und sehr ungewöhnliche Vorschläge zu Gunsten eines kirchlichen Religionsunterrichts in der staatlichen Schule: auf Staatskosten und mit voller Integration der staatlich-kirchlichen Lehrer in den Schulbetrieb, unter befreiender Wirkung gegenüber dem staatlichen LER. Damit haben die Kirchen im Ergebnis so gut wie alles erreicht. Das Land Brandenburg tut heute viel für den (kirchlichen) RU mit seinen nur sehr wenigen Schülern und eher wenig für das (staatliche) Fach LER.

Hingegen bekämpft das Land mit allen rechtlichen Mitteln den Versuch des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg, für die zahlreichen säkular Denkenden entsprechend dem sehr erfolgreichen Berliner Beispiel einen Humanistischen Lebenskundeunterricht als weltanschaulichen Unterricht (der dem RU entsprechen würde) einzuführen.[65] Das Gerichtsverfahren ist ins Stocken geraten. Das Fach Ethik hingegen, das theoretisch, auch nach BVerwG, nur als "neutrales" Fach existieren darf, fungiert praktisch nicht selten als sanft-religiös missionierendes Fach. Das kann man z. B. sogar anhand der Volksschul-Lehrpläne in Bayern und Sachsen nachweisen.

5.  Schlussüberlegungen

Wie sehr Rechtspolitik und Rechtsanwendung seit Bestehen der Bundesrepublik von religiös-konservativer Ideologie geprägt sind, konnte hier nur kursorisch und anhand weniger Fallgruppen und Einzelbeispiele aufgezeigt werden. Wer sich länger mit diesen Materien beschäftigt, kann verschiedene "Methoden" der "Rechtsfindung" feststellen, die nicht nur, aber besonders auffällig von christlich-religiösen Politikern und Juristen angewandt werden.

Besonders verbreitet und erfolgreich ist die schlichte und beharrliche Ignorierung von Argumenten: einschlägige Vorschriften, die dem gewünschten Ergebnis abträglich sein könnten, werden gar nicht erst gesucht, sie werden daher meist auch nicht gefunden; vorgetragene Gesichtspunkte werden einfach "übersehen". Weitere Verfahrensweisen sind: Argumente werden zwar verbal registriert, eine argumentative Auseinandersetzung mit unangenehmen Gegenargumenten unterbleibt aber ("Der Auffassung...vermag das Gericht mit der herrschenden Meinung nicht zu folgen, vgl...". Es folgen passende Fundstellen aus Rspr. und Lit.); die Auswertung der Fundstellen erfolgt im Zweifel sehr selektiv; es werden schlicht unzutreffende Behauptungen aufgestellt; es wird Stimmung gemacht; die argumentativen Schwachstellen werden durch Geschwätzigkeit und rechtliche Allgemeinplätze überspielt; es werden mehrdeutige Begriffe verwendet und nicht definiert; die Logik und der Stellenwert der Problemerörterung wird im Unklaren gelassen; landesrechtliche Gesichtspunkte werden unzulässig zur Anwendung von Bundesrecht herangezogen; grundrechtsdogmatisch geht man je nach erwünschtem Ergebnis mal von einer, mal von der anderen theoretisch vielleicht akzeptablen Prämisse aus; echte Argumente werden manchmal sogar abfällig beiseite geschoben. Beliebt ist auch die Summierung von Erwägungen, die jeweils rechtlich nicht zutreffen, in der Summe aber ausreichen sollen; Gründe für die Methodenwahl, z. B. das entscheidende Abstellen auf die Entstehungsgeschichte, werden nicht vorgetragen; Dokumente werden falsch zitiert; naheliegende Vergleiche werden nicht angestellt.

Im Religionsrecht gibt es viele wirklich schwierige Rechtsfragen, etwa zum Geltungsbereich von Grundrechten, zu ihrem gegenseitigen Verhältnis, zum Problem des Eingriffs und seiner Rechtfertigung, d. h. der Frage der Einschränkbarkeit von Grundrechten. Besonders schwierig können Fragen der Gleichbehandlung sein. In der Praxis sind aber gerade viele der in ihren Auswirkungen besonders bedeutenden Fragen, vor allem der Gleichheit (Neutralität), insofern leicht zu beurteilen, als nicht-neutrales Verhalten staatlicher Organe für jeden, der sich ehrlich in die Situation der Kontrahenten versetzt, oft klar erkennbar ist. Die eingangs unter 1.2 skizzierten theoretischen Fragen der Rechtsanwendung sind, wie auch etliche der hier geschilderten Fälle zeigen, oft gar nicht erörternswert, weil das Ergebnis offen zutage liegt – für den, der sehen will.

Keineswegs immer werden Ansichten, die hier angegriffen werden, absichtlich unter Außerachtlassung der professionellen Regeln vertreten. Man sollte berücksichtigen, dass auch redlich arbeitende Juristen und Politiker sich den Einflüssen der Umgebung und der Tendenz ihrer weltanschaulichen Überzeugung nicht immer entziehen können. Das gilt natürlich unabhängig von der Art der Überzeugung. Nicht private Überzeugungen und ihr zwangsläufiger Einfluss auf das rechtliche Denken standen hier zur Debatte, sondern die Art und Weise, wie damit in der professionellen rechtlichen Arbeit umgegangen wird. Insgesamt ist aber der Eindruck unabweislich, dass religiös engagierte bzw. konservative Menschen besonders häufig Schwierigkeiten haben, derartige Interessen bei der Anwendung von Rechtsfragen hintanzustellen. Das betrifft offensichtlich auch Richter des Bundesverfassungsgerichts, die in vielen anderen Fragen Standvermögen und einen freien, kritischen Geist bewiesen haben. Trotz der gravierenden Kritik an einer allzu kirchenfreundlichen Judikatur insbesondere auch des BVerfG, die auch etliche christliche Juristen kritisieren, stehe ich zu folgender Behauptung: Das BVerfG ist dennoch, abgesehen vom Bundespräsidenten, die integerste öffentliche Institution im Gefüge der politischen Ordnung der Bundesrepublik. Ohne sie stünde es viel schlechter um die Freiheitlichkeit unseres Staats. Aber unehrliche Rechtsprechung zu Lasten bestimmter r-w Richtungen, seien es die Nichtreligiösen, seien es die sogenannten Sekten oder der Islam, sollte man dennoch nicht als – falsch verstandene – Staatsräson durchgehen lassen.

Literaturauswahl

(In den Arbeiten dieser kleinen Auswahl finden sich auch viele Hinweise in Auseinandersetzung mit konträren Argumenten.)

Czermak, Gerhard:

  • Öffentliche Schule, Religion und Weltanschauung in Geschichte und Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland. Eine Rückschau unter dem Aspekt der individuellen Religionsfreiheit und Neutralität. In: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag. Berlin 2003 (Hrsg. von Stefan Muckel)  S. 79-109
  • Religionsverfassungsrecht im Wandel. Überlegungen anlässlich eines neuen staatskirchenrechtlichen Lehrbuchs.  -  NVwZ 2000, 896-898
  • Rechtsnatur und Legitimation der Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften  -  Der Staat 2000, 69-85
  • Das System der Religionsverfassung des Grundgesetzes  -  KritJ 2000, 229-247
  • Das Religionsverfassungsrecht im Spiegel der Tatsachen. Kritische Hinweise zum Verhältnis von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit. – ZRP 2001, 565-570
  • Der Kruzifix-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, seine Ursachen und seine Bedeutung, NJW 1995, 3348-3353

Ellwein, Thomas: Klerikalismus in der deutschen Politik, 1. und 2. A. München 1955

Gauly, Thomas:  Katholiken. Machtanspruch und Machtverlust. Bonn 1991, 474 S.

(grundlegend, umfangreiche Quellenauswertung; auch z.B. zum Thema: "Konfessionalismus und Klerikalismus in der deutschen Politik: Die Ära Adenauer" 127-178, zu den Kirchenthesen der FDP [1973-74], 271-277)

Hoerster, Norbert: Abtreibung im säkularen Staat, 2. A. 1995

Huster, Stefan: Staatliche Neutralität und schulische Erziehung, in: Neue Sammlung 41 (2001), 399 (408 ff. zur politisch-rechtlichen liberalen Staatstheorie)

Kleine, Markus: Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz. Ein Beitrag zur juristischen Methodik im Staatskirchenrecht. Baden-Baden 1993, 246 S.

Rawls, John: Die Idee des politischen Liberalismus, Frankfurt a. M. 1992

Renck, Ludwig: Die unvollkommene Parität, DÖV 2002, 56-67

Merkel, Reinhard: Rechte für Embryonen? In: C. Geyer (Hg.), Biopolitik. Die Positionen, Frankfurt a. M. 2001 (es 2261), 51-64

Neumann, Johannes: Neuere Aspekte in religionsrechtlichen Streitfragen, AuK 2001, H.1, S. 32-54

Neumann, Johannes: Die Gefährdung der Freiheit der kleineren religiösen und weltanschaulichen Gruppen in Deutschland? AuK 1999, H. 1, 78-98

Simon, Helmut: Katholisierung des Rechtes? Zum Einfluß katholischen Rechtsdenkens                auf die gegenwärtige Gesetzgebung und Rechtsprechung. Göttingen 1962, 53 S.  Bensheimer Hefte 16, Hg. Evangelischer Bund.

Wasmuth, Johannes: Verfassungsrechtliche Grenzen der institutionellen Kooperation von Staat und Religionsgesellschaften, in: Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart. FS für Winfried Brohm zum 70. Geb., München 2002, 607-629

Weinkauff, Hermann: Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, NJW 1960, 1689-1696

Wieland, Joachim: Die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen als Arbeitgeber, Der Betrieb 1987, 1633-1638

 


[1] Friedrich v. Zezschwitz JZ 1971, 11/11

[2] Bernd Rüthers, Ideologie und Recht im Systemwechsel. Ein Beitrag zur Ideologieanfälligkeit geistiger Berufe. München 1992, 155 (kleinformatige) Seiten, S. 100

[3] Goethe, Zahme Xenien 2

[4] Karl Erlinghagen SJ, Die Schule in der pluralistischen Gesellschaft, Freiburg i. B. u.a. 1964, S. 5.

[5] Ludwig Renck, Kritische Justiz 1995, 124; ähnlich in vielen Arbeiten.

[6] a .a. O. S. 67

[7] hierzu kompakt G. Czermak, NVwZ 1999, 743 f.

[8] zum dynamischen Charakter des Rechtsgebiets G. Czermak, Staat und Weltanschauung, 1993, 336 f.

[9] M. Heckel, DVBl 1996, 453 (455)

[10] Art. 3 III, 4 I, 33 III GG; Art. 137 VII WRV i. V. m. Art. 140 GG

[11] Th. Gauly, a.a.O. 1991; Th. Ellwein a.a.O. 1955

[12] H. Simon 1962 mit umfangreichen Rechtsprechungs-Nachweisen

[13] BGHSt 6, 46 (53), B. v. 17.2.1954

[14] Das "Sittengesetz" wird heute auch von betont konservativen Verfassungsrechtlern als unbrauchbar ignoriert.

[15] BGHSt 6, 147 ff.

[16] H. Weinkauff, NJW 1960, 1689; s. auch H.-U. Evers, JZ 1961, 241 ff. und F. Wieacker, JZ 1961, 337 ff.

[17] BVerfGE 6, 309 = Teilabdruck NJW 1957, 705 f.; U. v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55

[18] Bei der von einem Teil der staats- und völkerrechtlichen Gutachter abgelehnten These des staatsrechtlichen Fortbestandes des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 handelte es sich m. E. nicht um staatsrechtliche Stringenz, sondern um staatliche Interessenpolitik im antikommunistischen Kampf und die Befestigung einer Lebenslüge der Bundesrepublik.

[19] Maunz, Theodor, Rechtsgutachten, in: F. Giese / F. A. v.d. Heydte (Hg.), Der Konkordatsprozeß, Bd.2 (1958), 776, 788 f.

[20] BVerfGE 6, 309, 339 f.

[21] BGHZ 34, 372/373 f.

[22] BGHZ 22, 387 f.

[23] H.H. Rupp, in: Anstöße. Berichte aus der Arbeit der evangel. Akademie Hofgeismar H. 1/2 (1969), 9/10

[24] S. Grundmann, ÖAKR 1962, 281 ff.

[25] s. im Einzelnen G. Czermak, Der Staat 2000, 69 ff.

[26] s. näher zu dieser Phase des Umbruchs G. Czermak, Staat und Weltanschauung 1993, 249 (286 ff.)

[27] hierzu G. Czermak, NVwZ 2000, 896

[28] BVerfGE 19, 206 = NJW 1966, 147, U. v. 14.12.1965 – 1 BvR 413,416/60 (Bad. Kirchenbausteuer)

[29] wie hier eingehend Wasmuth 2002; vgl. demgegenüber die spitzfindige Einschränkung des Trennungsgrundsatzes bei Anke/ Zacharias, DÖV 2003, 140

[30] BVerfGE 44, 103 = NJW 1977, 1282 (Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde)

[31] BFHE 159,82 = BStBl II 1990, 993

[32] BVerfGE 49, 375 = NJW 1979, 209, B. v. 23.10.1978 (Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde)

[33] wie hier Korioth in: Maunz/ Dürig, GG, Randn. 92 zu Art. 136 WRV/ 140 GG (2003) und eingehend J. Wasmuth/ G. Schiller, Verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beim Kirchenlohnsteuereinzug, NVwZ 2001, 852-859

[34] BVerfGE 39, 1 = NJW 1975, 573

[35] s. zur Entstehungsgeschichte des Art. 2 II 1 GG Roman Herzog, JR 1969, 442

[36] J. Esser, JZ 1975, 555

[37] W. Rupp-v. Brünneck, BVerfGE 39, 1 (Sondervotum B I. 1); vgl. kirchenhistorisch zur Problematik der Lehre von der Sukzessivbeseeleung nach 40 (männl.) bzw. 80 (weibl.) Tagen bzw. Simultanbeseelung (Beseelung schon mit Empfängnis: erst seit Ende des 19. Jh.) näher G. Jerouschek, JZ 1989, 279/ 283 f.

[38] s. hierzu näher N. Hoerster, JuS 1991, 190 ff.

[39] S. Huster, Neue Sammlung 41 (2001), 399 (408 ff.)

[40] BVerfGE 88, 203 = NJW 1993, 1751 (2. U. zum Schwangerschaftsabbruch)

[41] N. Hoerster, JuS 1995, 192-197

[42] BVerfGE 24,236 = NJW 1969, 31 (Lumpensammler)

[43] trotz fehlender Anhaltspunkte für eine Ausweitung in den Beratungen des Parlamentarischen Rats

[44] BVerfGE 70, 138 = = NJW 1986, 367 (Loyalitätspflicht)

[45] vgl. etwa J. Wieland, DB 1987, 1633; G. Struck, NZA 1991, 249

[46] BayVerfGH 20, 36 (1967) = BayVBl 1967, 201

[47] BayVerfGH 20, 125, 133 f. = BayVBl 1967, 312 und 20, 159, 165 = BayVBl 1967, 423.

[48] BVerfGE 41, 65 = NJW 1976, 950 (christl. Gemeinschaftsschule Bayern); Parallelentscheidung hierzu: BVerfGE 41, 29 = NJW 1976, 947 (Baden-Württemberg). Bevollmächtigter der Beschwerdeführer war in beiden Fällen RA Erwin Fischer.

[49] umfangreiche Details bei G. Czermak, KritJ 1992, 45-63; s. auch L. Renck, NVwZ 1991, 116-120

[50] G. Czermak, ZRP 2001, 565-570; L. Renck, DÖV 2002, 56-67

[51] BVerfGE 35, 366 = NJW 1973, 2196 (Kreuz im Gerichtssaal)

[52] Zum Verbot einseitiger politischer oder religiöser Beeinflussung gibt es seit langem Entscheidungen von BVerwG, BVerfG und Obergerichten (betr. Bhagwan-Kleidung, Schulbücher, Anti-Atomkraft-Plakette). Das Verbot entspricht einer so gut wie allgemeinen Rechtsauffassung.

[53] s. Fn 49

[54] BVerfGE 93, 1 = NJW 1995, 2477 (Kruzifix-Beschluss); dazu G. Czermak, NJW 1995, 3348-3353

[55] schwer zu übertreffen in dieser Richtung: M.-E. Geis, RdJB 1995, 373-386

[56] s. hierzu aber die Hinweise und Widerlegung bei G. Czermak, in: Brugger, W./ Huster, S. (Hrsg.): Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, 13-40

[57] M. Stolleis, KritV 2000, 376 ff.

[58] BVerwGE 109, 40 = NJW 1999, 3063, wenn auch unter deutlicher Korrektur des bayerischen Kruzifix-Gesetzes vom Dezember 1995 und der fast kirchenhörig anmutenden einschlägigen Entscheidung des BayVerfGH, NJW 1997, 3157; vgl. zu letzterer G. Czermak, DÖV 1998, 107 ff. und ders., KritJ 1997, 490 ff. sowie L. Renck, NJW 1999, 994 ff., der sich fragt, ob überhaupt eine Begründung im gesetzlichen Sinn vorliegt. Der BayVerfGH lässt beim Neutralitätsgebot Differenzierungen nach Tradition, Kulturhoheit, Größe der Religionsgemeinschaft u. a. zu.

[59] zu VG Freiburg, NVwZ 1996, 507 eingehend G. Czermak, NVwZ 1996, 450 ff.

[60] BVerwGE 107, 75 = NVwZ 1999, 769; krit. G. Czermak, DÖV 1999, 725 ff., L. Renck, NVwZ 1999, 713 ff.; krit. zum EU auch Jeand’Heur/ Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 215 ff.

[61] Hierzu knapp G. Czermak, DÖV 1999, 725 (726; 729 f.) und eingehender ders. in MIZ 1999, H. 2, 15-17 ("Juristische Abgründe"); die anscheinend unveröffentlichten Entscheidungen liegen dem Verf. im vollen Wortlaut vor. [nachträgl. Ergänzung: Vorlagebeschluss VG Hannover vom 20.08.1997: NVwZ 1998, 316; BVerfG B. v. 17.02.1999: NVwZ 1999, 756]

[62] D. Heckmann, JuS 1999, 228 (233)

[63] BT-Prot. 13. Wahlperiode, 96. Sitzung, 15.3.1996, S. 8539-8565

[64] BVerfGE 104, 305 = NVwZ 2002, 980

[65] Das würde auch deswegen bzw. insofern Sinn machen, als das (freilich weltanschaulich neutrale) Fach LER nicht alle Schularten und Jahrgangsstufen abdecken soll.