Kleidung

I. Öffentliche Einrichtungen als Problemorte

Es geht hier nur um religiöse Kleidung (Ordensgewand) oder Kleidungsbestandteile (Islamisches Kopftuch, Schmuckkreuz) in öffentlichen Einrichtungen, besonders Schulen. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik (alt) gab es viele öffentliche Schulen, in denen Geistliche und Ordensgeistliche mit entsprechendem Habit problemlos unterrichteten. Zum einen waren hauptsächlich Volksschulen betroffen, die ohnehin überwiegend Konfessionsschulen waren (die es aber in NRW und Teilen von Niedersachsen heute noch häufig gibt), zum anderen wäre es in der damaligen Zeit niemand in den Sinn gekommen, das Tragen eines Ordensgewandes auch im allgemeinen Unterricht zu beanstanden. Bezeichnenderweise betraf das erste bekannt gewordene Verbot, religiöse Kleidung im Unterricht zu tragen, einen Anhänger der Bhagwan-Bewegung (Sannyasin; später: Osho-Bewegung).

II. Bhagwan-Lehrer

Die Bezirksregierung von Oberbayern untersagte 1985 einem Hauptschullehrer das Tragen der Mala, einer Holzkette mit Bild des Bhagwan Shree Rajneesh, sowie einer Kleidung in bhagwan-typischen Rottönen mit Sofortvollzug. Der BayVGH ging dazu 1985 davon aus, dass sich die Kleidung an sich von üblicher Straßenkleidung nicht unterschied, hielt die behördliche Verbotsentscheidung aber für rechtens mit folgender Begründung: Für Lehrer gelte in Fragen der Religion das Neutralitätsgebot, die Bhagwan-Kleidung des Lehrers stehe dazu aber im Widerspruch. Wörtlich: "Daraus kann sich eine religiöse Beeinflussung der Schüler ergeben. Der Lehrer erfüllt nämlich seine Erziehungsaufgabe gegenüber seinen Schülern dadurch, dass er als Vorbild wirkt. Wenn er in unübersehbarer Weise durch die Farben seiner Kleidung seinen Schülern, die dieser Beeinflussung nicht ausweichen können, ständig vor Augen führt, dass er bestimmten religiösen Überzeugungen folgt, so veranlasst er sie, sich mit diesen Ideen zu beschäftigen. Es liegt nahe, dass diese religiösen Vorstellungen aufgrund der den Schülern eigenen, von der Pädagogik genutzten Neigung zur Nachahmung ihrer Vorbilder unüberlegt aufgegriffen werden. Daraus ergibt sich, dass das Auftreten eines Lehrers im Unterricht in bhagwan-typischer Kleidung eine religiöse Werbung bewirkt." Entsprechend entschied 1984 das OVG Hamburg. Auch das BVerwG sah 1988 bei dieser Sichtweise kein klärungsbedürftiges Problem, stellte aber auf Einzelfallumstände ab. Diese seien jedoch geprüft worden.

III. Generelle Probleme

Die in dieser Rspr., die das kollidierende Grundrecht des Lehrers gering wertet, zum Ausdruck kommende strenge Auffassung von Neutralität, die ausschließlich auf Äußerlichkeiten abstellt und nicht auf die Gesamtumstände der Persönlichkeit und Unterrichtserteilung, erscheint zu wenig differenziert. Sie berücksichtigt nicht das Problem der Einübung von Toleranz und der pluralistischen Auseinandersetzung mit Minderheitsüberzeugungen, so dass unterschiedliche Beurteilungen denkbar sind. Vergleichbare Fragen werden heute sehr kontrovers und viel intensiver im Rahmen der Diskussion zum Islamischen Kopftuch diskutiert. An der zitierten Rspr. stört besonders, dass die wesentlich häufigeren Fälle von christlicher Ordenskleidung völlig unerwähnt bleiben, obwohl sie sich deutlich von normaler Kleidung abheben und trotzdem stets unbeanstandet blieben. Das Messen mit zweierlei Maß ist aber nicht ungewöhnlich im Religionsrecht (vgl. die Anmerkungen unter VI. im Artikel Religionsfreiheit). Wenigstens Unbehagen zeigte das VG Stuttgart, das mit Urteil vom 7. 7. 2006 ein Kopftuchverbot aufhob mit der Begründung, gegen christliche Ordenstracht werde auch nicht vorgegangen.

IV. Schmuckkreuze sowie unmittelbare Staatsgewalt

Als üblicher und zu tolerierender Kleidungsbestandteil werden bisher Schmuckkreuze betrachtet (anders als politische Abzeichen). Nicht akzeptabel wären demonstrativ wirkende Schmuckkreuze. Sie provozieren auch einen direkten Zusammenhang mit den Regelungen der Anti-Kopftuch-Gesetze einiger Bundesländer. Auch dabei geht es um die Frage, inwieweit Lehrer ihrer Eigenpersönlichkeit ungeachtet der amtlichen Neutralitätspflicht Ausdruck verleihen dürfen (s. Beamtenrecht). Dass etwa Polizeibeamte und Richter als Repräsentanten unmittelbarer Staatsgewalt an ihrer Amtskleidung keine religiösen Symbole tragen dürfen, weil das der dort geltenden strikten Amtspflicht distanzierender religiös-weltanschaulicher Neutralität widerspricht, war bisher selbstverständlich, ist aber doch neuerdings, nach dem 2. Kopftuchurteil des BVerfG von 2015, in Diskussion geraten.

>> Beamtenrecht; Kopftuch; Neutralität; Toleranz.

Literatur:

Siehe die wichtigen Ergänzungen im Artikel "Kopftuch".

  • BVerwG, NJW 1988,937, B. v. 8.3.1988 (Bhagwantypische Kleidung).
  • BayVGH, NVwZ 1986,405 f., B. vom 9.9.1985 (Bhagwantypische Kleidung).
  • OVG Hamburg, NVwZ 1986,406 f., B. v. 26.11.1984 (Bhagwantypische Kleidung).

  • Alberts, H. W.: Neue Religionen und Beamtenrecht – Sannyasin als Lehrer, NVwZ 1985,92-95.
  • Czermak, G.: Kopftuch, Neutralität und Ideologie, NVwZ 2004,943-946.
  • Röger, R.: Die Religionsfreiheit des Richters im Konflikt mit der staatl. Neutralitätspflicht, DRiZ 1995,471-479 (Symbol- und Bekleidungsproblematik).

© Gerhard Czermak / ifw (2017)