Ablösung der Staatsleistungen – Informationszugang zu den Unterlagen der Bund-Länder-Kirchen-Arbeitsgruppe

Sachverhalt

Mit E-Mail vom 14.12.2022 begehrt ifw-Beirat Johann-Albrecht Haupt vom Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (im Folgenden: BMI) zunächst Auskunft über die personelle Zusammensetzung der Arbeitsgruppe, "die sich mit dem Vorhaben der Bundesregierung ‚Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen‘ befassen soll, die nach verschiedenen Presseberichten seit August 2022 tätig ist und ihre Arbeit bis zum Ende des laufenden Jahres fertig stellen soll."

Mit E-Mail vom 19.12.2022 lehnt das BMI die Nennung von Mitgliedern der Arbeitsgruppe ab und teilt mit, dass die AG bis Anfang 2023 in monatlichen Sitzungen die zu bearbeitenden Themen behandeln und diskutieren würde. Auf dieser Grundlage solle dann ein Gesetzesentwurf erstellt und das reguläre Gesetzgebungsverfahren begonnen und spätestens bis zum Ende der Legislaturperiode abgeschlossen werden.

Haupt weist mit E-Mail vom 20.12.2022 auf die Informationspflicht des BMI nach dem Informationsfreiheitsgesetz hin und begehrt erneut die Auskunft.

Das BMI lehnt mit Schreiben vom 03.01.2023 die Nennung der Namen der Mitglieder unter Verweis auf § 5 Abs. 1 IFG ab, alle Gruppenteilnehmer hätten der Weitergabe ihrer Daten widersprochen. Ferner teilt das BMI mit, dass an den Arbeitsgruppensitzungen je nach Sitzung 37 bis 51 Personen teilgenommen hätten.

Auf eine weitere Auskunftsbitte im Februar 2023 zum Abschluss der Arbeitsgruppe teilt das BMI mit Schreiben vom 28.02.2023 mit, die letzte Sitzung habe im Januar 2023 stattgefunden. Auftrag der Arbeitsgruppe sei es nicht gewesen, ein konkretes Ergebnis zu erzielen, sondern alle mit der Ablösung von Staatsleistungen verbundenen Aspekte zu ermitteln und aufzuzeigen. Ein schriftlicher Abschlussbericht sei nicht erstellt worden.

Mit Widerspruch vom 27.03.2023 macht Haupt geltend, das Fehlen eines Abschlussberichts ändere nichts daran, dass Unterlagen über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe vorhanden seien. Wenn es schon keinen Abschlussbericht gebe, so werde es doch zumindest Informationen darüber geben, ob und wie die Arbeitsgruppe den Arbeitsauftrag erfüllt bzw. aus welchen Gründen sie ihn nicht erfüllt habe. Auf diese amtlichen Informationen richte sich sein Auskunftsanspruch.

Mit Widerspruchsbescheid des BMI vom 24.04.2023 weist es den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Schutz der behördlichen Beratungen stehe dem Informationszugang entgegen. Mit Beendigung der Arbeit der Arbeitsgruppe im Januar 2023 seien die notwendigen behördlichen Beratungen bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Die Beratungen der Arbeitsgruppe stellten einen Teilvorgang in einem Gesamtprozess dar.

Verfahrensstand

Am 26.05.2023 erhebt Haupt durch seine Prozessbevollmächtigte Jessica Hamed (stellv. Ifw-Direktorin) Klage beim Verwaltungsgericht Berlin gegen den Widerspruchsbescheid . In der Klage wird besonders herausgestellt, dass dem Begehren der geltend gemachte angebliche Ablehnungsgrund nicht entgegensteht, zum einen weil nicht nur Behördenvertreter*innen teilgenommen haben, sondern auch Vertreter*innen der Kirchen und Sachverständigen und zum anderen, weil die Beratungen offensichtlich abgeschlossen sind und nicht dargelegt wurde, wie künftige Beratungen beeinträchtigt werden würden. Außerdem wird unter Verweis auf die Rechtsprechung hervorgehoben, dass unabhängig davon, zwischen der Beratungsgrundlage bzw. dem Beratungsgegenstand, dem Beratungsergebnis und dem Beratungsverfahren zu unterscheiden ist. Die pauschale Ablehnung der Beklagten, die eine solche Unterscheidung nicht vornimmt, sei mithin ersichtlich fehlerhaft. Von § 3 Nr. 3 lit. b IFG sei ohnehin nur das Beratungsverfahren bzw. der Beratungsvorgang geschützt. Informationen werden nur insoweit erfasst, als sie den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, das heißt die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung abbilden, jedenfalls aber gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Der Kläger weist zudem darauf hin, dass nach der Rechtsprechung Tatsachengrundlagen und die Grundlage der Willensbildung ebenso wie das Beratungsergebnis nicht von § 3 Nr. 3 lit. b IFG geschützt seien, weil hieraus keine Rückschlüsse auf den Gang der Meinungsbildung gezogen werden können. Daher seien Beratungsgrundlagen wie Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen nicht erfasst.

Im Gerichtsverfahren ordnet die Beklagte dem Antrag des Klägers 29 Dokumente zu. Davon hat sie zu 16 Dokumenten und dem "Ergebnisprotokoll der 5. Sitzung" eine Herausgabe verweigert, vier "Ergebnisprotokolle" teilweise mit Schwärzungen und acht Dokumente vollständig herausgegeben. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit im Umfang des gewährten Informationszugangs in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Zu den übrigen Unterlagen begehrt der Kläger weiter Zugang.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und hält daran fest, dass die behördlichen Beratungen nicht abgeschlossen seien. Zunächst sei eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund, Ländern und Kirchen eingerichtet worden, um fachliche Fragen und Abstimmungsbedarfe zu klären. Anschließend sollen die Gespräche auf politischer Ebene fortgesetzt werden, um eine Einigung über zentrale Fragen zu erzielen. Die Arbeitsgruppe diene als Vorbereitung für den Gesamtprozess, dessen weitere Beratungen nun folgen. Weitere Beratungen seien geplant und sollten fortgesetzt werden.

Zudem führt sie an, dass eine Veröffentlichung der Unterlagen die freie Meinungsäußerung der Beteiligten beeinträchtigen und den Beratungsprozess stören könnte. Frühere Einschätzungen und Forderungen könnten fälschlicherweise als aktuelle Positionen von Bund, Ländern und Kirchen gewertet werden. Zudem könnte die öffentliche Berichterstattung, die bisher unausgewogen sei, den Prozess weiter belasten. Die Offenlegung von Sitzungsprotokollen berge das Risiko, interne Entscheidungsprozesse offenzulegen und die sensiblen Verhandlungen zu gefährden. Auch internationale Beziehungen zum Vatikan könnten darunter leiden. Es habe eine politische Vertraulichkeitszusage gegeben, wonach das BMI nicht über Inhalte der Arbeitsgruppe berichten sollte. Der Vertreter des Nuntius sei in beratender Funktion eingebunden gewesen.

Am 06.12.2024 findet die ca. 3-stündige mündliche Verhandlung in Berlin statt, in dem über verschiedene Rechtsfragen und tatsächlichen Fragen ausführlich diskutiert werden. Die Klägervertreterin Hamed betont, dass die Beratungen offensichtlich beendet sind, schließlich sei die Regierungskoalition aufgekündigt und zudem haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in ihrer Konferenz Ende Oktober unter Top 12 beschlossen, dass sie die im Bundestag angekündigte Grundsatzregelung des Bundes zur Ablösung von Staatsleistungen derzeit ablehnen.

Am 16.01.2025 wird dem Kläger das Urteil vom Verwaltungsgericht Berlin zugestellt. Er obsiegt vollumfänglich und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Einsicht durch Übersendung von Kopien in die begehrten Dokumente zu erteilen. In den Entscheidungsgründen heißt es u.a.:

"2. Die Beklagte kann sich zur Versagung des Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG berufen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.

Schutzgut ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Dem Schutz der Beratung unterfällt dabei nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher. Ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Beratungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Dem Schutz der Beratung unterfallen Interessenbewertungen und die Gewichtung einzelner Abwägungsfaktoren, deren Bekanntgabe Einfluss auf den behördlichen Entscheidungsprozess haben könnte. […] Die Darlegungslast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes liegt bei der informationspflichtigen Behörde. […]

Hieran gemessen hat die Beklagte bereits eine Beeinträchtigung des Schutzguts des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht nachvollziehbar dargetan. Hierfür kann dahinstehen, ob sich der Ausschlussgrund, wie der Kläger meint, von vorneherein nicht auf behördliche Beratungen unter Teilnahme von nichtstaatlichen Rechtssubjekten erstreckt (vgl. Schoch, IFG, 3. Aufl. 2024, § 3 Rn. 179). Die Beratungen der Arbeitsgruppe sind jedenfalls nicht solche des BMI und auch im Übrigen zumindest nicht durchweg Beratungen von Behörden. Vielmehr nahmen nach Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung in der vom BMI eingesetzten Arbeitsgruppe neben Behördenvertretern auch Vertreter der Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche Deutschland und der Landeskirchen, der Altkatholischen Kirche und des Nuntius teil. Damit sind etwaige Beratungen in der Arbeitsgruppe in der Regel keine Beratungen des BMI oder der anderen teilnehmenden Behörden, sondern der behördlichen Willensbildung vorgelagert. Nur falls bei dem Zusammentreffen in der Arbeitsgruppe die behördliche Willensbildung stattgefunden haben sollte, wären diese Beratungen womöglich von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG geschützt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – 10 C 1/21 – juris Rn. 28). Hierzu ist nichts dargelegt.

Die Beklagte behauptet nur pauschal, dass die Informationen den Beratungsprozess betreffen. Es fehlt eine Darlegung, ob, in welchem Umfang und an welcher Stelle die streitbefangenen Unterlagen den eigentlichen Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Dies liegt fern im Hinblick auf das von der Beklagten vorgelegte Inhaltsverzeichnis vom 12. Februar 2024. Die dort aufgeführten Bezeichnungen der Dokumente als ,Tagesordnung‘, ,Arbeits- und Zeitplan‘ bzw. ,Aktualisierter Arbeits- und Zeitplan‘ sowie gutachterliche Titel wie ,Verfassungsauftrag des Bundes: Aspekte der Ablösung‘ legen nahe, dass nur Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld der behördlichen Willensbildung streitbefangen sind. Dementsprechend spricht auch die Bezeichnung der Sitzungsprotokolle als ,Ergebnisprotokolle‘ gegen die Anwendung von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Soweit die Sitzungsprotokolle nur die Ergebnisse von Beratungen der Arbeitsgruppe zusammen-fassen, können sie nur Grundlage künftiger Beratungen sein (vgl. Urteile der Kammer vom 30. Juni 2022 – VG 2 K 155/21 – juris Rn. 19 und vom 25. November 2022 – VG 2 K 195/21 – juris Rn. 205).

Ungeachtet dessen fehlt es an einer nachvollziehbaren Prognose, dass die Offenlegung etwaiger Informationen über Beratungen nachteilige Auswirkungen auf den behördlichen Entscheidungsprozess erwarten lässt. Die streitbefangenen Dokumente betreffen abgeschlossene Beratungen. Die Arbeitsgruppe hat ihre ,letzte Sitzung‘ nach Angaben der Beklagten im Januar 2023 gehabt. Die daran anschließenden Gespräche auf politischer Ebene unter Einbeziehung der Länder und Kirchen sind eigenständige Beratungsvorgänge. Gegen die Annahme eines übergreifenden Gesamtberatungsprozesses spricht gerade die Darlegung der Beklagten, Aufgabe der Arbeitsgruppe sei es gewesen, ohne ein konkretes Ergebnis zunächst alle mit der Ablösung von Staatsleistungen verbundenen Aspekte zu ermitteln und aufzuzeigen. Damit ist mit dem Ende der Arbeitsgruppe eine Zäsur eingetreten. Die im zweiten Schritt erfolgten Beratungen auf politischer Ebene fanden in anderen Foren, mit teil-weise anderen Teilnehmern und mit der abweichenden Zielsetzung einer konkreten Einigung statt. Für eine wesentlich geänderte Lage spricht zudem der unwidersprochen gebliebene Hinweis der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf das Ende der Regierungskoalition und auf Top 12 ,Ablösung von Staatsleistung an die Kirchen‘ der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 23. bis 25. Oktober 2024 in Leipzig, in dem die Ablehnung der Länder der angekündigten Grundsatzregelung des Bundes zum Ausdruck komme. Jedenfalls ist selbst unter Annahme eines Gesamtberatungsprozesses kein konkreter Bezug der streitbefangenen Dokumente zu heute noch andauernden Beratungen dargetan. Der Verweis auf das übergreifende Thema genügt hierfür nicht.

Der Abschluss der behördlichen Beratungen bildet im Rahmen von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG zwar keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Mit der Formulierung ,solange‘ macht das Gesetz aber deutlich, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer dieses Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit nach den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Sachbereichs weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Im Wege einer Prognose ist zu ermitteln, ob das (nachträgliche) Bekanntwerden der Information (zukünftig) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer ernsthaften und konkreten Gefährdung des behördlichen Beratungsprozesses führt (BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 – 7 C 19.15 – juris Rn. 10). Hier hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Offenlegung der begehrten Informationen trotz des Abschlusses der Arbeitsgruppe nachteilige Auswirkungen auf den behördlichen Beratungsprozess haben kann. Auch insoweit lässt der Vortrag der Beklagten einen konkreten Bezug zu in den Dokumenten abgebildeten Themen oder Entscheidungsfindungsprozessen vermissen. Ihr Verweis auf Art. 18 Abs. 1 des Reichskonkordats von 20. Juli 1933, wonach sie ein freundschaftliches Einvernehmen mit den betroffenen Kirchen und Religionsgemeinschaften herstellen müsse, lässt nicht erkennen, inwiefern der begehrte Informationszugang dem entgegensteht. Auch der Vortrag, den Verhandlungsteilnehmern würden ggf. überholte Positionen zugeordnet und aus der möglichen öffentlichen Berichterstattung könne sich ein erhebliches Störpotential für die Beteiligten und die weiteren Verhandlungen entwickeln, ist eine allgemeine Befürchtung. Es fehlt jeglicher inhaltliche Bezug zu den konkreten aus Sicht der Beklagten zu schützenden Informationen. Die Annahme, die Beteiligten würden sich bei einer Offenlegung Zurückhaltungen auferlegen, insbesondere bei einer namentlichen Zuordnung, übergeht den weitgehenden Verzicht des Klägers auf personenbezogene Daten. Eine einengende Vorwirkung auf künftige Beratungsprozesse erschließt sich ohne nähere Darlegungen zu konkreten Informationen aber auch deswegen nicht, weil das Thema der Arbeitsgruppe nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ohnehin Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen war und ist. Es hätte der Beklagten oblegen nachvollziehbar zu erläutern, warum gerade der begehrte Informationszugang dies zum Nachteil behördlicher Beratungen änderte.

3. Der Ausschlussgrund gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG steht dem Informationszugang ebenfalls nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Aus-wirkungen haben kann auf internationale Beziehungen. Der Begriff ,internationale Beziehungen‘ erfasst die Beziehungen zu den herkömmlichen Völkerrechtssubjekten (Schoch, IFG, 3. Aufl. 2024, § 3 Rn. 29 m.w.N.) und damit auch die von der Beklagten angeführten Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Der mögliche Eintritt von Nachteilen für die internationalen Beziehungen kann nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungs-gerichtlich überprüfbar ist. Ob und wie sich das Bekanntwerden von Informationen auf die außenpolitischen Ziele auswirkt, hängt von auf die Zukunft bezogenen Beurteilungen ab, die notwendig mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden sind. Das Gericht kann insoweit nur nachprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet hat und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen hat (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22/08 – juris Rn. 20). Die Beklagte hat die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen in diesem Sinne nicht hinreichend dargelegt.

Mit dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine Offenlegung der begehrten Informationen die Beziehungen zum Heiligen Stuhl bzw. Vatikan schädige, wird nur eine abstrakte Gefahr behauptet, jedoch keine Prognose begründet. Der Verweis auf eine politische Vertraulichkeitszusage, nach der das BMI nicht über die Inhalte der Arbeitsgruppe berichte, etwa in einer Pressemitteilung, legt ebenfalls nicht schlüssig dar, warum der Informationszugang den internationalen Beziehungen zum Heiligen Stuhl abträglich sein könnte. Von vorneherein ist nicht nachvollziehbar, wie eine solche Vertraulichkeitszusage Dokumente vor der 4. Sitzung am 15. Dezember 2022 erfassen könnte. Denn ausweislich des offengelegten Schreibens des BMI vom 1. Dezember 2022 an den Nuntius hat die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt den Wunsch des Nuntius, den ,Fortgang der derzeitigen Beratungen der Arbeitsgruppe […] durch Einbeziehung eines Vertreters der Apostolischen Nuntiatur konstruktiv zu begleiten‘, aufgegriffen und Gelegenheit gegeben, einen Vertreter des Nuntius für das Treffen am 15. Dezember 2022 zu benennen. Aber auch im Übrigen bedürfte es näherer Begründung, warum eine Herausgabe von Dokumenten der Arbeitsgruppe hier vom Heiligen Stuhl als Bruch der politischen Vertraulichkeitszusage verstanden werden sollte. An der von der Beklagten reklamierten Rolle als neutrale Dritte änderte sich durch eine Herausgabe nichts. Sie gewährte für den Heiligen Stuhl erkennbar auf einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz infolge einer gesetzlichen Verpflichtung und mit großem Zeitabstand Informationszugang, berichtete jedoch nicht aus eigener Initiative und aktuell über Inhalte einer tagenden Arbeitsgruppe. Überdies sieht sich der Vortrag zu einer Vertraulichkeitszusage dem Widerspruch ausgesetzt, dass die Beklagte sich nicht gehindert sah, ohne ersichtliche Rücksprache mit dem Heiligen Stuhl acht Dokumente der Arbeitsgruppe herauszugeben.

Die Annahme diplomatischer Sensibilitäten liegt hier ohne nähere Darlegungen auch deshalb fern, weil die bloße Teilnahme eines Vertreters des Nuntius die Arbeitsgruppe noch nicht zum Ort eines diplomatischen Austauschs macht. Die Arbeitsgruppe führte keine internationalen Verhandlungen zwischen bevollmächtigten Repräsentanten von Staaten oder sonstigen Völkerrechtssubjekten durch. Vielmehr ging es nach Angaben der Beklagten darum, im Hinblick auf ein deutsches Gesetzgebungsvorhaben und ohne konkretes Verhandlungsmandat der Teilnehmer zunächst fachliche Fragen zu erörtern und die für die Entscheidungsfindung relevanten Aspekte und Abstimmungsnotwendigkeiten herauszuarbeiten. Für alle Teilnehmer einschließlich des Vertreters des Nuntius lag bereits angesichts der spezifischen Aufgabe der Arbeitsgruppe auf der Hand, dass ihre Beratungen Gegenstand – erwartbar kontroverser – Gespräche auf politischer Ebene werden sollten. Die Tatsache an sich, dass ein Vertreter des Nuntius an der Arbeitsgruppe teilgenommen und sich dort auch geäußert hat, ist jedenfalls aufgrund des offengelegten Schreibens und des Beklagtenvortrags in der mündlichen Verhandlung ohnehin bekannt. Im Übrigen fehlt eine konkrete Darlegung, welche Inhalte der Dokumente ursächlich für welche Beeinträchtigungen der internationalen Beziehungen zum Heiligen Stuhl sein könnten."

Das Urteil ist rechtskräftig und das BMI hat dem Kläger die Unterlagen mit Schreiben vom 06.03.2025 zur Verfügung gestellt. Die Unterlagen können hier eingesehen werden. Derzeit werden die Dokumente ausgewertet. Die Analyse wird danach veröffentlicht.

Rechtspolitische Situation

Die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen ist ein uneingelöster Verfassungsauftrag seit nunmehr 105 Jahren.

Im ifw beschäftigen sich gleich mehrere Beiräte mit der Thematik. Auch der Kläger Johann-Albrecht Haupt mahnt immer wieder die Ablösung der Staatsleistungen an. Zuletzt in seinem Beitrag "Fehler in der Debatte über die Ablösung der Staatsleistungen" im September 2024. Dort konstatiert er u.a.:

"Ferner: Die Diskussionsbeiträge der Kirchen und der Politik gehen darüber hinweg, dass durch die über 100-jährige Missachtung des Verfassungsgebots zur Ablösung bereits große Summen an die Kirchen geflossen sind. Allein seit 1949 in der Bundesrepublik 21,4 Milliarden Euro, in Niedersachsen 1,92 Milliarden Euro. Je länger man die Verfassung ignoriert, desto höher würde dieser ,Logik‘ nach die Ablöseentschädigung. Der weitere Verzicht auf die Ablösung würde hingegen stetig anwachsend weitere Milliarden kosten.

Das ist auch unter dem Gesichtspunkt des Bedarfs der Kirchen bei schwindenden Mitgliedszahlen eine absurde Situation: Womit sonst als mit der Befriedigung des Bedarfs waren und sind die laufenden Staatsleistungen überhaupt zu rechtfertigen? Wird die dramatische Abnahme der Kirchenmitglieder überhaupt berücksichtigt? Staatsleistungen irgendwann für eine Kirche ohne Mitglieder? Abgesehen davon: ein Verfassungsauftrag steht nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt."

Im Januar 2023 – kurz nach der Anfrage von Haupt an das BMI – kritisiert das "Bündnis altrechtliche Staatsleistungen abschaffen"  die "geheimen Beratungen" zwischen Bund, Ländern und Kirchen  unter Ausschluss nichtkirchlicher Vertreter*innen scharf und veröffentlicht eine Pressemitteilung, in der der Sprecher des Bündnisses, Friedrich Coradill, wie folgt zitiert wird:

"Leider scheinen die politischen Verantwortlichen kein Interesse an einem offenen Austausch zu haben. Während der Verfassungsauftrag Jahrzehnte lang ignoriert wurde, kann es plötzlich in Geheimverhandlungen mit den Kirchen nicht schnell genug gehen."

Deutlich Worte zum offenkundigen Scheitern der Verhandlungen im April 2023 findet ifw-Beirat Bodo Pieroth seinerzeit im breit rezipierten Interview mit der WELT. Er hält die diskutierten Ablösesummen "nicht nur für viel zu großzügig gegenüber den Kirchen, sondern für geradezu verfassungswidrig."

Hintergrund des Scheiterns der Arbeitsgruppe scheinen dabei gerade die sehr hohen im Raum stehenden Ablösesummen zu sein.

Friedrich Coradill erläutert bereits im Januar 2023 in dem Zusammenhang: "Das Nichts-Tun bzw. die Nicht-Ablösung hat die deutschen Länder seit 1949 bis jetzt 21 Milliarden Euro gekostet und die zu erwartende Ablösung könnte nach Schätzungen zusätzliche 11 Milliarden Euro kosten. Wenn die Ablösezeiträume wieder 5 + 20 Jahre sein sollen, kommen im Worst-Case weitere 21 Milliarden Euro an Weiterzahlungen dazu, also fast das Doppelte der Ablösung! Und das alles hinter verschlossenen Türen. Dagegen war das Maut-Desaster Scheuers geradezu eine Petitesse."

Ifw-Beirat Rolf Schwanitz erteilt der diskutierten Milliardenablöse Anfang 2023 in seinem lesenswerten ifw-Aufsatz eine klare Absage: "Es ist deshalb weder vermittelbar noch gerechtfertigt, diesem milliardenschweren einhundertjährigen Geldregen weitere Entschädigungszahlungen folgen zu lassen. Alle vorstellbaren Ausgleichsansprüche sind dadurch bereits abgegolten. Alles andere wäre einfach unverhältnismäßig. Deshalb sollte bei der Bemessung der Ausgleichszahlungen die Anrechnung der Staatsleistungen seit 1919 zwingend in das Grundsätzegesetz aufgenommen wer- den. Die fiskalischen Belastungen der öffentlichen Hände dürften in diesem Bereich deshalb nahezu bei null liegen."

Kritisch kommentiert im April 2023 ferner der Kläger gegenüber dem Deutschlandfunk das Scheitern der Verhandlungen: "Es sieht derzeit danach aus, als wollten die Länder überhaupt nicht mehr mitmachen. Das könnte der Vorwand für den Bund sein, ganz auszusteigen. Dann braucht auch er sich nicht weiter mit den Kirchen anzulegen. Und die Kirchen können damit rechnen, dass sie bis zum Ende aller Tage in wachsendem Maße staatliche Gelder bekommen: In 25 Jahren etwa wären wir bei 1 Milliarde Euro pro Jahr, bei einer angenommenen jährlichen Steigerung von 2 Prozent. Ob die Länder nicht merken, dass sie sich mit der Weiterzahlung ständig selbst ins Knie schießen?"

In der mündlichen Verhandlung im Dezember 2024 wird seitens des BMI u.a. geäußert, dass die Ablösung der Staatsleistungen eigentlich in jedem Koalitionsvertrag stehen müsste, da es ein Verfassungsauftrag sei und sich jede Regierung damit auseinandersetzen müsste. Dem ist in der Tat zuzustimmen. Müsste.