gbs-Vorschlag für Art. 20 Grundgesetz: „Deutschland ist ein demokratischer, sozialer und weltanschaulich neutraler Bundesstaat.“

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) schlägt vor, dass in Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes  nicht nur die Prinzipien der Demokratie, des Sozialstaatsprinzips und des Föderalismus Erwähnung finden, sondern auch das Prinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates.

Statt: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat" soll der Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes zukünftig nach dem gbs-Vorschlag heißen: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer, sozialer und weltanschaulich neutraler Bundesstaat".

"Nur ein Staat, der niemanden aufgrund seiner religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung privilegiert oder diskriminiert, kann die Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger und somit die Einhaltung der Menschenrechte garantieren", erläutert Michael Schmidt-Salomon vom gbs-Vorstand und ifw-Direktorium.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in den 1960er Jahren darauf hingewiesen, dass der Staat nur dann eine "Heimstatt aller Bürger" sein kann, wenn er das Gebot der weltanschaulichen Neutralität beachtet. Dementsprechend definiert das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) das Gebot der weltanschaulichen Neutralität als wesentlichen Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes, das die gesamte öffentliche Gewalt in Bund und Ländern betrifft und das unabhängig von persönlichen Grundrechten gilt. Die religiös-weltanschauliche Neutralität ist jedoch bislang kein Begriff des Verfassungstextes, kann gleichwohl mit dem Bundesverfassungsgericht normativ abgeleitet werden aus den Art. 3 III, 4 I, 33 III GG und Art. 136 I, IV WRV sowie Art. 137 I und VII WRV i.V.m. Art. 140 GG. Das Neutralitätsgebot hat demnach eine solide normative Grundlage, ohne bislang explizit im Grundgesetz verankert worden zu sein. "Kein anderes Fundamentalgebot des GG wird in der Rechts- und Staatspraxis so stark missachtet (s. Privilegien der Kirchen)." (ifw-Lexikon, Eintrag "Neutralität")

Michael Schmidt-Salomon: "Deutschland hatte 1949 das Glück, wesentliche Teile der 1948 verabschiedeten UN-Menschenrechtserklärungin seine Verfassung aufnehmen zu können. Das deutsche Grundgesetz war daher nicht bloß seiner Zeit voraus, es ist selbst unserer Zeit noch voraus! Tatsächlich hinkt das Staatsverständnis nicht weniger Vertreterinnen und Vertreter der Politik, der Justiz und der Medien der Verfassung noch immer hoffnungslos hinterher, vor allem im Hinblick auf die Durchsetzung der Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer Religion oder Weltanschauung."

"Bedauerlicherweise aber wird dieses Neutralitätsgebot im Verfassungstext bislang nicht explizit erwähnt, was zur Folge hat, dass es trotz seiner fundamentalen Bedeutung für den Rechtsstaat oft übersehen wird."

"Eine solche Erweiterung des Wortlauts von Artikel 20 würde nichts an der inhaltlichen Ausrichtung des Grundgesetzes ändern, aber sie könnte vielleicht verhindern, dass Politikerinnen und Politiker weiterhin Gesetze beschließen, die durch die Privilegierung religiöser Glaubensvorstellungen gegen das Neutralitätsgebot verstoßen", sagt Schmidt-Salomon, der in diesem Zusammenhang u.a. auf die deutsche Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch (§§ 218-219a StGB) sowie zur Sterbehilfe (§217 StGB) hinweist.

Hierzu auch Johann-Albrecht Haupt: "Die Privilegien der Kirchen. Gesetze und Verfassungen - Eine Dokumentation" mit einer tabellarischen Übersicht der Kirchenprivilegien, S. 321-345, in Helmut Ortner (Hg.) EXIT: Warum wir weniger Religion brauchen - Eine Abrechnung, 2019 (Link) und die Übersicht der Säkularen Buskampagne 2019 auf https://schlussmachen.jetzt/inhalte

Zur Mitteilung "Giordano-Bruno-Stiftung fordert Erweiterung von Artikel 20 des Grundgesetzes": https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/artikel-20-gg