„Ich bin Arzt und meine Hilfe ist keine Sünde“

In dem vom ifw unterstützten Rechtsstreit des Gynäkologen Prof. Dr. Joachim Volz findet am 8. August 2025 um 10.45 Uhr beim Arbeitsgericht Hamm (im Amtsgericht Lippstadt) die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Vertreten wird Joachim Volz durch ifw-Beirat Rechtsanwalt Dr. Till Müller-Heidelberg.

Inzwischen hat der renommierte Frauenarzt eine Petition gegen das katholische Abtreibungsverbot ins Leben gerufen: "Ich bin Arzt & meine Hilfe ist keine Sünde: Stoppt die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen!" Außerdem wird im Vorfeld des Gerichtstermins am 08.08.2025 eine Demonstration stattfinden. Sie beginnt um 9.30 Uhr am Klinikum Lippstadt, die Kundgebung findet um 10.00 Uhr vor dem Amtsgericht Lippstadt statt.

Hintergrund des Rechtsstreits ist das absolute Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen des "christlichen Krankenhaus" Lippstadt gegenüber Joachim Volz als Leiter der dortigen Frauenklinik. Seit 2012 hat Volz die Position inne. Zudem betreibt er eine gynäkologische Praxis mit angeschlossenem "Kinderwunsch-Zentrum" im 50 km entfernten Bielefeld. Dreizehn Jahre lang hat Volz Menschen geholfen, gesunde Kinder auf die Welt zu bringen. Als verantwortungsbewusster Arzt nahm er aber auch Schwangerschaftsabbrüche vor, wenn dies medizinisch erforderlich war, etwa aufgrund einer gravierenden genetischen Schädigung des Fötus oder schwerwiegenden Komplikationen während der Schwangerschaft, die auch die Gesundheit der Mutter massiv beeinträchtigt hätten. Das alles war möglich, solange das Lippstädter Krankenhaus eine (liberale) evangelische Trägerschaft hatte. Doch nach der Ende 2024 vollzogenen Fusion des evangelischen und des katholischen Krankenhauses der Stadt fand die Liberalität ein jähes Ende: Anfang 2025 wurde Volz angewiesen, ab Februar keine medizinisch erforderlichen Schwangerschaftsabbrüche mehr durchzuführen – weder im Lippstädter Krankenhaus noch in seiner Bielefelder Privatpraxis, da dies den besonderen Loyalitätspflichten des katholischen Arbeitsrechts widerspreche. Der Rechtsauffassung tritt Volz mit ifw-Unterstützung entgegen.

In der Petition stellt der Professor für Gynäkologie, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin, der auch von der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt wird, zwei Forderungen auf:

  • Schluss mit religiösen Vorschriften in öffentlichen Krankenhäusern. Kirchliche Dogmen haben dort nichts zu suchen

  • Schluss mit der Kriminalisierung von jeglicher Form des Schwangerschaftsabbruchs

Inhaltlich begründet er sie folgendermaßen:

"1. ⁠Mein Fall ist kein Einzelfall. 

Es gab bereits mehrere Fusionen mit ähnlichen Konsequenzen für die Gynäkolog:innen. Die Krankenhausreform könnte viele weitere solcher Fälle produzieren. Die ohnehin schon bestehende Lücke in der Gesundheitsversorgung von Schwangeren würde dadurch noch größer werden. Ich soll meine Patientinnen im Stich lassen und sie kilometerweit wegschicken, obwohl ich helfen könnte. Selbst bei schweren Fehlbildungen des Fötus, bei Schwangerschaften nach Vergewaltigungen oder mit immensen gesundheitlichen Risiken. Das ist in meinen Augen schlicht unterlassene Hilfeleistung, es ist falsch und widerspricht unseren Gesetzen.

2. Kirche und Medizin vertragen sich nicht.

In der Medizin sollte die Patientin – im Austausch mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt – das letzte Wort haben. Nicht ein katholischer Moralapparat, nicht eine Kirche, die sich über die Betroffenen hinwegsetzt. Aber auch das geltende Recht in Form des §218 StGB macht Abbrüche zu einer Frage von Erlaubnis und Moral, statt von medizinischer Fürsorge und Selbstbestimmung. Mit meiner Klage und dieser Petition will ich nicht gegen den Glauben rebellieren, sondern aufklären. Ich setze mich für die Rechte und die Würde meiner Patientinnen ein und plädiere für eine ehrliche, ideologie-freie Debatte, die schon lange überfällig ist.

3.⁠Das geltende Strafrecht (§ 218 StGB) passt nicht zur Realität. 

In § 218a StGB wird künstlich zwischen einer als "rechtmäßig" geltenden medizinischen Indikation und einer angeblich "rechtswidrigen", aber beratenen, selbstbestimmten Entscheidung der Frau unterschieden. In Wahrheit liegt beiden Fällen das legitime Recht einer jeden Frau zugrunde, nach ärztlicher Beratung zu entscheiden, ob sie sich eine Fortführung ihrer Schwangerschaft in ihrem höchstpersönlichen Kontext zumuten kann. 

In der Konsequenz heißt das: Wo persönliche Zumutbarkeit und individuelle Entscheidung ausschlaggebend sind, kann kein allgemeiner Straftatbestand gerechtfertigt werden. Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist somit nicht möglich."

Mit der Petition legt Volz den Finger in die Wunde und entlarvt insbesondere auch die (im Übrigen inkonsistente) geltende Rechtslage als Scheinkonstruktion. Die Forderung nach einer Entkriminalisierung wird zudem von einer sehr großen Mehrheit in Deutschland unterstützt. Nach der repräsentativen Befragung des Marktforschungsinstituts Ipsos im Dezember 2022 befürworten 83 % der Bevölkerung die geforderte Entkriminalisierung. Im Kontrast dazu steht das Zerrbild der öffentlichen Diskussion der letzten Tage zur Wahl dreier neuer Bundesverfassungsgerichtsrichterinnen- und richter wegen der von einer der Nominierten vertretenen liberalen Rechtsauffassung zum Schwangerschaftsabbruch. Hierbei wurde deutlich, dass die katholische Kirche maßgeblich versucht, die öffentliche Debatte zu dem Thema zu beeinflussen, wie die stellv. ifw-Direktorin Dr. Jessica Hamed jüngst herausgearbeitet hat. Unter anderem schreibt sie:

"Wie einflussreich die Kirche im – von Verfassungswegen – weltanschaulich-neutralen Deutschland ist, zeigt sich in der Causa Brosius-Gersdorf besonders eindrücklich. […]

Bereits vor der gescheiterten Wahl nahm die katholische Kirche erkennbar Einfluss auf die Union - und damit auf die Wahl. […] Dass die aktuellen katholischen Lehren jeglichen Schwangerschaftsabbruch verbieten – und damit ihrerseits evident gegen Verfassungsrecht, nämlich gegen die Rechte der Schwangeren, verstoßen – dürfte bekannt sein. Angesichts dessen, ist es bemerkenswert, dass es sogar noch nach der gescheiterten Wahl offenbar eine Nachricht darstellt, wenn ein Erzbischof mit dem Wahlvorschlag einer Partei für das Bundesverfassungsgericht nicht einverstanden ist, weil diese Person nicht katholische Dogmen vertritt."

Die letzte politische Debatte zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ist nur wenige Monate her, aber sowohl der Fall von Joachim Volz, der klar sagt:

"Im Konfliktfall entscheide ich mich für die Gesundheit der Frauen – und gegen die Dogmen der Kirche",

wie auch die mit der gesellschaftlichen Realität (und Mehrheit) kontrastierende verzerrende öffentliche Diskussion um die Nominierung der Potsdamer Staatsrechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zur neuen Verfassungsrichterin am Bundesverfassungsgericht zeugen von der Notwendigkeit der zeit- und rechtsgemäßen Neuregelung – und damit der Entkriminalisierung –  des Schwangerschaftsabbruchs.