Lobbyregister-Gesetz sollte auch für Kirchen und Islamverbände gelten

Am 8. September 2020 hat die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf (Drs. 19/22179) zur Einführung eines Lobbyregisters beim Deutschen Bundestag (Lobbyregistergesetz) vorgelegt. Von der Transparenzpflicht wird jedoch das Lobbying von Kirchen und Islamverbänden grundsätzlich ausgenommen. Was sollten nun die säkularen Organisationen tun? Hierzu eine rechtspolitische Bewertung von Rolf Schwanitz, Staatsminister im Kanzleramt a. D. und ifw-Beirat.

Was regelt der Gesetzentwurf und was nicht?

Am 8. September 2020 haben die Regierungsfraktionen aus CDU/CSU und SPD den seit Jahren erwarteten Gesetzentwurf (Drs. 19/22179) zur Einführung eines Lobbyregisters beim Deutschen Bundestag (Lobbyregistergesetz) vorgelegt. Der Auslöser, der den Weg zur Vorlage des Gesetzentwurfs freigemacht hatte, war offensichtlich der jüngste Lobbyskandal um den Fall des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor. Die erste Lesung fand am 11. September 2020 statt. Der Grundansatz des Gesetzentwurfs, nämlich jede Interessenvertretung gegenüber dem Parlament erkennbar und transparent zu machen, ist sehr zu begrüßen. Dabei entspricht es dem Wesen der Demokratie, nicht zwischen guten und schlechten, legitimen und illegitimen Interessen unterscheiden zu wollen. Entscheidend sind nicht die Einbringung und Vertretung der verschiedenen Interessen – das könnte und dürfte ohnehin nicht verhindert werden –, sondern allein die Transparenz des Verfahrens. Insoweit folgt der Gesetzentwurf glücklicherweise nicht einem populistischen Lobbyismus-Begriff, der jede Interessenvertretung von einer spezifischen Seite diskreditiert und ablehnt. Der Gesetzentwurf sieht die Interessenvertretungen hingegen zutreffend als legitimen Teil unserer Demokratie.

Grundsätzlich will der Gesetzentwurf in der Zukunft für Interessenvertreter eine Registrierungspflicht in einem Lobbyregister schaffen.[1]  Außerdem sind sie verpflichtet, sich einen Verhaltenskodex zu geben, in dem Grundsätze der integren Interessenvertretung definiert werden einschließlich eines öffentlich zugänglichen Rügeverfahrens bei Verletzung dieser Grundsätze.[2] Bei jedem Kontakt zur Interessenvertretung müssen Auftraggeber, soweit vorhanden, offengelegt werden und transparent sein.[3] Verletzungen der Registrierungspflicht im Lobbyregister werden als Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet.[4] Das klingt im ersten Ansatz zwar recht kompliziert, wird aber in Zukunft eine Art Mindeststandard für die organisierte Interessenvertretung auf der Bundesebene und mit der Zeit sicher auch Routine werden.

Problematisch am Gesetzentwurf der Regierungskoalition sind eher seine begrenzte Reichweite und die vielen, mitunter fatalen Ausnahmeregelungen. Zum einen soll das Gesetz nur für jene natürlichen und juristischen Personen gelten, die Interessenvertretung gegenüber dem Bundestag, seinen Mitgliedern, Fraktionen oder Gruppen betreiben.[5] Die regelmäßige, oder auf Dauer angelegte, oder für Dritte oder in einer bestimmten Häufigkeit wahrgenommene Vertretung der Interessen sind weitere Eingrenzungskriterien. Problematisch ist natürlich, dass damit die Lobbyarbeit gegenüber der Bundesregierung, gegenüber den Landtagen und den Landesregierungen völlig unberücksichtigt bleiben. Es wäre nur schwer erträglich, wenn künftig in Deutschland in 16 Bundesländern ein 16-fach geteiltes Lobbyisten-Recht entstünde, das mit ganz spezifischen Differenzierungen gerade das Gegenteil von Transparenz erzeugen würde. Erfreulicherweise hat sich die CDU/CSU-Fraktion nun aber offensichtlich abermals umorientiert und will dieses Lobbyregister zumindest auch auf die Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung erstrecken. Ein entsprechender Änderungsantrag ist in der ersten Lesung durch mehrere Koalitionsabgeordnete angekündigt worden.

Ausnahmetatbestände

Problematisch sind die zahlreichen Ausnahmetatbestände.[6] Natürlich sind gewisse Befreiungen von der Eintragungspflicht in ein Lobbyregister sinnvoll und notwendig. Das gilt zum Beispiel für persönliche Interessen von Bürgern, für Petitionssachen und für Gutachten und Anhörungen im Parlament – also für Kontakte zum Bundestag, bei denen die Bürger selbst ihr Interesse vertreten, oder die Interessenvertretung vom Parlament angefordert wird. Nicht nachvollziehbar erscheint demgegenüber die Aussetzung der Eintragungspflicht für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, die vollumfängliche Befreiung der Parteien und die Privilegierung von Kirchen und Religionsgemeinschaften.[7] Diese Privilegierungen meint die Koalition gewähren zu müssen, weil es sich dabei angeblich um die Ausübung von Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt handele.[8] Eine solche Argumentation kann nicht nachvollzogen werden. Weder wäre das Drängen von Unternehmerverbänden beim Gesetzgeber auf Aushöhlung des gesetzlichen Kündigungsschutzes durch die Koalitionsfreiheit des Artikel 9 Grundgesetz besonders privilegiert, noch ist das immer wiederkehrende Feilschen der Kirchenlobbyisten bei Einkommenssteuerreformen durch Artikel 4 Grundgesetz unter Schutz gestellt. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich nicht auf die politische Durchsetzung der wirtschaftlichen Organisationsinteressen dieser Akteure, egal wie gut oder schlecht man diese im Einzelfall finden mag. Deshalb sind diese privilegierenden Freistellungen von der Eintragungspflicht im Lobbyregister ein schlichter Fehlgriff. Ob es hier noch andere Motive der Koalitionäre gegeben hat, ist spekulativ aber naheliegend. Der FDP-Abgeordnete Dr. Marco Buschmann meinte in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes zum Zustandekommen dieser Ausnahmereglungen jedenfalls süffisant: "In Wirklichkeit war es doch so: Die SPD hat gesagt: Moment! Den Gewerkschaften fühlen wir uns nah; die wollen wir nicht mit einbeziehen. – Dann hat irgendein findiger Jurist gesagt: Ja, das können wir mit ihrer Stellung als Tarifvertragspartei begründen; dann müssen wir die Arbeitgeber auch rausnehmen. – Dann hat die SPD gesagt: Einverstanden. – Dann hat die CDU gesagt: Dann wollen wir auch was haben; dann nehmen wir doch die Kirchen raus."[9] Egal, wie und weshalb sich die Regierungsfraktionen auf so umfangreiche Ausnahmeregelungen verständigt haben, sie sind in vielen Fällen unangemessen und falsch. Diese Privilegien diskreditieren den Grundansatz der Regelungen als Transparenzgesetz und haften ihnen den Geruch eines Bestrafungsgesetzes an. Außerdem setzen die Ausnahmeregeln den Gesetzgeber dem Verdacht der Selbstbegünstigung aus, denn die Parteien sind komplett – also einschließlich der von ihnen selbst geschaffenen Organe für Partikularinteressen[10] – von der Eintragungspflicht befreit worden. Hier muss im Gesetzgebungsverfahren dringend nachgearbeitet und der Umfang der Ausnahmereglungen verengt werden.

Aus säkularer Sicht ist die im Gesetzentwurf angelegte Privilegierung der Kirchen und Religionsgemeinschaften wie den Islamverbänden von besonderem Interesse. Nach § 1 Abs. 3 Buchstabe i des Koalitionsentwurfs eines Lobbyregistergesetzes soll die Interessenvertretung, die im Rahmen der Tätigkeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften geschieht, von der Eintragungspflicht im Lobbyregister befreit werden. Zunächst fällt dabei ins Auge, dass die Autoren des Entwurfs neben den Kirchen lediglich von Religionsgemeinschaften sprechen, obwohl nach Artikel 137 Abs. 7 WRV i. V. m. Artikel 140 GG Weltanschauungsgemeinschaften (also auch nichtreligiöse Vereinigungen zur Pflege einer Weltanschauung) Religionsgesellschaften grundsätzlich gleichgestellt sind. Ob die Regierungsfraktionen durch diese begriffliche Verengung – einmal mehr – eine semantische Herabsetzung nichtreligiöser Weltanschauungsgemeinschaften in Gesetzestexten anstreben, oder ob sie diese Organisationen hier tatsächlich anders behandeln wollen, wird noch geklärt werden müssen. In letzterem Falle dürfte ein solches Gesetz schlicht verfassungswidrig sein.

Ungeachtet dessen ist die hier gewollte Privilegierung auch sachlich völlig überzogen. Damit wären die Kirchen oder auch Islamverbände mit Körperschaftsstatus[11] und alle zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Organisationen (Glaubensgemeinschaft, Sozialverbände, Einrichtungen) quasi komplett von der Eintragungspflicht ausgenommen. Eine groteske Vorstellung: So könnten zum Beispiel die in der Pflegebranche involvierten kirchlichen Sozialverbände Caritas und Diakonie beim Thema Sterbehilfe ihre Interessen völlig intransparent in die Büros der Abgeordneten tragen, während die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) oder die Arbeiterwohlfahrt sich zunächst im Lobbyregister eintragen und alle damit verbundenen Voraussetzungen erfüllen müssten.

Kirchliche Lobbybüros

Die Befreiung der Kirchen von der Eintragung im Lobbyregister ist auch deshalb völlig unangemessen, weil es sich bei ihnen um Organisationen mit den vielleicht stärksten Lobbystrukturen im Parlament handelt. Kirchen sind klar und eindeutig auch politische Akteure, die ihre spezifischen Interessen durch Lobbyarbeit gegenüber Parlamenten und Regierungen vertreten und durchzusetzen versuchen. Und dies in der Regel mit durchschlagendem Erfolg. Der Politologe Carsten Frerk hat 2015 über das Lobby-Netzwerk der Kirchen im Bund und den Ländern eine erste Studie[12] vorgelegt. Demnach ist einzigartig und für den Erfolg nicht unerheblich, dass die Kirchen im Bundestag über ihre "Lobbybüros" – die Dienststelle des Bevollmächtigten der EKD und das Katholische Büro – auch die seelsorgerische Parlamentsarbeit für Abgeordnete betreiben. Die Leiter der Lobbybüros sind "Chef-Seelsorger" der christlichen Abgeordneten und oberste Kirchenlobbyisten im Parlament in einer Person. Nicht selten eilt ein Prälat vom Altar im Andachtsraum des Bundestages oder vom parlamentarischen Gebetsfrühstück mit Abgeordneten unmittelbar zur Anhörung in einen Ausschuss oder zur Beratung eines Gesetzentwurfs in eine Fraktion. Die Kirchen haben an hinreichender Transparenz oder zumindest an einer personellen Trennung von Lobbyarbeit und Seelsorge bislang kein Interesse gezeigt. Im Gegenteil: Sie sorgen organisatorisch für deren Verquickung, ganz im Interesse einer maximalen Durchsetzung kirchlicher Interessen, die das gesamte Spektrum der religiösen und finanziell-wirtschaftlichen Interessen der Kirchen umfasst.

Der katholischen Kirche aber geht all dies noch nicht weit genug, denn sie hat für Politiker eigene Verhaltensregeln aufgestellt und für verbindlich erklärt. Im Jahr 2002 verabschiedete die Kongregation für die Glaubenslehre eine Lehrmäßige Note[13] über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben. Diese Kongregation, der damals noch Kardinal Joseph Ratzinger vorstand, ist die oberste Behörde zur Förderung und zum Schutz der Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche. Die Kongregation fungiert gleichzeitig als oberstes Gericht in ihrem Kompetenzbereich. Sie ist das "geistliche Zentralorgan" des Vatikans. Diese Note verpflichtet alle Bischöfe der katholischen Kirche sowie alle "gläubigen Laien, die zur Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben in den demokratischen Gesellschaften berufen sind."[14] Sie betont noch einmal, dass alle katholischen Politiker ihre politische Arbeit den Inhalten des Glaubens und der Moral der katholischen Kirche zu unterwerfen haben. Besonders gegeißelt wird dabei unter anderem ein sogenannter moralischer Relativismus. Die Note schwört die Gläubigen ein auf die Linie der katholischen Kirche bei Themen wie Abtreibung, Embryonenschutz und Sterbehilfe. Niemandem sei es gestattet, "mit der eigenen Stimme die Umsetzung eines politischen Programms zu unterstützen, in dem die grundlegenden Inhalte des Glaubens und der Moral durch alternative oder diesen Inhalten widersprechende Vorschläge umgestoßen werden. Weil der Glaube eine untrennbare Einheit bildet, ist es nicht möglich, auch nur einen seiner Inhalte herauszulösen, ohne der ganzen katholischen Lehre zu schaden."[15] Keinem Gläubigen sei es gestattet, sich auf das Prinzip des Pluralismus und der Autonomie der Laien in der Politik zu berufen, um Lösungen zu begünstigen, die den Schutz der grundlegenden ethischen Forderungen der Kirche kompromittieren und schwächen.[16] Diese Note, die am 24. November 2002 von Papst Johannes Paul II. in einer Audienz bestätigt wurde, ist seit dem bindender Auftrag für jeden Politiker katholischen Glaubens. Natürlich ist die Note mit unseren verfassungsrechtlichen Standards unvereinbar, denn das Grundgesetz kennt kein imperatives Mandat. Wichtig im Zusammenhang mit dem Thema Lobbyarbeit der Kirchen ist aber etwas anderes. Der Vatikan überlässt die Durchsetzung katholischer Moralvorstellungen in der Politik nicht allein ihren außerparlamentarischen kirchlichen Lobbyisten. Die katholische Kirche verpflichtet ihre Mitglieder in den Parlamenten quasi per Dekret selbst dazu. Ein Grund mehr, die Kirchen und alle anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auch auf die Eintragung in das Lobbyregister zu verpflichten.

Absurde Ungleichbehandlung von SPD-Arbeitskreisen würde verschärft

Eine besonders absurde Konsequenz des Gesetzentwurfs zeigt sich mit Blick auf die SPD: die Säkularen Sozialdemokraten setzen sich seit nun zehn Jahren in ihrer Partei für die Anerkennung als parteiinterner Arbeitskreis ein. Sie haben dafür gewichtige Gründe. Zum einen besteht in der SPD ein erkennbares Defizit bei der Vertretung der Interessen säkular orientierter Menschen. Zum anderen geht es um die innerparteiliche Gleichstellung gegenüber religiösen Parteimitgliedern. Denn in der SPD gibt es sowohl für Mitglieder christlichen, jüdischen als auch muslimischen Glaubens auf Bundesebene jeweils eigene Arbeitskreise mit allen organisatorischen Privilegien, die dazugehören. So gibt es den "Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD" (AKC), den "Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten" (AKJS) und den "Arbeitskreis muslimischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten" (AKMS).

Wenn der Deutsche Bundestag nun ein Lobbyregistergesetz beschließt, droht eine weitere Benachteiligung der säkularen Genoss*innen. Die Arbeitskreise der gläubigen Genoss*innen müssten sich künftig nicht in das Lobbyregister eintragen, weil sie Teil der SPD sind. Sie schlüpften nach dem aktuellen Gesetzentwurf der Koalition[17] damit unter ein Parteienprivileg. Das Netzwerk der Säkularen Sozialdemokrat*innen bekäme dieses Privileg wegen der fehlenden Anerkennung in der SPD nicht. Sie hätten damit alle Pflichten des Lobbyregistergesetzes zu erfüllen bis hin zur damit verbundenen Strafandrohung im fünfstelligen Euro-Bereich. Der "Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD" könnte seine Interessen also im Bundestag bei allen denkbaren Themen wie zum Beispiel der Regulierung der Sterbehilfe oder der Subventionierung der Kirchen durch Staatsleistungen uneingeschränkt geltend machen, in dem er Gespräche mit Abgeordneten führt, in der SPD-Fraktion vorträgt oder Veranstaltungen organisiert, ohne diese Lobbyarbeit öffentlich kenntlich machen zu müssen. Die Gruppe der Säkularen Sozialdemokraten wäre hingegen als nicht anerkannter Arbeitskreis der Partei ohne eine Registrierung im Lobbyregister bei jedem Abgeordnetenbrief mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro bedroht. Eine solche Regelung für vergleichbare Interessenvertretungen – hier die der christlich, dort die der säkular orientierten Menschen in unserem Land – ist natürlich völlig absurd und widerspricht unserem demokratischen Grundverständnis.

Was sollten säkulare Organisationen tun?

Grundsätzlich sollten säkulare Organisationen und ihre Mitglieder die hier genannten Kritikpunkte am Lobbyregistergesetz bei den Abgeordneten einbringen bevor der Entwurf ohne die erforderlichen Änderungen geltendes Recht wird. Jede(r) ist frei darin, den Abgeordneten seines Wahlkreises anzusprechen. Es kann und wird sich hoffentlich noch einiges ändern – und zwar vor allem die Aufhebung der Ausnahmen für Kirchen und Islamverbände. Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) hat die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Ausnahmetatbestände für Religionsgemeinschaften gelenkt und LobbyControl hat betont,[18] dass hier keine Ausnahmen der Registrierungspflicht zugelassen werden dürfen. Das EU-Transparenzregister kann weiterhin als Vorbild dienen. Zudem ist wichtig, dass auch und gerade bei religiös-weltanschaulich geprägten Entscheidungen des Bundestages zukünftig die legislative Fußspur transparent gemacht wird, d.h. wer wie auf die Gesetzgebung eingewirkt hat.

Bliebe es aber bei dem derzeitigen Gesetzesvorschlag, ist der wichtigste Rat wohl folgender: Keine säkulare Organisation sollte im Blick auf eine Eintragungspflicht auf ihre politische Arbeit, auf die Artikulation von Interessen, gegenüber dem Parlament und der Regierung verzichten. Es bleibt die große Aufgabe: "Der Kirchenlobbyismus ist insgesamt rechtsstaatlich einzuhegen und in säkulare, verfassungsgemäße Bahnen zu lenken."[19] Andernfalls überließe man nur den erneut privilegierten Kirchen und den in ihrem Lobbyismus-Pfad wandelnden Islamverbänden das Feld. Man sollte vor den neuen Anforderungen des Gesetzes keine Angst haben und das Lobbyregister als Einführung eines neuen Standards sehen. Man erinnere sich zum Beispiel an das biometrische Passbild. Kein vernünftiger Mensch wäre auf die Idee gekommen, auf die Beantragung eines Reisepasses zu verzichten, nur weil nun ein solches, oft unschönes Lichtbild des Passinhabers erforderlich ist. Rückzug aus der Interessenvertretung im Parlament würde das berühmte Kind mit dem Bade ausschütten. Die neuen Anforderungen des Lobbyregisters – die Angaben zur Organisation, der Verhaltenskodex, das Rügeverfahren – sollten eher begriffen werden als neue Qualitätsmerkmale für eine transparente Interessenvertretung gegenüber Parlament und Regierung. In Zukunft kann und soll das Kennzeichen "eingetragene Organisation im Lobbyregister" deshalb eher wie ein Gütesiegel wirken, im Unterschied zu Lobbyisten, die ihr Tun eher verdeckt, über die Nebeneingänge des Bundestages und weiterhin hinter verschlossenen Türen praktizieren.

Das ist der Grund, weshalb man selbst Organisationen, die unter das Privileg der Befreiung von der Eintragungspflicht fallen, eher raten sollte, sich freiwillig einer Registrierung im Lobbyregister zu unterziehen. Der Gesetzentwurf eröffnet im Artikel 1 § 1 Absatz 4 dafür ausdrücklich die Möglichkeit. Also: Keine Angst vor dem Lobbyregister, Transparenz stärkt den säkularen Rechtsstaat!

 


[1] Artikel 1 § 2, BT-Drs. 19/22179

[2] Artikel 1 § 3, Abs. 1 und 2, BT-Drs. 19/22179

[3] Artikel 1 § 3, Abs. 3, BT-Drs. 19/22179

[4] Artikel 2 § 1, BT-Drs. 19/22179

[5] Artikel 1 § 1 Abs. 1, BT-Drs. 19/22179

[6] Artikel 1 § 1 Abs. 3, BT-Drs. 19/22179

[7] Artikel 1 § 1 Abs. 3 Buchstaben f, h und i, BT-Drs. 19/22179

[8] Begründung zu Artikel 1 § 1 Abs. 3 Buchstabe f, BT-Drs. 19/22179, S. 8

[9] Plenarprotokoll 19/174, S. 21891 und 21892

[10] Dazu gehören beispielsweise Sub- und Arbeitsstrukturen der Parteien für Wirtschafts- (Arbeitgeber-) und Arbeitnehmerfragen sowie für Religionen und Weltanschauungen. Sie alle fungieren nicht nur als Meinungsträger von der Partei in die Gesellschaft hinein, sondern auch umgekehrt und befassen sich damit regelmäßig auch mit der Vertretung von spezifischen Interessen gegenüber dem Parlament, den Fraktionen oder gegenüber einzelnen Abgeordneten. Das ist nichts anderes als klassische Lobbyarbeit.  

[11] Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Muslimische Dachverbände in Deutschland. Zur rechtlichen Organisation, WD 1 - 3000 - 018/18, https://www.bundestag.de/resource/blob/575546/ef315aecd25f0a1713f792f9ad351b7d/WD-1-018-18-pdf-data.pdf

[12] Frerk, Kirchenrepublik Deutschland – Christlicher Lobbyismus. Eine Annäherung. 2015

[13] Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben, Kongregation für die Glaubenslehre, 2002

[14] Ebenda, S. 1

[15] Ebenda, S. 4

[16] Ebenda, S. 5

[17] BT-Drs. 19/22179

[18] Nicolai, Geplantes Lobby­re­gis­ter für den Bundestag. Kirchenlobbyismus ohne Kontrolle, hpd-Kommentar 30.09.2020,  https://hpd.de/artikel/kirchenlobbyismus-ohne-kontrolle-18521

[19] Neumann, Kirchenlobbyismus außerhalb des Rechtsstaats. Ein juristischer Kommentar zur Kirchenrepublik Deutschland,  MIZ 3/15, https://www.miz-online.de/kirchenlobbyismus-ausserhalb-%e2%80%a8des-rechtsstaats