Die Rechtsnormen zur Suizidhilfe in Österreich – mit Schlussfolgerungen für eine Regulierung in Deutschland unter Einbeziehung von Notaren
Unser Beirat Hartmut Kreß beschäftigt sich in seinem letzten Beitrag in der Fachzeitschrift MedR vom 14.05.2025 (S. 353-359) mit dem rechtlichen Umgang mit Suizidbegleitung in Deutschland und Österreich. Der Beitrag ist als open access Veröffentlichung kostenfrei hier abrufbar.
Kreß stellt die Verfassungsrechtsprechung beider Länder sowie die jeweilige (rechtspraktische) Umsetzung einander gegenüber. Während das Bundesverfassungsgericht in Deutschland klar zum Ausdruck gebracht hat, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben unabhängig von dem Motiv des Sterbewilligen besteht, soweit die Entscheidung freiverantwortlich getroffen wird, wird dieses Recht in Österreich mit Billigung des Verfassungsgerichtshofs im Rahmen einer sog. Reichweitenbegrenzung beschränkt.
Die Suizidhilfe ist dort nur in Fällen terminaler unheilbarer oder dauerhafter schwerer Krankheiten zugelassen.
Während Kreß als Medizinethiker die österreichische Reichweitenbegrenzung kritisiert und sie als unvereinbar mit dem individuellen Grundrecht auf Selbstbestimmung ansieht, erkennt er in den Verfahrensregeln des Nachbarlandes ein mögliches Vorbild für Deutschland. Derzeit existieren hierzulande keine gesetzlichen Verfahrensregelungen. Als in Deutschland vor wenigen Jahren erwogen wurde, die Suizidbegleitung gesetzlich zu regulieren, waren Verfahrenswege vorgeschlagen worden, die urteils- und entscheidungsfähige Menschen bevormundet und sie entmündigt hätten, z.B. eine Kommissionsprüfung. In Österreich hat man Verfahrensregeln entwickelt, die dies vermeiden. Falls der deutsche Gesetzgeber erneut über gesetzliche Normierungen nachdenken sollte, sollte er daran Anhalt nehmen, dass die Modalitäten der Suizidhilfe in Österreich schlüssig geklärt worden sind.
Im Ergebnis hält Kreß fest:
"Am 26. 2. 2020 hatte das BVerfG es dem Deutschen Bundestag offengelassen und freigestellt (,Es steht dem Gesetzgeber frei'), ein ,prozedurales' Konzept zu entwickeln, das Suizidassistenz rechtssicher ermöglicht. Ungeachtet der beträchtlichen kritischen Rückfragen, die an die österreichische Lösung etwa hinsichtlich ihrer Reichweitenbegrenzung zu richten sind , ist festzuhalten: Sofern sich das deutsche Parlament erneut mit einem Gesetz zur Suizidhilfe befassen sollte, sollte es sinnvollerweise die Verfahrensnormen aufgreifen – Aufklärung durch zwei unabhängige Ärzte / Einbeziehung eines Notars / Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nur im begründeten Einzelfall –, die im südlichen Nachbarland zur konsolidierten Rechtslage geworden sind."
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