Religion und Gewalt: Über den Missbrauch von Kindern in Glaubensgemeinschaften

Angesichts der Vertuschung des katholischen Missbrauchsskandals hat der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen Christian Pfeiffer unlängst den Rücktritt von Kardinal Marx als Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gefordert. Am 8. März wird Pfeiffer im Rahmen der Vorstellung seines aktuellen Buchs "Gegen die Gewalt" am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel erklären, was ihn zu dieser Stellungnahme veranlasst hat.

Klar ist: Hätte Pfeiffer den katholischen Missbrauchsskandal wissenschaftlich so aufarbeiten können, wie dies ursprünglich mit der Deutschen Bischofskonferenz vereinbart war, so hätten er und seine Kollegen für jedes einzelne Bistum darlegen können, wie viele Missbrauchstäter in den Gemeinden weiter beschäftigt wurden und wie viele weitere Opfer darunter leiden mussten. Die Forscher hätten dabei auch aufzeigen können, wie Papst Benedikt als Erzbischof von München und Freising dereinst mit Tätern und Opfern umgegangen ist. Doch eben dies war offenkundig nicht gewollt, wie Pfeiffer betont: "Der Widerstand aus München hat unser Projekt zum Scheitern gebracht. Marx und der ihm zur Seite stehende Bischof Ackermann haben über zehn Jahre hinweg systematisch Transparenz und eine Kultur der Verantwortung verhindert."

Der katholische Missbrauchsskandal war ein großes Thema der letzten Jahre, doch Christian Pfeiffer hat sich auch mit anderen Formen des Missbrauchs in Glaubensgemeinschaften beschäftigt, u.a. mit den Gewalterfahrungen von Kindern in evangelikalen Gemeinden und islamistisch ausgerichteten Moscheegemeinschaften. Das Fazit, das der Kriminologe in seinem Buch zieht, ist dennoch ausgesprochen positiv: Denn die in Deutschland lebenden Kinder haben über die letzten Jahrzehnte hinweg "immer mehr Liebe" und "immer weniger Hiebe" erfahren, was sich als eine erstaunlich erfolgreiche Methode der Verbrechensprävention erwiesen hat. So ist beispielsweise die Zahl der Sexualmorde seit Ende der 1970er Jahre um 85 Prozent (!) zurückgegangen, was nicht zuletzt auch dem deutlich weniger autoritären Umgang mit Kindern seit 1968 geschuldet ist. Die alte biblische Formel "Wer sein Kind liebt, züchtigt es!" kann also getrost zu den Akten gelegt werden...

Zum Referenten: Prof. Dr. Christian Pfeiffer war Lehrstuhlinhaber für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Juristischen Fakultät der Universität Hannover, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, Justizminister des Landes Niedersachsen und langjähriger Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). 2019 erschien sein Buch "Gegen die Gewalt - Warum Liebe und Gerechtigkeit unsere besten Waffen sind" im Kösel Verlag.

Die Einführung in den Vortrag hält Dr. Jacqueline Neumann, die Leiterin des Instituts für Weltanschauungsrechts (ifw), das 2018 mit bundesweiten Strafanzeigen gegen kirchliche Missbrauchstäter für Aufsehen sorgte. Das ifw ist Mitveranstalter des Vortrags von Christian Pfeiffer am gbs-Stiftungssitz.

Achtung: Da der öffentliche Vortrag von Prof. Dr. Christian Pfeiffer zugleich auch als Abschluss des am Vortag stattfindenden internen Jahrestreffens des ifw gedacht ist, beginnt die Veranstaltung am Sonntag, dem 08. März 2020, im "Haus WEITBLICK" (Auf Fasel 16, 55430 Oberwesel) eine Stunde früher als gewohnt, also bereits um 13.30 Uhr (Einlass mit Sektempfang um 13.00 Uhr)! Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung über dieses Webformular aufgrund der begrenzten Sitzplätze (ca. 120) aber zwingend erforderlich.