Verurteilung im Fall einer Knabenbeschneidung

Vor dem Amtsgericht Eilenburg musste sich seit dem 12.05.2025 ein Arzt aus Taucha wegen einer aus religiösen Gründen durchgeführten Knabenbeschneidung an einem fünf Wochen alten Baby strafrechtlich verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mediziner eine fahrlässige Körperverletzung vor. Am 26.05.2025 fiel am fünften Verhandlungstag das Urteil. Der Prozess wurde vom hpd (hier und hier) und der Leipziger Volkszeitung ( u.a. hier, hier und hier) vor Ort verfolgt. Auch das ifw berichtete bereits. 

Das Amtsgericht Eilenburg war nach einer umfangreichen Beweisaufnahme von der Schuld des Chirurgen überzeugt und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 60 Euro. Damit wurde der vom Angeklagten beantragten Freispruch abgelehnt. Grund für die Verurteilung war die – vom Angeklagten letztlich auch eingestandene – Verwechslung des Narkosemittels. Der hpd berichtet über die Einlassung des Angeklagten wie folgt:

"Er habe die ,Beschneidung', welche im Islam und Judentum verpflichtend sei, so wie immer, fachgerecht durchgeführt. Er verwende in seiner Praxis in der Regel für die Lokalanästhesie das Mittel Lidocain und nur sehr selten das wesentlich stärkere Mepivacain. Dass Letzteres im Blut des Kindes nachgewiesen wurde, könne er sich nur damit erklären, dass er versehentlich zur falschen Flasche gegriffen hätte. Den Krampfanfall des Kindes habe er als ein Verschlucken beim Stillen interpretiert und den Notarzt habe er so verzögert gerufen, um Ressourcen zu schonen. Er schlafe seit dem Vorfall schlecht und fühle sich sowohl als Arzt als auch als Muslim betroffen."

In der Leipziger Volkszeitung ist zur Begründung des Urteils zu lesen:

"Eine solche Verwechslung, sagte Richter Eidner in seiner Urteilsbegründung, sei kein alltäglicher Fehler und dürfe nicht passieren. Der Arzt aus Taucha führe im Jahr 30 bis 50 religiös motivierte Beschneidungen an Babys durch. Er müsse wissen, so Eidner, dass bei denen eine besonders große ärztliche Sorgfalt erforderlich ist. Mit einer anders organisierten Lagerung der Medikamente hätte der Angeklagte die Verwechslung verhindern können, zeigte sich der Richter überzeugt."

Von einer in Betracht gekommenen etwaigen Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes und damit einer gefährlichen Körperverletzung (auf die das Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung hingewiesen hatte), konnte sich das Gericht nicht überzeugen und auch die Staatsanwaltschaft beantragte keine derartige Verurteilung

Thematisiert wurde von dem Richter aber auch die rechtliche Grundlage für den medizinisch nicht gebotenen schwerwiegenden Eingriff, was der hpd kritisch wie folgt darstellt und kommentiert:

"Es schien dem Richter daran gelegen, dass der Angeklagte seiner Tätigkeit als Beschneider weiter nachgehen kann. Denn durch Ärzte wie ihn würde es möglich, ,Hinterhofbeschneidungen' zu verhindern. Laut seiner Einschätzung sei dies auch die Intention des Gesetzgebers bei der "Erfindung" (wie er es ausdrückte) des Paragrafen 1631d BGB gewesen. Dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift die positive Religionsfreiheit der Eltern über die körperliche Integrität und die negative Religionsfreiheit des Kindes gestellt habe, sei eine legislative Entscheidung gewesen. Aufgabe des Gerichts sei es nicht, dies anzugreifen, sondern anzuwenden ,mit allen Tücken und Schwächen'. Und genau das habe er hier getan. Dafür, dass während der Verhandlung immer wieder betont wurde, dass es an dieser Stelle nicht um die große Politik, die Infragestellung des Paragrafen 1631d beziehungsweise rituelle ,Beschneidungen' an sich ginge, schien es dem Gericht auffällig wichtig, zu erläutern, wie und warum dieser hier angewendet wurde."

Auch die Leipziger Volkszeitung geht auf die weiteren Äußerungen des Vorsitzenden Richters in Bezug auf § 1631d BGB ein:

"Eidner ging auch auf die besondere Problematik der umstrittenen religiösen und nicht medizinisch erforderlichen Beschneidungen kleiner Jungs ein. Der Arzt bewege sich damit im rechtlich erlaubten Rahmen. Nur innerhalb dessen sei der vorliegende Fall zu beurteilen gewesen.

Nur einmal ließ der Richter gewisse Vorbehalte gegen den 2012 eingeführten sogenannten Beschneidungsparagrafen im bürgerlichen Gesetzbuch erkennen. Zum damaligen Bundestagsbeschluss zur Gesetzesänderung bemerkte er: ,Ich will jetzt nicht sagen, es war ein Schnellschuss.'"

"Umstritten" ist noch zurückhaltend formuliert. Zwar erlaubt § 1631d BGB es Eltern in der Tat in die medizinisch nicht indizierte Abtrennung der gesunden Penisvorhaut ihres minderjährigen Kindes einzuwilligen, indes ist die seit 2012 bestehende Rechtslage als verfassungswidrig anzusehen. Es ist sicher lediglich eine Frage der Zeit, bis die Vorschrift einmal dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Etwa von einem betroffenen Mann, der sich zivilrechtlich gegen die seinerzeit ohne oder gegen seinen Willen im Kindes- oder Säuglingsalter vorgenommene Amputation eines gesunden Körperteils zu Wehr setzt.