VG Gießen: Keine religiösen Sonderrechte in Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber

Pressestelle VG Gießen:

Das Verwaltungsgericht Gießen hat in sechs verschiedenen Verfahren Eilanträge von Asylbewerbern abgelehnt. Die Eilanträge richteten sich gegen die Verpflichtung, bis zu einer anderweitigen Zuweisung in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Neustadt (Hessen) wohnen zu müssen. Darüber hinaus begehrten die Antragsteller die Möglichkeit, die Gemeinschaftsküche während des Ramadans auch zu Nachtzeiten zu nutzen.

Asylbewerber sind grundsätzlich für die Dauer von bis zu 18 Monaten verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (Familien bis zu sechs Monaten). Diese Verpflichtung kann aus verschiedenen Gründen bereits früher enden, aber grundsätzlich erst dann, wenn die Asylbewerber einer Stadt oder einem Landkreis zugewiesen werden.

Die Antragsteller hatten in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht, dass sie in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt keine Möglichkeit hätten, die empfohlenen Hygienemaßnahmen gegen eine unkontrollierte Verbreitung des SARS-Co-V-2-Virus einzuhalten. Insbesondere bei der Reinigung der Wäsche, der Nutzung sanitärer Einrichtungen und der Gemeinschaftsküche sowie bei der Ausgabe der Geldleistungen komme es regelmäßig zu Menschenansammlungen, bei denen ein Mindestabstand von 1,50m nicht eingehalten werden könne. Die Gemeinschaftseinrichtungen der Aufnahmeeinrichtung würden von mindestens 50 Personen gemeinsam genutzt.

Das Regierungspräsidium Gießen hatte hingegen ein hygienisches Konzept im Umgang mit dem Virus nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt entwickelt und dieses dem Gericht vorgelegt. Demzufolge seien Informationen zur Einhaltung der Schutzvorkehrungen in 13 Sprachen übersetzt und gut sichtbar angebracht worden. So seien etwa die Taschengeldausgabe und Essenausgabe terminlich und räumlich entzerrt worden und es werde eine tägliche desinfizierende Reinigung aller Kontaktflächen, Handläufe und Türklinken vorgenommen. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes habe man angehalten, gezielt auf die Einhaltung der Abstandsregelung und der Schutzvorkehrungen zu achten.

Im Eilverfahren führt das Gericht keine vollständige Beweisaufnahme durch. Der vorläufige Rechtsschutz soll aber verhindern, dass den Antragstellern durch das oft lange Abwarten auf ein Hauptverfahren schwere und unzumutbare Nachteile entstehen. Dabei muss sich das Gericht auf die Informationen stützen, die zum Zeitpunkt der Eilentscheidung zur Verfügung stehen und die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen. Wegen des vorgelegten Hygienekonzepts waren die Richter jedoch nicht überzeugt, dass gesundheitliche Aspekte eine Aussetzung der Wohnverpflichtung gebieten würden.

Zusätzlich begehrten alle Antragsteller mit den eingereichten Eilanträgen eine Öffnung der Gemeinschaftsküche in der Zeit von 02:00 Uhr bis 04:30. In dieser Zeit sei die Küche aktuell geschlossen. Die Antragsteller wollten als Muslime im Monat Ramadan ihre letzte Mahlzeit vor der Morgendämmerung zu sich nehmen.

Demgegenüber gab das Regierungspräsidium an, dass es allen Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung derzeit möglich sei, ihre Mahlzeiten mit sogenannten "Take-Away"-Boxen auf die Bewohnerzimmern mitzunehmen. Dies sei Teil des Hygienekonzepts zum Umgang mit SARS-Co-V-2.

Die jeweils zuständigen Einzelrichter stellten in den Eilbeschlüssen fest, dass es den Antragstellern nicht unzumutbar sei, für die Dauer bis zu einer Zuweisungsentscheidung in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Insbesondere stünden dem keine Gründe der öffentlichen Gesundheitsvorsorge entgegen. Bezüglich der Benutzung der Gemeinschaftsküche hätten die Antragsteller nicht ausreichend dargelegt, weshalb diese in den 2 ½ Nachtstunden zwingend einen Zugang zur Gemeinschaftsküche benötigten. Die Eilverfahren waren somit erfolglos.