Islamischer Religionsunterricht

Entwicklung

Da die Richtungen der islamischen Religion keine formale Religionszugehörigkeit kennen, wie das bei den Kirchen der Fall ist, fehlt dem Staat meist der erforderliche Ansprechpartner, um einen staatlichen Religionsunterricht gem. Art. 7 II, III GG einrichten zu können. Nur eine Minderheit der Muslime ist in örtlichen Moscheevereinen organisiert, die allerdings oft einem Dachverband angehören. Ein weiteres Problem ist das Spannungsverhältnis zwischen dem GG und dem in Deutschland vorherrschenden orthodoxen Islam.

Ungeachtet dessen haben einige Bundesländer nach verschiedenen schulischen Vorstufen ca. 2005 mit der experimentellen Einführung eines konfessionellen staatlichen islamischen RU begonnen. Juristisch nicht durchdachte überraschende Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 2010 zur Weiterentwicklung der Hochschultheologie haben dazu geführt, dass seitdem mit großer politischer Unterstützung mehrere universitäre Zentren zur Ausbildung islamischer Religionslehrer geschaffen wurden. Das führte zu einer Expansion des islamischen RU. Die Sachlage ist aber unübersichtlich und in Veränderung begriffen. Die Schülerzahl dürfte derzeit (2017) über 25.000 Schüler umfassen, meist in Grundschulen. Erfasst wir damit aber bisher nur ein kleinerer Bruchteil der muslimischen Schüler.

Probleme

Schwieriger als die organisationsrechtlichen Fragen sind die nach der meist verdrängten Vereinbarkeit mit dem GG. Denn die großen (untereinander zerstrittenen) islamischen Dachverbände sind orthodox und haben Probleme mit der Gleichberechtigung, Toleranz und Trennung von Staat und Religion. Der größte Dachverband, die türkische DITIB, fördert einen Ghetto-Glauben, der die gesellschaftliche Integration erheblich behindert. Problematische Koraninhalte werden weitgehend verharmlost. - Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die eigenständige Religion der in Deutschland zahlreichen Aleviten völlig unproblematisch ist.

Ein großes Problem besteht darin, dass die wichtigen liberalen islamischen Theologen nur eine kleine Minderheit darstellen, die sich an den Hochschulen kaum durchsetzen können. Bei den Berufungsverfahren haben die orthodoxen Verbände die Oberhand, die jeweiligen Beiratsregelungen, auch bei der Lehrereinstellung, sind verfassungswidrig. Denn mit der staatlichen Bestellung von Beiräten nach verfassungsrechtlich nicht legitimierten Regeln mischt sich der Staat unzulässig in religiöse Kompetenzen ein. Die nicht organisierte Mehrheit der Muslime ist zahlenmäßig unterrepräsentiert. Der Staat verhält sich nicht neutral und verstößt gegen das pluralistische Prinzip. Die DITIB-Organisation ist seit 2016 noch nationalistischer geworden und lehnt einen reformierten Islam ab. Aber sie dominiert in Hochschulausbildung und Schule. Die angestrebte gesellschaftsintegrierende Wirkung eines konfessionellen islamischen RU ist juristisch mehr als fragwürdig und gesellschaftspolitisch eine Illusion.

Nähere Erläuterungen und Nachweise enthält das Lehrbuch G. Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, 2. A. 2017, § 13 V 3 und § 17 I 6

>> Islam

Literatur

  • BVerwGE 110, 326, 23. 2. 2000 – 6 C 5/99 (Organisation des Berliner islamischen RU)
  • BVerwGE 123, 49, 23. 2. 2005 – 6 C 2.04 (Dachverbände; Verfassungstreue)
  • OVG NRW, 09.11.2017 - 19 A 997/02 (Kein Anspruch auf Einführung islamischen Religionsunterrichts in NRW)
  • s.a. ifw-Kommentar zu dem Urteil des OVG NRW: Kein Anspruch auf Einführung islamischen Religionsunterrichts in NRW
  • Heimann, Hans Markus: Islamischer Religionsunte.rricht und Integr.ation, Münster 2011.
  • Heinig, Hans Michael: Islamische Theol.ogie an staatlichen Hochschulen, in: ZevKR 2011, 238-261
  • Zur Gesamtproblematik siehe Otte, Walter/Ourghi, Abdel-Hakim: Eine unheilige Allianz mit desaströsen Folgen (https://hpd.de/artikel/12684)

© Gerhard Czermak / ifw (2017)