Zusammenfassung des Beitrags von Gerhard Czermak: Religiös-weltanschauliche Neutralität – ein unverstandener Schlüsselbegriff

Unser ifw-Beirat und ifw- Direktoriums-Mitglied Gerhard Czermak beleuchtet in seinem aktuellen Aufsatz ("Religiös-weltanschauliche Neutralität – ein unverstandener Schlüsselbegriff") in der DÖV (Ausgabe 12/2024, S. 511-518) den Begriff der "religiös-weltanschaulichen Neutralität."

Bereits in dem vierten Band unserer Schriftenreihe hat sich Czermak mit dem überfrachteten Neutralitätsbegriff befasst und die strikte Einhaltung des Verbots jeglicher einseitiger religiös-weltanschaulicher Beeinflussung gefordert.

In seinem Aufsatz stellt er einsichtig und kompakt dar, dass es "keine verschiedenen Neutralitäten, sondern nur eine, die durch Gleichbehandlung, Nichtidentifikation und Unparteilichkeit geprägt ist", gibt.

Nach einer kurzen Einführung in das Thema, in der bereits deutlich wird, dass der Autor in der religiös-weltanschaulichen Neutralität nachvollziehbarerweise eine "verbindliche Rechtsregel" und keine bloße "Leitidee des Religionsverfassungsrechts" sieht, geht er kurz auf die Frühzeit der Bundesrepublik ein, stellt dann die Entwicklung des damaligen Staatskirchenrechts, das heute Religionsverfassungsrecht genannt wird, ab 1965 dar. Mittels gut gewählter Beispiele macht Czermak deutlich, wie schwer sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes tat. Hiernach illustriert der ehemalige Verwaltungsrichter i. R. anhand des Umgangs der bayerischen Höchstgerichte mit der "Neutralitätsidee" die erheblichen Defizite in der Umsetzung des Neutralitätsgebots. Im diesbezüglichen Resümee hält Czermak fest, "dass die religiös-weltanschauliche Neutralität in Rechtsprechung und Literatur verbal zwar fast allgemein anerkannt ist als Gebot der Unparteilichkeit und Nichtidentifikation. Religiöse und nichtreligiöse Überzeugungen und Vereinigungen gelten als grundsätzlich gleichgestellt. Das Neutralitätsprinzip lässt aber nach überwiegender Meinung in erheblichem Umfang auch gewichtige Ausnahmen zu. […] Die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Meinung und Praxis bedarf daher einer dogmatischen Neuorientierung, verbunden mit einer konsequenten Praxis."

Eine Lösung der nicht zufriedenstellenden Situation sieht Czermak daher in einer widerspruchsfreien Neubegründung der Rechtsdogmatik der religiös-weltanschaulichen Neutralität, deren wesentliche Eckpunkte er dann im Folgenden näher ausleuchtet. Der Autor geht dabei unter anderem auf die "offene und distanzierende" Neutralität ein und erklärt, dass diese "gleichermaßen unparteiliches Verhalten" bedeuten. Sie seien "keine unterschiedlichen Neutralitäten, sondern Modalitäten derselben".

Abschließend stellt Czermak die Funktionen des Neutralitätsgebots dar und bekräftigt nochmals, dass es sich bei der religiös-weltanschaulichen Neutralität nicht lediglich um einen Grundsatz, sondern eine "Rechtsregel objektiven Rechts" handelt. Er hält am Ende fest: "Neutralität als an den Staat gerichtetes Rechtsgebot der Gleichbehandlung und nicht lediglich der Toleranz gegenüber allen friedlichen religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften und Bürgern ist in einem zunehmend pluralen Staat ,eine funktionale Voraussetzung dafür […], dass der Staat Heimstatt aller Bürger sein kann‘."