Sonderstatusverhältnis

Gemeint sind mit S. die speziellen Rechtsverhältnisse von Bürgern in staatlichen Institutionen wie im Beamten-, Schul-, Strafvollzugs und Wehrdienstverhältnis und die dort verstärkten Einflussnahmen der Staatsorgane. Nicht mehr gebräuchlich ist der sachlich überholte Ausdruck Besonderes Gewaltverhältnis. Historisch ging es darum, dass Staatsbürger in solchen Bereichen erheblichen Einwirkungen der Staatsgewalt ausgesetzt waren (z. B. beamtenrechtliche Heiratserlaubnis), weil die dort geltenden Regeln nicht eines förmlichen Gesetzes bedurften (Gesetzesvorbehalt) und auch Grundrechte nicht gelten sollten. Das ist mit dem Rechtssystem des GG nicht vereinbar, in dem es keine rechtsfreien Räume geben kann. Trotzdem hat es nach 1949 lange gedauert, bis sich der Gesetzesvorbehalt und die zumindest grundsätzliche Grundrechtsgeltung auch in solchen Sonderverhältnissen durchgesetzt haben. Das geschah erst als Folge der Strafvollzugsentscheidung des BVerfG.[1]

Da die nunmehrigen gesetzlichen Ermächtigungen vielfach nur allgemein gehalten sind (z. B. Zweck der Untersuchungshaft, Erfordernisse der Anstaltsordnung[2], besteht nach wie vor die Gefahr einer zu starken Beeinträchtigung von Grundrechten im S. Die Erhöhung der Pflichten für die Beamten, Soldaten usw. im S. gilt nämlich umgekehrt auch für den Staat (Fürsorgepflicht), der seine besonderen Befugnisse freiheitsschonend ausgestalten muss. Den Sachnotwendigkeiten entsprechend hat sich einschränkend die "Wesentlichkeitstheorie" durchgesetzt, wonach zumindest die jeweils wesentlichen Probleme einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Wichtig ist hierzu die Entscheidung des BVerfG zur schulischen Sexualerziehung (s. dort) von 1977. Im Einzelnen gibt es zahlreiche Rechtsprobleme. Aktuell von besonderer Bedeutung sind immer noch die bis vor nicht allzu langer Zeit teilweise sogar noch offiziell bekämpften Rechte der Lehrer im religiös-weltanschaulichen Bereich. Im Jahr 2015 hat das BVerfG dazu eine im Hinblick auf die weltanschauliche Neutralität problematische Kehrtwende vollzogen.

>> Beamtenrecht; Grundrechtsdogmatik; Kreuz im Klassenzimmer; Kopftuch.

 


  • [1] BVerfGE 33,1.
  • [2] BVerfGE 35,311.

© Gerhard Czermak / ifw (2017)