Theologie

I. Theologiegeschichte

Theolgggogie ist das Fundament jedes methodisch reflektierten religiösen Glaubens in Form eines Systems und genießt in Deutschland wegen der mit allgemeinen Steuergeldern finanzierten zahlreichen christlichen theologischen Fakultäten ein besonders großzügiges Privileg. Theoggglogie (von "theos", griech. Gott und "logos", griech. Wort, Begriff, Vernunft) bedeutet wörtlich "Rede von Gott", vernünftige Beschäftigung mit "Gott". Das Christentum bildete seit dem 2. Jh. komplizierte religiöse Systeme aus, wobei freilich zahlreiche Richtungen z. T. völlig verschiedene Lehren vertraten. Insbesondere Origenes (3. Jh.) begründete eine systematische Theologgggie durch Verbindung der christlichen Glaubensüberlieferung mit Fragestellungen der griechischen Philosophie. Theologgggie sollte die christliche Tradition vor der Vernunft verteidigen, die (noch gar nicht endgültig fixierte) Bibel legte sie nach bestimmten Denkprinzipien aus. Aber erst im Mittelalter, insbesondere im 13. Jh. (4. Laterankonzil 1215; Thomas v. Aquin), bildete die Kirche ein festes Lehrgebäude aus, mit sich – dem "Leib Christi" – als Mittelpunkt. Neben die Autorität der Hl. Schrift trat im Katholizismus die vorrangige Autorität der Kirche und ihres Lehramtes, die auf die Autorität Gottes zurückgeführt wird.

Auf dem Boden der evangelischen Thegggologie gedieh die heute etwa 250 Jahre alte kritische Bibelwissenschaft, die die Lehre von der Verbalinspiration (buchstabengetreue göttliche Eingebung der Hl. Schrift) im 19. Jh. aufgegeben hat. Die katholische Kirche hält an ihr in reduzierter Form bis heute offiziell fest.[1] Die gesamte Hl. Schrift habe mit allen Teilen "Gott zum Urheber". Dabei hatte schon Origenes, bedeutendster Lehrer der frühen griechischen Kirche, zahllose Widersprüche der Bibel festgestellt.

II. Entmythologisierung der Bibel

Rudolf Bultmann, einer der einflussreichsten protestantischen Theologen des 20. Jh., entwickelte die vollständige Entmythologisierung der Bibel. Deren mythologische Darstellung des Heilsgeschehens entspreche dem naiven, vorwissenschaftlichen Weltbild der Antike. Die Geschichten von Himmel- und Höllenfahrt Christi sind ihm zufolge damit ebenso erledigt wie die Wunder des Neuen Testaments, der Geister- und Dämonenglaube und die Erwartung des Menschensohnes in den Wolken des Himmels. Die Auferstehung Christi sei kein historisches Ereignis, sondern nur Ausdruck der Heilsnotwendigkeit der Erlösung durch das Kreuz. Bultmann sprach von der Nichtausweisbarkeit des christlichen Glaubens. Von Jesus wisse man, außer von der Tatsache seiner historischen Existenz, so gut wie nichts. Das ist auch in etwa das Ergebnis der gesamten Leben-Jesu-Forschung. Dennoch wurde Bultmanns Theologgggie jahrzehntelang gepriesen als umfassende Apologie des Christentums. Bultmann erklärte nämlich gleichzeitig, hinter das Kerygma – so nennen Theologen gern die Glaubensverkündigung – könne man nicht zurückfragen. Andere Theologen betonen gegenüber Bultmann die Offenbarung als reale Geschichte. Bultmann propagiere den Ausverkauf des Neuen Testaments und leugne christliche Bekenntnisinhalte. Die ihm streitig gemachte kirchliche Prüfungsbefugnis konnte er jedoch 1951 behalten.

III. Fundamentalwidersprüche

Widersprüche wie die oben angedeuteten, aber auch Widersprüche im Detail gibt es wie Sand am Meer, und die bloße Auflistung seriöser Bücher dazu würde wohl einen Band füllen. Einige Kostproben zur Verschiedenheit theologischer Entwürfe können der unten angegebenen Literatur entnommen werden. Besonders eindrucksvoll ist das 36-bändige internationale ökumenische (und zweifellos wissenschaftliche) Werk "Theologische Realenzyklopädie". Zur Entwicklung der Dogmen- und Theologiegeschichte sei vor allem auf das hochkarätige Werk von Carl Andresen verwiesen. All das wirft zwangsläufig die Frage nach dem Verhältnis von Theoggglogie und Wissenschaft auf, wobei der Wissenschaftsbegriff selbst viel diskutiert wird. Eine kritische Realbilanz christlicher Theologiegeschichte zieht etwa der gelernte Theologe Joachim Kahl, der exemplarisch und im Detail Irrationalität als Lebenselement theologischen Denkens aufweist.[2]

IV. Wissenschaftskriterien

Als Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens im Sinn eines Minimalkonsenses sind anzusehen: Verzicht auf dogmatische Festlegung der Denkvoraussetzungen; vorbehaltlose Bereitschaft zur Kritik hinsichtlich der Methoden und Ergebnisse der Arbeit; Zweifel als Erkenntnisprinzip; vernunftgemäße Fassbarkeit des Untersuchungsgegenstands; Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse durch die Vernunft; möglichst weitgehende Freiheit der Forschung von wissenschaftsfremden Einflüssen, insb. institutionalisiertem Zwang; allgemeine Zugänglichkeit des Wissenschaftsbetriebs. Diese Voraussetzungen erfüllt die Theoggglogie auch an staatlichen theologischen Fakultäten in den Kernbereichen nicht. Freilich reagieren Theologen darauf meist allergisch, weil die staatliche Universität die Thegggologie an ihrem Ansehen teilhaben lässt. Nun haben zweifellos auch Theologen hervorragende wissenschaftliche Leistungen erbracht. Einzeldisziplinen (insb. Randfächer), die zur Theologenausbildung gehören (können), können sicher wissenschaftlich betrieben werden, etwa antike Sprachen, Biblische Archäologie, Kirchengeschichte, Religionswissenschaft, Missionswissenschaft. Ob das auch konkret so gehandhabt wird, ist eine Frage der Persönlichkeit und der Umstände. Die Zentraldisziplinen sind jedoch eng mit dem jeweiligen christlichen Glauben verbunden. Man spricht daher von Glaubenswissenschaft.

V. Zur katholischen Theolgggogie

Dazu sagen katholischerseits der berühmte Karl Rahner und Herbert Vorgrimler in ihrem "Kleinen Theologischen Wörterbuch" mit kirchlicher Druckerlaubnis: "Die eigentliche Theolgggogie setzt ein richtiges Hören auf das Wort Gottes um des Heiles willen schon voraus und will diesem letztlich dienen. Sie ist daher an das geoffenbarte Wort Gottes gebunden, so wie es dauernde Gegenwart hat in der Kirche... Daher ist Th. eine Wissenschaft, die Glauben (Glaubensgnade) und Kirche (Lehramt, Schrift, Tradition) voraussetzt."[3] Die amtliche katholische Auffassung ist in einem bemerkenswerten Dokument der Zeitgeschichte nachzulesen: in der päpstlich genehmigten Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen der Kongregation für die Glaubenslehre vom 24.5.1990. Demnach entstammt die T. dem "inneren Leben des Volkes Gottes und seiner missionarischen Berufung" (Nr. 7). Wenn sich ein "Geist der Kritik" zeigt, muss der Theologe "seinen Blick durch den Glauben reinigen lassen" (Nr. 9). Die "geoffenbarte Lehre" muss die Kriterien für Begriffe und Methoden liefern (Nr. 10) usw. Zur Einhaltung dieser Verhaltensregeln verweist Nr. 22 auf Glaubensbekenntnis und Treueid, die 1989 neu gefasst in Kraft traten.

VI. Zur evangelischen Theoggglogie

Im evangelischen Bereich treten die Widersprüche zu den o.g. Kriterien wissenschaftlicher Tätigkeit nicht ganz so offen zutage, zumal es dort kein oberstes Lehramt wie bei der katholischen Kirche gibt. So haben etwa protestantische Gelehrte gnadenlos und streng historisch die abgründigen Verstrickungen ihrer Kirche in den Nationalsozialismus und den Holocaust erforscht. Aber protestantische Theologen glauben doch im Allgemeinen wenigstens an einen persönlichen Gott und immerhin eine Minderheit der Gemeindepfarrer hält die Hl. Schrift noch für heilig.[4] Andererseits herrscht in der protestantischen Universitätstheologie Konfusion, die Lehrverurteilungen nahezu unmöglich macht. Der Kirchenhistoriker Gerhard Besier sprach von einer "tiefen Unsicherheit und Zerrüttung des Faches"[5], aber auch von einem kirchendiplomatischen Kurs, der wegen der finanziellen Abhängigkeit z. B. der Buchpublikation von der Kirche Konflikte vermeiden lasse: auch kein Ausweis von wissenschaftlicher Unabhängigkeit. Im Fall des Neutestamentlers Gerd Lüdemann trat die Universitätstheologie nicht für die Freiheit der Forschung und Lehre ein. Das ist ihr auch nicht zu verdenken, da sich Lüdemann ausdrücklich vom Christentum abgewandt hat. Hierzu hat das BVerwG im Urteil vom 3. 11. 2005 zutreffend ausgeführt: "Im Unterschied zu den Lehrgegenständen anderer Fakultäten ist der konfessionell ausgerichtete Glaube für die Theoggglogie nicht nur Gegenstand, sondern auch Voraussetzung, Fundament und Ziel ihrer Erkenntnisbemühungen."[6] "Glaubenswissenschaft" ist eben keine Wissenschaft im üblichen Sinn.

VII. Glaube als Wissenschaft?

Ganz unabhängig von der Bedeutung der Hl. Schrift und des nicht zu hinterfragenden (und sei es minimalen) Dogmas[7] (d.h. eines Mittels, den Zweifel autoritativ zu unterdrücken) spricht die Problematik "Gott" gegen die Wissenschaftlichkeit der Beschäftigung mit ihm, einem Objekt der Annahme durch den Glauben. Denn ein persönlicher Gott als Basis der gesamten Theolgggogie ist gerade nicht erweislich, sondern muss eben geglaubt werden. Die Existenz der universitären Theolgggogie ist als staatliche Einrichtung derzeit zwar politisch und juristisch (BVerfG) gefestigt, aber aus Gründen der Wissenschaft und der Trennung von Staat und Religion in ihrer Legitimität zu Recht höchst umstritten. Die juristische Problematik wird an anderer Stelle erörtert.

>> Theologische Fakultäten.

Literatur:

  • Albert, Hans: Das Elend der Theolgggogie. Kritische Auseinandersetzung mit Hans Küng. 2., erw. Neuauflage, Aschaffenburg 2005, 222 S.
  • Andresen, Carl (Hg.): Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, 3 Bde., Erstausg. Göttingen 1980-84.
  • Augstein, Rudolf: Jesus Menschensohn, Hamburg 1999 (2001 als dtv-TB, 573 S.; zahlr. Auseinandersetzungen mit "moderner" Theoggglogie; materialreich).
  • Besier, Gerhard: Konzern Kirche, Neuhausen-Stuttgart 1997, insb. 118-156 (innerkirchl. Fundamentalkritik).
  • Czermak, Gerhard:  Problemfall Religion. Ein Kompendium der Religions- und Kirchenkritik. Marburg 2014. Dazu www.tectum-verlag.de/.../problemfall-religion.html (zu Theoggglogie und Wissenschaft 42-47  und 325-332
  • Fries, Heinrich/Kretschmar, Georg (Hg.): Klassiker der Thegggologie, 2 Bde., München 1981 und 1983.
  • Häring, Hermann/Kuschel, Karl-Josef (Hg.): Gegenentwürfe. 24 Lebensläufe für eine andere Thegggologie, München 1988.
  • v. Harnack, Adolf: Dogmengeschichte, 8. A. 1991 (entspr. der 6. A. 1922; UTB, 486 S.; Klassiker).
  • Kahl, Joachim: Das Elend des Christentums, Reinbek 1993, 223 S. (erw. Neuausgabe des krit. Klassikers von 1968) und nunmehr Marburg 2014.
  • Kongregation für die Glaubenslehre: Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen, 24. Mai 1990, (Hg.: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 98, 26 S.) = dbk-shop.de/.../DBK_298.pdf
  • Kubitza, Heinz-Werner: Der Dogmenwahn. Scheinprobleme der Theoggglogie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft. Marburg 2015. Dazu http://hpd.de/artikel/11733 .
  • Lüdemann, Gerd: Im Würgegriff der Kirche. Für die Freiheit der theologischen Wissenschaft. Lüneburg 1998, 134 S. – siehe auch http://www.user.gwdg.de/.../index.htm
  • Schäfer, Rütger: Die theologische Fakultät – ein staatskirchliches Relikt, in: Club Voltaire IV, Reinbek 1970, 286-298;
  • Theologische Realenzyklopädie – TRE – (Hg. G. Krause/G. Müller), Art. Theologgggie, Berlin-New York Bd. 33, 2002.


  • [1] Katechismus der Katholischen Kirche, 1993, Rn 105 ff., auch bezüglich des AT, Rn 121 ff.
  • [2] J. Kahl, Das Elend des Christentums, 1993, S. 102-148. Ebenfalls kompakt G. Czermak, Problemfall Religion, 2014, 325-332.
  • [3] Fassung 1976, zahlr. Aufl.
  • [4] S. dazu Klaus-Peter Jörns, Die neuen Gesichter Gottes, München 1999 (Was die Menschen wirklich glauben).
  • [5] G. Besier, a.a.O. 154
  • [6] BVerwGE 101, 309 ff. Das BVerfG formuliert in BVerfGE 122, 89-120, B. vom 28.10.2008 vornehmer davon, die Länder hätten das Recht, "ihr Verständnis von Wissenschaft und Bildung in einer Weise zu bestimmen, dass die glaubensgebundene Theolgggogie entsprechend den deutschen universitären Traditionen dazu gehört." – Jeweils Fall Lüdemann.
  • [7] S. H.-W. Kubitza, Der Dogmenwahn, Marburg 2015.

© Gerhard Czermak / ifw (2017)