Wirtschaftstätigkeit der Kirchen

I. Teilnahme am Wirtschaftsverkehr und Schutz der Religionsfreiheit

Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften können wie Jedermann nach den allgemeinen Regeln am Wirtschaftsverkehr teilnehmen und Gewinne machen. Das geschieht regelmäßig in den dafür vorgesehenen Rechtsformen wie GmbH usw. Gewerberechtliche Bestimmungen sind zu beachten. Probleme ergeben sich, wenn die Religionsgemeinschaften dabei den besonderen Schutz des Art. 4 GG in Anspruch nehmen wollen. Wenn die Wirtschaftstätigkeit mit der Absicht verbunden ist, durch ihren Erfolg die dazugehörige Religionsgemeinschaft zu fördern, ändert das allein ihren rechtlichen Charakter nicht.

Eine Ausnahme macht die ganz h. M. im Anschluss an das BVerfG in den Fällen, in denen die – äußerlich gesehen – normale Wirtschaftsleistung wesentlicher Ausdruck religiöser Überzeugung ist und dies auch in einem organisatorischen Zusammenhang mit der Religionsgemeinschaften steht, der nach objektiven Kriterien überprüfbar ist. Ein solcher Zusammenhang wird angenommen bei den Einrichtungen von Diakonie und Caritas, obwohl diese organisatorisch vollständig von der Kirche getrennt sind und selbst nicht einmal Religionsgemeinschaften darstellen. Sonst wird das für die Inanspruchnahme von Art. 4 GG aber stets gefordert. Die arbeitsrechtlichen Folgen dieser extremen Ausweitung der Religionsausübungsfreiheit über die Kultusfreiheit hinaus sind erheblich. Die sich tendenziell verstärkende Kritik knüpft daran an, dass die äußerlich erkennbaren Dienstleistungen (Alten- und Krankenpflege, Operationen usw.) ja religionsneutral sind und ein zusätzlicher Schutz aus Art. 4 GG daher nicht nahe liegt.

1983 hat das BVerfG Religionsgemeinschaften i. S. des Art. 137 V WRV für konkursunfähig erklärt.[1] Das bedeutet, dass sie heute nicht dem Insolvenzrecht (SGB III) unterliegen und daher kein Insolvenzgeld zahlen müssen. Das überzeugt aber nicht.[2]

II. Einzelaspekte

Da Religionsgemeinschaften für ihre Existenz und Verbreitung auf wirtschaftlich-finanzielle Grundlagen angewiesen sind, ist der große Umfang wirtschaftlicher Tätigkeit einer Religionsgemeinschaft allein anerkanntermaßen kein Grund, ihr den Charakter einer Religionsgemeinschaft abzusprechen. Die (im Einzelnen umstrittene) Grenze verläuft dort, wo die Existenz einer umfassenden religiös-weltanschaulichen Lehre nur einen Vorwand darstellt, um einem Wirtschaftsunternehmen Rechtsvorteile zu verschaffen. Der eigentliche Zweck darf nicht nachweislich nur in der Gewinnerzielung liegen. In der deutschen Praxis wird das Vorliegen einer Religionsgemeinschaft im Rechtssinn im Wesentlichen nur der "Scientology Church" abgesprochen.

Die umfassenden Steuerbefreiungen für Religionsgemeinschaften sind bekannt, sie gelten aber nur im Rahmen des Art. 4 GG (s. o.). In der Verwaltungs- und Gerichtspraxis hat vor allem in den 1980 er Jahren neben dem Straßen- und Wegerecht das Gaststättenrecht eine größere Rolle gespielt. Häufig ging es um den heute nicht mehr aktuellen Betrieb von Diskotheken durch die Bhagwan (später: Osho)-Bewegung. Behörden weigerten sich immer wieder, die erforderlichen Genehmigungen zu erteilen, drangen damit aber bei den Gerichten nicht durch. Immer wieder hat die Frage eine Rolle gespielt, ob ein ins Vereinsregister einzutragender Idealverein im Sinn des § 21 BGB vorliegt oder ob die Vereinigung "auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet" ist (§ 22 BGB). Anerkannt wird beim Idealverein ein "Nebenzweckprivileg". Es schadet demnach dem Vereinscharakter nicht, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit eines Vereins einem religiösen Hauptzweck zu- und untergeordnet ist. Der Verkauf von Büchern oder die entgeltliche Verpflegung von Veranstaltungsbesuchern ist daher ohne weiteres möglich.

III. Kirchliche Wirtschaftspraxis

Die großen Kirchen entfalten in Deutschland eine umfangreiche Wirtschaftstätigkeit, die erstmals Carsten Frerk näher untersucht hat. Es handelt sich um Unternehmen in vielen Wirtschaftsbereichen, an denen die Kirchen (insb. Diözesen und Landeskirchen sowie Stiftungen) in mehr oder weniger großem Umfang und entsprechend am Gewinn beteiligt sind. Es geht um Banken, Fonds, Versicherungen, Siedlungswerke, Touristik, Gastronomie, Immobilienverwaltung, Handel, Brauereien, Medienunternehmen, Wirtschaftsbetriebe von Stiftungen und Ordensgemeinschaften. Man kann zu den Erträgen zumindest so viel sagen, dass sie wohl nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was die Kirchen an Subventionen und sonstigen finanziellen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden erhalten. Es gibt dazu keine kirchlichen Statistiken.

>> Arbeitsrecht; Kirchenfinanzierung; Religionsausübungsfreiheit; Sekten; Sozialeinrichtungen; finanzielle Vergünstigungen; Straßenrecht.

Literatur:

  • BVerwGE 105, 313 = NJW 1998, 1166, U. v. 6.11.1997 (Scientology Stuttgart; Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs).
  • Frerk, Carsten: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, Aschaffenburg 2002, 435 S.
  • Schwarz, Friedhelm: Wirtschaftsimperium Kirche. Der mächtigste Konzern Deutschlands. Hamburg 2005, 220 S.

  • [1] BVerfGE 66,1.
  • [2] Näher C. D. Classen, Relig.ionsrecht, 2. A. 2014, S. 201; C. Walter, Religionsverf.assungsrecht, 2006, 575-578.

© Gerhard Czermak / ifw (2017)