Datenschutz

I. Kirchliche Datenschutzgesetze

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutzgesetze der Länder gelten nicht für die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, was sich aus den Gesetzestexten freilich nur indirekt ergibt. § 15 IV BDSG enthält die Regelung, dass personenbezogene Daten (Hauptbeispiel: melderechtliche Daten) an Stellen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften übermittelt werden dürfen, sofern sichergestellt ist, dass bei dem Empfänger ausreichende Datenschutzmaßnahmen getroffen werden. Schon aus diesem Grund haben die Evangelische Kirche in Deutschland und die Bistümer der Katholischen Kirche in Deutschland eigene Datenschutzvorschriften erlassen, die jedoch weitgehend an die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes angepasst sind. Sie sehen auch kirchliche Datenschutzbeauftragte vor. Der Datenschutzbeauftragte der EKD hat seinen Sitz in Berlin, der des Verbandes der Diözesen Deutschlands in Bonn. Hinzu kommen Beauftragte der Landeskirchen und der Diözesen. Die Religionsgemeinschaften verarbeiten personenbezogene Daten ihrer Amtsträger, Mitglieder, Mitarbeiter, Spender und ggf. betreuten Personen. Es handelt sich um riesige Datenmengen. Begründet wird die staatliche Sonderregelung mit dem religiösen Selbstbestimmungsrecht, Art. 137 III GG/140 WRV. Das überzeugt so allgemein aber nicht, weil ja gem. Art. 137 III 1 WRV die allgemeinen staatlichen Gesetze das Selbstbestimmungsrecht begrenzen.

II. Recht der EU

Der Brüsseler Kommissionsentwurf einer EG-Datenschutzrichtlinie von 1995 hatte die Erhebung von empfindlichen personenbezogenen Daten wie ethnische Herkunft, Gewerkschaftszugehörigkeit, politische Meinungen und auch religiöse Überzeugungen untersagt. Das hätte zur Folge gehabt, dass das deutsche System des umstrittenen staatlichen Kirchensteuereinzugs mit seiner ebenso fragwürdigen Zwischenschaltung der Arbeitgeber zusammengebrochen wäre, da es ohne Erhebung der Religionszugehörigkeit nicht funktioniert. Die Wachsamkeit der deutschen Kirchen führte jedoch zu einer EG-rechtlichen Ausnahmeklausel. In der Sonderregelung der Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr heißt es unter Erwägungsgrund 35: "Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen für verfassungsrechtlich oder im Völkerrecht niedergelegte Zwecke von staatlich anerkannten Religionsgesellschaften erfolgt ebenfalls im Hinblick auf ein wichtiges öffentliches Interesse."

Das Problem dabei ist, dass die EG-Richtlinie erst noch in nationales Recht überführt werden müsste. Auch sieht die EG-Richtlinie eine unabhängige staatliche Kontrollstelle vor, so dass der kirchliche Datenschutz nicht dem EU-Recht entspricht. Das würde bedeuten, dass das BDSG in richtlinienkonformer Anwendung grundsätzlich doch auf die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften anzuwenden wäre. [1] Kirchlich orientierte Autoren vertreten freilich die Meinung, die EG-Richtlinie sei grundsätzlich nicht auf Religionsgemeinschaften anwendbar. In einer EU-Neuregelung sollen Sonderregeln ergehen (Aufsicht, Beichtgeheimnis).

Die Problematik bedarf der weiteren Untersuchung.

III. Gefahren und Rechtsverstöße

1. Die Erhebung religionsbezogener Personendaten kann existenzgefährdend sein, wenn religiöse Minderheiten, denen jemand angehört, zu "Sekten" erklärt und staatlich beobachtet werden. Eine Vorreiterrolle spielte dabei Schleswig-Holstein. Es fügte seiner bis 2000 geltenden Fassung des Datenschutzgesetzes 1994 einen § 29 a ein, wonach der Staat vor "Sekten" und den damit verbundenen Einrichtungen warnen darf, um eine Gefährdung von Leib, freier Willensentschließung, Eigentum und Menschenwürde zu vermeiden. Hierzu durfte der Staat bei anderen Stellen auch Erkundigungen über Personen einholen und über diese ggf. andere Stellen selbst außerhalb des öffentlichen Bereichs informieren. Das bedeutet, dass das als grundsätzlich "uneinschränkbar" geltende Grundrecht der Glaubensfreiheit aufgrund einer Generalklausel erheblichen Eingriffen ausgesetzt wurde. Es war ja mit erheblichen Diskriminierungen zu rechnen.

Gerade in Sachen Weltanschauung ist aber staatliche Bevormundung sehr problematisch (s. die eindringliche Kritik von Alberts). Obwohl die einschlägige Enquête-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des Bundestags die Behauptung einer gesamtgesellschaftlichen Gefährdung durch das insgesamt kleine Spektrum dieser Gruppen klar widerlegt hat, hat Schleswig-Holstein auf der Basis seines 2000 neugefassten Landesdatenschutz-Gesetzes eine eigene Dokumentationsstelle "Sekten und sektenähnliche Vereinigungen" eingerichtet und dazu die zitierte Vorschrift in modifizierter Form erneuert. Laut § 25 DSG-SH 2000 konnte diese Stelle dokumentieren und informieren, "sofern tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass von deren Wirken Gefahren für die Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum ausgehen, insbesondere dass Personen in ihrer Willensfreiheit eingeschränkt werden". Die Behörde konnte dann auch "personenbezogene Daten erheben und weiterverarbeiten". Die Vorschrift wurde mittlerweile aufgehoben.

Auch Gesetze anderer Bundesländer lassen aus ähnlichen Gründen die Datenerhebung zu, etwa Bayern in Art. 15 DSG (wenn es "zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist"). Solche Aktivität bedarf der kritischen Begleitung, denn die Religionsfreiheit ist unteilbar und gilt auch für als "obskur" empfundene "Sekten", und rational nicht nachvollziehbare Aussagen machen auch etablierte Religionen.

2. Dringend einer genaueren Prüfung im Hinblick auf das Schweigerecht des Art. 136 III 1 WRV/140 GG müssten die jetzigen melderechtlichen und personenstandsrechtlichen Vorschriften unterzogen werden, soweit sie die Weitergabe persönlicher Daten an die Kirchen betreffen. Dabei wurden Informationsverbünde geschaffen bzw. aufrechterhalten (Erfassung der Religionszugehörigkeit der Ehegatten, ja des ganzen Mitgliederbestandes von Religionsgemeinschaften; Problematik des Lohnsteuerkartenvermerks; Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften).

>> Kirchenlohnsteuer; Sekten; Selbstverwaltungsrecht.

Literatur:

  • Alberts, Hans W.: Diskriminierung durch Datenschutzgesetze, in: Computer und Recht 1995, 422-429.
  • Korioth, Stefan: in Maunz/Dürig, GG, Kommentierung zu Art. 136 I WRV/140 GG (Stand 2003; monographisch).
  • Simitis, Spiros (Hg.): Bundesdatenschutzgesetz, 8., neu bearb. A. München 2014, 2072 S. (Kommentar).
  • www.datenschutz-kirche.de ;
  • www.ekd.de/datenschutz/datenschutz.html

  • [1] Vgl. C. D. Classen, Religionsrecht, 2. A. 2014, 174.

© Gerhard Czermak / ifw (2017)