Laizismus

I. Begriff und Geschichte
Laizismus – ein Gegenbegriff zum Klerikalismus – zielt auf weitmögliche Abdrängung der religiösen Sphäre ins Private. „Laizismus“ leitet sich aus dem französischen „laicisme“ ab und bedeutet die Trennung des gesamten öffentlichen Lebens (Staat, Gesellschaft, Recht, Kultur) von Kirche und Religion. Die laizistische Bewegung trat in den meisten katholischen Ländern auf und führte in Frankreich zum (abgesehen von den drei östlichen Departements) ziemlich konsequenten Trennungsgesetz von 1905. Das geschah nicht ohne Grund. Verwiesen sei nur auf den Syllabus errorum Pius’ IX., 1864; das Unfehlbarkeitsdogma und den Jurisdiktionsprimat, 1870; das entwürdigende römische Judenghetto als letztes in Europa, ebenfalls bis 1870; die berüchtigte Dreyfus-Affäre (vgl. zum Ganzen Kath. Kirche und Moderne). Zum französischen Trennungsgesetz schrieb auch Axel v. Campenhausen, einer der bekanntesten Vertreter des herkömmlichen „Staatskirchenrechts“ (s. Weltanschauungsfreiheit): „Auch Katholiken erkennen heute an, dass der Laizismus als Reaktion gegen kirchliches Machtstreben nicht unverständlich war.“[1]

Der ideologische Charakter der laizistischen Gesetze wurde in Frankreich in der Rechtspraxis allmählich abgemildert und man sprach nicht mehr von „laicisme“, sondern von „laicité“, der Laizität des Staats. Dieser enthält sich der religiös-weltanschaulichen Fragen, wahrt dabei aber, ggf. wohlwollende, Unparteilichkeit gegenüber allen religiös-weltanschaulichen Richtungen. Eine so verstandene a-konfessionelle, aber nicht kirchenfeindliche Laizität unterscheidet sich nicht wesentlich von der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats in Deutschland, wenngleich die Akzente in Deutschland und Frankreich trotz konvergierender Tendenzen (die auch im Trennungssystem der USA nicht zu übersehen sind) nach wie vor unterschiedlich sind (s. Staat und Religion - Grundmodelle).

II. Laizismus als Schreckgespenst
1. Vor allem dem Wort „Laizismus“, von dem das moderatere „Laizität“ abgeleitet ist, haftet in Deutschland ein besonderer Geruch der Kirchenfeindlichkeit an. Es bedeutet, wie ausgeführt, in etwa Zurückdrängung der Religion aus Staat und Gesellschaft. Konservativ-kirchlich gesonnene Leute benutzen es in der gesellschaftlich-rechtlichen Auseinandersetzung gerne, um Diskussionsgegner, deren Sachargumente ihnen nicht gefallen, von vorneherein zu diskreditieren. So müssen Befürworter einer ernst genommenen religiös-weltanschaulichen Neutralität damit rechnen, dass ihre konkreten Positionen als „laizistisch“ denunziert werden. Man braucht sich dann vielleicht mit ihnen nicht mehr auseinanderzusetzen. Das gilt insbesondere auch dann, wenn diese Ansichten gut begründet sind. Dabei weiß jeder halbwegs Informierte, dass das GG gerade nicht laizistisch ist (s. Weltanschauungsfreiheit). So hat man insbesondere dem langjährigen Hauptkritiker der traditionellen, besonders kirchenfreundlichen Handhabung des Rechtsgebiets, Ludwig Renck, immer wieder vorgeworfen, er vertrete laizistische Positionen. Solche hat Renck aber noch nie vertreten (s. unten), und er verwahrte sich gegen solche Unterstellungen.

2. Im rechtspolitischen Kampf wird in Deutschland immer wieder ein allgemeiner Popanz gegenüber „laizistischen“ Tendenzen aufgebaut. So schrieb etwa v. Campenhausen (ähnlich wie viele andere Autoren) in seinem Lehrbuch „Staatskirchenrecht“, gegenüber dem „laizistischen Missverständnis“ sei festzustellen, dass den Religionsgemeinschaften kein Ghetto garantiert sei, sondern die Freiheit der Verkündigung und der erzieherischen, kulturellen und sozialen Arbeit. [2] Eine solche Feststellung ist aber für die Bundesrepublik durch nichts veranlasst. Es dürfte keinen einzigen juristischen Autor geben, der diese Freiheit kritisiert. Insbesondere geht auch der Vorwurf fehl, die Thesen des – seinerzeit von Kirchenleuten überaus gehässig angefeindeten - FDP-Kirchenpapiers von 1974 seien laizistisch. Geradezu zur political correctness gehörte es bei vielen „Staatskirchenrechtlern“ (zur Terminologie s. Weltanschauungsfreiheit), das alternative Standardwerk von Erwin Fischer, Trennung von Staat und Kirche, als laizistisch abzutun. Mit diesem (auch bei Nichtbilligung eines Teils seiner Rechtsauffassungen) unberechtigten Vorwurf hat sich Fischer 1984 eingehend – aber vergeblich – auseinandergesetzt. Er vertritt Laizität, nicht Laizismus.

3. Die 2010 auf Bundesebene gegründete Arbeitsgemeinschaft „Laizistinnen und Laizisten in der SPD“ hat leider den Begriff Laizismus gewählt, obwohl sie die Kirchen nicht aus der Gesellschaft verdrängen will, sondern nur auf Neutralität und Abbau unberechtigter Privilegien zielen, also Positionen der Laizität vertreten, wie vergleichbare Vereinigungen anderer politischer Parteien auch. Das gilt auch für die „Laizisten“ der Partei DIE LINKE und den „Bundesweiten Arbeitskreis Säkulare Grüne“. Seit 2016 heißen die SPD-Laizisten zutreffend "Säkulare Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.

Abschließend kann man empfehlen, konkrete Begründungen zu verlangen, wenn der Laizismus-Vorwurf erhoben wird, und die Positionen kritisch zu vergleichen.

FDP Kirchenpapier; Katholische Kirche und Moderne; Klerikalismus; Neutralität; Weltanschauungsfreiheit; Staat und Religion - Grundmodelle.

Literatur:

  • Bitter, Stephan, in: EvStL 2006, Art. Laizismus.
  • v. Campenhausen, Axel, in: EvStL 1987, Art. Laizismus.
  • Fischer, Erwin: Trennung von Staat und Kirche, 3. A. 1984 (38-40 zum Laizismusvorwurf). 

  • [1] A. v. Campenhausen, EvStL 1987, Art. Laizismus.
  • [2] A. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 96.
Laizismus, Laizität

© Gerhard Czermak / ifw (2017)