Asylrecht

Das deutsche Asyl.recht (Art. 16 a GG) schützt nach allgemeiner Ansicht auch die politische Verfolgung wegen der Religionsausübung. Schon die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die auch unmittelbar geltendes Bundesrecht ist, schützt vor Ausweisung oder Zurückweisung in ein Land wegen Bedrohung von Leben und Freiheit u. a. aus Gründen der Religion. Im Aufenthaltsgesetz von 2004, dem Nachfolger des Ausländergesetzes, heißt es in § 60, ein Ausländer dürfe "nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist."

Die deutsche Rspr. erkennt verständlicherweise eine religiöse Verfolgung nur dann als asylerheblich an, wenn das religiöse Existenzminimum verweigert wird. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beeinträchtigungen ein solches Gewicht erhalten, dass sie in den elementaren Bereich eingreifen, den der Einzelne unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde zu seinem Leben-Können als sittliche Person benötigt. Man gesteht ihm dann eine ausweglose Lage zu. Mit den Worten des BVerwG: "Politische Verfolgung durch staatliche oder dem Staat zurechenbare Eingriffe in die Religionsfreiheit ist ... etwa dann gegeben, wenn den Angehörigen einer religiösen Gruppe unter Androhung von Strafen an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe ihres Glaubens zugemutet wird oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Bereich und unter sich zu bekennen." Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit einschließlich der Missionierung gehören aber nicht zum religiösen Existenzminimum. Weitere Einzelheiten, hier zur Problematik von iranischen Muslimen, die zu Christen konvertiert sind, finden sich in einem Urteil des BVerwG aus dem Jahr 2004. Das heute weniger aktuelle, seinerzeit aber heiß umstrittene Thema Kirchenasyl liegt auf einer anderen Ebene und wird daher gesondert behandelt.

Der EuGH erklärte auf Vorlage des BVerwG mit U. vom 5. 09. 2012 - C-71/11, C-99/11, u. a.: Der subjektive Umstand, dass für den Betroffenen (im Streitfall Ahmadyyas) die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis in der Öffentlichkeit, die Gegenstand der beanstandeten Einschränkungen sei, zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sei, stelle einen relevanten Gesichtspunkt ist bei der Beurteilung der Größe der Gefahr dar, der der Antragsteller in seinem Herkunftsland wegen seiner Religion ausgesetzt wäre. Das gelte selbst dann, wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis keinen zentralen Bestandteil für die betreffende Glaubensgemeinschaft darstelle.

Auf die komplizierte Rechtslage kann hier nicht näher eingegangen werden. Es soll jedoch noch knapp auf die Situation der wegen ihres Unglaubens Verfolgten eingegangen werden. In der Vergangenheit wurde Ex-Muslimen der Asyl- oder Flüchtlingsstatus verweigert, da bei ihnen das "religiöse Existenzminimum", das heißt: die "Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich" sowie "das gemeinsame Gebet und der Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit", nicht gefährdet sei. Dass die öffentliche Abkehr vom Islam in Ländern wie dem Iran mit der Todesstrafe geahndet wird, schien das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und auch die deutschen Richter nicht sonderlich zu interessieren. Das änderte sich erst 2010, als ein renommierter Anwalt zusammen mit der Vorsitzenden des Zentralrats der Ex-Muslime in einem Asylfolgeantrag bei einer Anhörung unter Schilderung der dramatischer Lage iranischer Ex-Muslime (Todesstrafe) erreichte, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Abschiebungsandrohung aufhob (Fall Siamak Zare) und den Flüchtlingsstatus anerkannte.

Das Verwaltungsgericht Kassel hatte die Ansicht vertreten, die öffentliche Abkehr vom muslimischen Glauben stelle keinen hinreichenden Asylgrund dar, da in Zares Fall das "religiöse Existenzminimum" nicht gefährdet sei. Es umfasse nämlich "neben der Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich das gemeinsame Gebet und den Gottesdienst mit Gleichgesinnten abseits der Öffentlichkeit". Siamak Zare hatte als humanistischer Atheist freilich kein Interesse an Gebeten und Gottesdiensten. Und so verstiegen sich die Richter zu der ungeheuerlichen Behauptung, dass Zare als religionsfreier Mensch überhaupt nicht religiös verfolgt werden könne und deshalb auch keinen Anspruch auf Asyl habe. Dabei wurden im Iran gerade säkulare Gegner des Regimes verfolgt und ermordet, und Atheisten galten als eine noch größere Systembedrohung als Konvertiten zum Christentum (Dokumentation www.exmuslim.net ).

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Literatur:

  • BVerfGE 76, 143 (Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft);
  • BVerfGE 83, 216 (Jeziden);
  • BVerwGE 120, 16 = Asylmagazin 5/2004, U. v. 20. 1. 2004 – 1 C 9.03 (https://dejure.org  - iranische Konvertiten).
  • EuGH U. 5. 9. 2012, https://dejure.org (Flüchtlingsstatus)
  • Dietz, Andreas: Ausländer- und Asyggglrecht. Einführung. UTB-Nomos 2016

© Gerhard Czermak/ ifw (2017)