Das BVerfG bekräftigt noch nach fast 30 Jahren im Wesentlichen die Gründe, die schon im Kommentar zu BVerfGE 70, 138 von 1985 stark kritisiert worden waren. Die Gerichte könnten die Darlegungen des kirchlichen Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin überprüfen. In Zweifelsfällen hätten sie aber die einschlägigen Maßstäbe der verfassten Kirche durch Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden oder erforderlichenfalls durch ein kirchenrechtliches oder theologisches Sachverständigengutachten aufzuklären. Keine Bindung an das so ermittelte Selbstverständnis der RG bestehe nur bezüglich der Grundprinzipien der Rechtsordnung (allgemeines Willkürverbot, guten Sitten i.S. des§ 138 Abs. 1 BGB und ordre public). Die Loyalitätsmaßstäbe hätten die RG im Übrigen autonom zu treffen.
In einer zweiten Prüfungsstufe hätten die Gerichte den so ermittelten religiösen Maßstäben den Interessen und Grundrechten der Arbeitnehmer gegenüberzustellen, und zwar in einer offenen Gesamtabwägung. "Dem Selbstverständnis der Kirche ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. hierzu auch: BVerfGE 53, 366 <401>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfG-K 12, 308 <333>), ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen." Selbst ein erkennbar schwerwiegender Loyalitätsverstoß entbinde die staatlichen Arbeitsgerichte nicht von der Pflicht zur Abwägung der kirchlichen Interessen mit den Belangen des Arbeitnehmers. Nach eingehender Auseinandersetzung mit der Rspr. des EGMR erklärte das BVerfG: Das Urteil des BAG werde dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht nicht ausreichend gerecht. Der Inhalt der Obliegenheiten nach der kirchlichen arbeitsrechtlichen Grundordnung (GrO) und der Konsequenzen von Zuwiderhandlungen sei dem Kläger hinreichend klar gewesen. Als leitendem Mitarbeiter hätten für ihn gesteigerte Anforderungen gegolten. Er habe ein persönliches "Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" auch im außerdienstlichen Bereich geben müssen. Aus kirchlicher Sicht mache es, im Gegensatz zur Ansicht des BAG, einen erheblichen Unterschied, ob ausnahmsweise auch Personen mit geringeren Obliegenheitspflichten beschäftigt würden, oder Personen, die wegen ihrer Kirchenmitgliedschaft ihre Position bevorzugt erhalten hätten. Wenn das BAG wegen früherer Weiterbeschäftigung von Chefärzten trotz Wiederheirat auf ein vermindertes Kündigungsinteresse geschlossen habe, habe es seine Einschätzung unberechtigt an die der Kirche gesetzt, weil es sich um besondere Einzelfälle gehandelt habe. Entsprechendes gelte für die nach BAG gebotene Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten. Zu Unrecht habe das BAG auch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe mit dem Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichgesetzt und daraus falsche Schlüsse auf das Kündigungsinteresse gezogen. Das berücksichtige nicht das zentrale Dogma der Unauflöslichkeit einer gültig geschlossenen Ehe. Auch nach Duldung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft neben einer weiterbestehenden Ehe erreiche der Loyalitätsverstoß durch die Wiederheirat eine neue Qualität. Im Rahmen der Hinweise für das BAG für die erforderliche Neuentscheidung betonte der Senat allerdings die besondere Bedeutung von Ehe und Familie für das gesamte private und öffentliche Recht und verwies auf eine Fülle diesbezüglicher Entscheidungen. Ehe und Familie seien die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft und stünden unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Eine nach Scheidung geschlossene neue Ehe dürfe verfassungsrechtlich nicht geringer bewertet werden als die Erstehe. Das BAG dürfe aber nicht einen Vorrang von Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber den kirchlichen Rechtspositionen vermuten. Das BVerfG bringt auch den Gedanken des Vertrauensschutzes ins Spiel, weil speziell der Arbeitsvertrag des Klägers in Abweichung von der Grundordnung das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe und den Verstoß gegen das Verbot des Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft nicht ausdrücklich unterschiedlich gewertet habe.