Ehe

I. Allgemeine Hinweise

Unter deutschen Verhältnissen ist Eggghe weitgehend eine weltliche Angelegenheit. Eine wichtige Ausnahme ergibt sich aus der katholischen Eheauffassung, wonach die Eggghe ein Sakrament ist, die Eheschließung nach staatlichen Regeln und ihre rechtlichen Folgen aber respektiert werden (s. unten näher). Die evangelischen Kirchen betrachten die Eheschließung hingegen nicht als Sakrament, sondern für sie ist die kirchliche Trauung einfach eine Feierlichkeit, mit der die standesamtliche Eheschließung bekräftigt und eingesegnet wird. Daher sind auch Ehescheidungen von Pfarrern ohne weiteres möglich. Im Islam ist die Eggghe ein schriftlicher privatrechtlicher Vertrag zwischen zwei Familien, dessen Grundzüge im islamischen Recht geregelt sind und die im Grundsatz keine Gleichberechtigung der Frau kennen. Die islamischen Rechtsschulen vertreten hierzu aber unterschiedliche Auffassungen. Dabei werden innerislamische Rechtsinterpretationen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung aber teilweise für möglich gehalten.

II. Zur obligatorischen Zivilehe

Das Verhältnis Staat-Kirche war bezüglich der Eheschließung in Deutschland bis 2007/08 ungereimt. §§ 67 und 67 a des jetzt insoweit aufgehobenen Personenstandsgesetzes (PStG) sahen vor, dass die kirchliche Trauung erst nach der obligatorischen Zivilehe vor dem Standesamt zulässig ist, andernfalls eine (seit 1953 nicht einmal mit Bußgeld bedrohte) Ordnungswidrigkeit vorlag. Zur Entstehungszeit der Regelung während des „Kulturkampfs“ 1875 bedeutete die neu eingeführte obligatorische Zivilehe noch eine gewisse Konkurrenzsituation. Heute ist diese Vorschrift zumindest überflüssig, denn das ständige Zusammenleben von Menschen beiderlei Geschlechts (sogar desselben Geschlechts) ohne staatliche Eheschließung ist heute in Gesellschaft und Recht akzeptiert. Daher ist nicht einzusehen, warum Menschen nicht kirchlich heiraten dürfen, wenn sie, aus was für Gründen auch immer, keine standesamtliche Eggghe eingehen wollen. Eine Umgehung des bisherigen § 67 PStG dergestalt, dass sich in Deutschland Wohnende ohne Zivilehe (z. B. zur Erhaltung des vollen Rentenanspruchs oder einer Ausbildungsförderung) z.B. in Österreich kirchlich (und zwar ohne bürgerliche Wirkung) trauen ließen, war so gesehen überflüssig.

In Österreich hat der Verfassungsgerichtshof das Verbot der kirchlichen Voraustrauung 1955 als Verstoß gegen die Religionsfreiheit betrachtet und aufgehoben. In Deutschland war der bisherige § 67 PStG GG-widrig, denn unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt die kath. Kirche eine Geschlechtsgemeinschaft als innerkirchlich gültige Ehggge anerkennt, geht den Staat der Religionsfreiheit überhaupt nichts an (Selbstverwaltungsrecht; vgl. eingehend, auch zur historischen Entwicklung, Ehlers a. a. O.).[1] Die Aufrechterhaltung der Regelung mit Einverständnis der Kirche bei ihrer wohl gleichzeitig verwaltungsmäßigen Mitwirkung an einer (nur) katholischen Eheschließung deutscher Bürger in Österreich war zudem ein weiteres (kleines) Beispiel für religionsrechtliche Unehrlichkeit und den fehlenden Willen, das Trennungsgebot (Art. 137 I WRV/ 140 GG) ernst zu nehmen. Ab dem 1.1.2009 ist auch in Deutschland die kirchliche Voraustrauung (ohne Standesamt) zulässig. Die großen Kirchen beabsichtigen jedoch keine Änderung und werden nach wie vor das Vorliegen der standesamtlichen Trauung fordern. Das ist im Ergebnis vernünftig und entspricht dem kirchlichen Interesse an einem guten Verhältnis mit dem sie privilegierenden Staat. Hier ging es nur darum, aufzuzeigen, dass der Staat selbst in unbedeutenden Fragen ohne weiteres bereit ist, einen wichtigen Staatsgrundsatz wie das Verbot der r-w Einmischung zu missachten.

III. Katholisches Eherecht

1. Das katholische Eherecht ist im Gegensatz zum deutschen staatlichen Recht (nunmehr §§ 1303 ff. BGB) bezüglich der Eheschließung außergewöhnlich umfangreich (CIC can. 1055 ff.) und enthält viele eigenartig wirkende Regelungen. Die Kirchenrechtlerin Demel spricht von auf den ersten Blick verwirrenden Vorschriften. Für den Katholiken entstehe die paradoxe Situation, dass er je nach Bekenntniszugehörigkeit seines Partners auf dem Standesamt in einem Fall eine zwar bürgerlich gültige, aber kirchlich ungültige, im anderen Fall eine bürgerlich und kirchlich gültige und im dritten Fall schließlich eine bürgerlich gültige und eine kirchlich nicht nur gültige, sondern auch sakramentale Ehggge eingehen kann (Mischehenregelung: can. 1124-1129). Auch in Deutschland hat die kath. Kirche nach 1945 alle Bestrebungen, die Ehescheidung zu erleichtern und das (zu hässlichen gerichtlichen Auseinandersetzungen führende) Verschuldensprinzip durch eine Objektivierung (heute: „Scheitern der Ehggge“) zu ersetzen, jahrzehntelang sehr heftig bekämpft. Dabei hatte niemand den Katholiken ihr Recht bestritten, ihre eigenen Ehevorschriften zu praktizieren.

2. Die katholische Kirche fordert zwar einerseits strikt die lebenslange Dauer der ehelichen Gemeinschaft, andererseits kennt sie zahlreiche Gründe, die zur formalen Ungültigkeit der Eggghe führen. Ehen können durch kirchliche Instanzen in manchmal langwierigen Verfahren für ungültig erklärt werden (Feststellung ihrer Nichtexistenz). Zahlreiche Diözesangerichte erklären ständig Ehen nach Beweisaufnahme ohne Aufsehen für kirchlich ungültig. Bekannt ist die kirchliche Nichtigerklärung der ersten Eggghe der Prinzessin Caroline von Monaco im Jahr 1992 durch den Päpstlichen Gerichtshof (Rota Romana). Vorangegangen waren 1978 eine kirchliche Trauung, 1980 die zivilrechtliche Scheidung und 1983 eine zweite Zivilehe. Zwischenzeitlich prüfte eine päpstliche Sonderkommission auf Betreiben der Familie Grimaldi 11 Jahre, bis 1992 die Rota Romana die Erstehe endgültig für nichtig erklärte. Ein Psychiatrieprofessor hatte in einem Gutachten festgestellt, bei beiden Partnern habe 1978 der Nichtigkeitsgrund der psychischen Eheführungsunfähigkeit (heute: Can. 1095 Nr. 3) vorgelegen. Staatspolitischer Hintergrund des Falls ist der Umstand, dass der Staat Monaco an Frankreich zurückfallen kann, wenn keine Nachkommen vorhanden sind, die aus einer staatlich wie kirchlich gültigen Ehggge stammen. Die zahlreichen kirchenrechtlichen Feinheiten können als juristische Delikatesse bezeichnet werden.[2]

3. Hingewiesen sei auf einige Besonderheiten des katholischen Eherechts. Grundsätzlich kennt das CIC von 1983 es nur Nichtigkeitsgründe wegen Fehlens von Gültigkeitsvoraussetzungen beim „Eheschluss“. Dazu gehört auch die Fähigkeit zum körperlichen Vollzug der Ehggge (can. 1084). Das bedeutet, dass Behinderte ggf. nicht kirchlich heiraten können, während bloße Zeugungsunfähigkeit nicht schadet. Ansonsten gilt die Unauflöslichkeit. Davon gibt es aber Ausnahmen, in denen eine echte Scheidung möglich ist: zum einen, wenn die Ehggge trotz Gültigkeit ausnahmsweise nicht vollzogen wurde (can 1142: päpstlicher Gnadenakt), zum anderen insbesondere das berühmte Paulinische Privileg (Bezug: 1 Kor 7,15; can. 1143 ff.) mit weiteren Fallgestaltungen. Sie betreffen „heidnische“ Ehen, wenn ein nachträglich Getaufter vom Partner verlassen wird oder mit ihm wegen Gefangenschaft oder Verfolgung nicht zusammenleben kann sowie Fälle der Taufe eines bisher in Mehrehe Lebenden.

4. Fragen der Zweitehe waren und sind theologisch seit 2000 Jahren umstritten. Die rigorose Haltung der Päpste Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hat in zahlreichen Fällen der weltlichen Wiederheirat weltlich geschiedener Katholiken (z. B. bei Kindern mit einem neuen Partner) zu persönlichen Dramen mit Verlust des kirchlichen Arbeitsplatzes geführt. Derzeit (2015) ist auch in der Kirchenführung ein Umdenken im Gange.

IV. Islamische Ehen

Eine islamische Besonderheit sind die türkischen Imam-Ehen, die in der Türkei illegal sind und die staatlich-weltlichen Vorschriften unterlaufen, aber zur Anwendung der Scharia führen. Die Imam-Ehen werden benutzt zur Zwangsheirat, Verheiratung Minderjähriger und zur Umgehung des in der Türkei geltenden Verbots der Mehrehe und haben dort große Bedeutung, zumal der Staat regelmäßige Amnestiegesetze mit Legitimierung der Kinder erlässt. Welche tatsächliche Bedeutung die Imamehen in Deutschland haben, bedürfte näherer Untersuchung.

V. Statistisches

Nach Feststellungen von fowid (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland), Fassung 26. 8. 2005, wurden bis Ende der 1960 er Jahre in Deutschland rund 80 % der Ehen auch kirchlich geschlossen. Danach verringerte sich der Anteil der kirchlichen Eheschließungen stetig. 1990 waren es nur noch 55 % und 2002 nur noch 29 %. Das bedeutet, dass nur rund die Hälfte der formellen Kirchenmitglieder sich auch kirchlich trauen lässt, Katholiken etwas mehr als Protestanten.

>> Kirchenrecht; Selbstverwaltungsrecht; Trennungsgebot.

Literatur:

  • HdbKathKR, 2. A. 1999, S. 884-1012
  • Demel, Sabine: Kirchliche Trauung – unerlässliche Pflicht für die Eggghe des katholischen Christen? Stuttgart 1993.
  • Ehlers, Dirk: Die Rechtmäßigkeit des Verbots kirchlicher Voraustrauungen, in: Verfassung, Philosophie, Kirche. FS für Alexander Hollerbach zum 70. Geb., Berlin 2001, 811-833 (die Regelung sei verfassungswidrig);
  • Renck, Ludwig: Staatliche und kirchliche Eheschließung, NJW 1996, 907 f. ;
  • Tillmanns, Reiner: Die Unvereinbarkeit des § 67 PStG mit dem Grundgesetz, NVwZ 2003, 43-49.
  • www.fowid.de (Trauungen).


 

© Gerhard Czermak / ifw (2017)