Arbeitsrechtl. Gleichbehandlung
I. Auswirkungen der religiösen Pluralisierung
Zu ihnen gehören auch die verstärkte Geltendmachung religiös bedingter Forderungen und Wünsche im allgemeinen Arbeitsleben und damit auch das Entstehen von Konflikten. Es geht z. B. um die Zulässigkeit von Fragen in Einstellungsgesprächen, die Verrichtung des vorgeschriebenen islamischen Gebets, die Rücksichtnahme auf religiöse Feiertage, religiöse Kleidung, insbesondere das islamische Kopftuch, religiöse Propaganda, die religiös begründete Weigerung, bestimmte Tätigkeiten auszuführen (Mitwirkung bei Rüstungsproduktion, Zustellung problematischer Textsendungen, Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen).
II. Gleichbehandlung
Generell lässt sich sagen, dass Arbeitnehmer unabhängig von ihrer religiös-weltanschaulichen Einstellung (wie auch von anderen persönlichen Merkmalen wie Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung) gleich behandelt werden müssen. Religiös-weltanschauliche Überzeugungen gehen den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an. Das ist im Betriebsverfassungsgesetz (§ 75) festgelegt und auch europarechtlich verankert (Basis: Art. 13 EG-Vertrag). Dem muss das nationale Antidiskriminierungsgesetz (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2006) Rechnung tragen. Eine Ausnahme gilt auch europarechtlich für solche Tendenzbetriebe, bei denen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Richtung zum Wesen der beruflichen Tätigkeit gehört (z. B.: private Konfessionsschule, religiöse Zeitschrift). Dass bei Einrichtungen, die den Religionsgemeinschaften (Praxis: fast nur den großen Kirchen) direkt zugeordnet werden (Caritas, Diakonie), in Deutschland über den normalen arbeitsrechtlichen Tendenzschutz hinaus ein spezifischer ggf. rigoroser religiöser Tendenzschutz gelten soll, leuchtet schon im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 137 III WRV nur schwer ein (s. aber insb. Kündigungsschutz).
III. Gewissenskonflikte
Abgesehen von den Tendenzbetrieben handelt es sich bei den unter I. genannten Konfliktsituationen um Gewissensfragen. Wenn arbeitsrechtlich Pflichten auferlegt werden, die religiösen Geboten widersprechen, ist die Situation der bei der „Gewissensfreiheit“ im eigentlichen Sinn vergleichbar (muss der Arbeitgeber von der Verpflichtung im Einzelfall befreien?). Die Forderung, bestimmte religiöse Handlungen durchführen zu können (Kleidung, Gebete), entspricht der Frage der Religionsausübungsfreiheit bzw. Bekenntnisfreiheit. Da es sich um Privatrecht handelt, gelten die ja stets staatsgerichteten Grundrechte nicht unmittelbar. Als rechtsleitende Verfassungsgrundsätze (objektives Verfassungsrecht) haben sie aber mittelbar eine erhebliche Bedeutung bei der Auslegung der arbeitsrechtlichen Normen (mittelbare Drittwirkung der Grundrechte). Grundsätzlich ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers auszugehen, ferner allgemein von den betrieblichen Notwendigkeiten (Arbeitsschutzvorschriften, gebotene Betriebsabläufe, Betriebsfrieden). Ggf. muss der Arbeitgeber prüfen, ob nicht eine unproblematische Ersatzarbeitsstelle zur Verfügung gestellt werden kann. Im Zweifelsfall wird es sich empfehlen, dem Arbeitnehmer entgegenzukommen, soweit es innerbetrieblich zu rechtfertigen ist. Die Einzelfälle sind sehr unterschiedlich.
>> Arbeitsrecht; Kündigungsschutz; Beamtenrecht; Europarecht; Gewissensfreiheit; Kopftuch; religiöse Gebote; Religionsausübungsfreiheit; Religionsfreiheit.
- Literatur
- BAGE 47,363/376 ff. (Vermeidung konfliktträchtiger Arbeit).
- Kraushaar, Bernhard: Die Glaubens- und Gewissen sfreiheit der Arbeitnehmer nach Art. 4 GG, Zeitschrift für Tarifrecht 2001, 208-212;
- Rohe, Mathias: Der Isl am – Alltagskonflikte und Lösungen. Rechtliche Perspektiven. Freiburg i. Br. 2001 (Herder spektrum; S. 97 ff.).
© Gerhard Czermak / ifw (2017)