Rezension zu Janssen: Aspekte des Status von Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

von Gerhard Czermak

Es mag zunächst erstaunen, dass schon viele Monographien zu der prima facie schlichten Regelung des Art. 137 V WRV/140 GG erschienen sind, wonach die 1919 existierenden Religionsgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts weiterhin erhalten bleiben und andere im Kern diesen Status bei Gewähr der Dauer erhalten können. Die meisten Religionsrechtler vertraten und vertreten die Ansicht, die unpräzise Verfassungsnorm verdunkle mehr, als sie erhelle. Als Kern der Garantie wurde vielfach eine gemeinwohlorientierte Kooperation angesehen, auch war bzw. ist die Rede vom besonderen Ansehen der körperschaftlichen Religionsgemeinschaften und diverse pathetische Formulierungen waren nicht selten. Der scharfsinnige Kritiker des herrschenden Religionsverfassungsrechts, Ludwig Renck, hat daher sogar von "Korporationspoesie" gesprochen. Trotz der ernüchternden grundsätzlichen Neuorientierung des BVerfG in seiner Zeugen-Jehova-Entscheidung von 2000 ist solches Wunschdenken immer noch nicht ausgestorben.

Zum Verständnis erläutert Janssen intensiv die Entstehungsgeschichte des Art. 137 V WRV. Die Darstellung zeigt, auf welch schwachen Beinen die heutigen Ansichten zu den konkreten angeblich verfassungsgarantierten Körperschaftsrechten stehen. Mit dem Körperschaftsstatus verband die Weimarer Nationalversammlung nämlich eindeutig keine inhaltlichen Garantien. Der völlig ungeklärte Begriff diente nur dem Zweck, als Anknüpfungspunkt für die Kirchensteuer zu dienen und zu vermeiden, dass die Kirchen auf die gleiche Ebene wie etwa Sportvereine gestellt werden. Die inhaltliche Ausgestaltung sollte durch Art. 137 VIII durch die Landesgesetzgebung erfolgen. Daraus haben, so eine Grundthese des Werks, nach 1949 Lehre und Praxis etwas völlig anderes gemacht, nämlich die heute etablierten konkreten Körperschaftsrechte zu verfassungsunmittelbaren Garantien umgedeutet.  

Das neue voluminöse Werk von Janssen erscheint in einer religionsrechtlichen Umbruchsituation, in der der religionsrechtliche Sonderstatus von K. d. ö. R. im Sinn außerstaatlicher Institutionen einerseits begehrt wird, andererseits aber verstärkt Zweifeln nach Zweck und Auswirkung ausgesetzt ist. Daher erscheint der Band zur richtigen Zeit. Er befasst sich thematisch-juristisch streng insbesondere mit den klassischen Themen der Körperschaftsrechte, so dass der stark innovative Charakter der klaren und erfreulich gut lesbaren Darstellung zunächst gar nicht so ins Auge fällt.

Das Buch erörtert intensiv und kritisch die nach 1949 dem Körperschaftsstatus zugeschriebenen Themenbereiche: grundsätzliche Zuordnung zum Öffentlichen Recht, Rechtstreue, die öffentlich-rechtlichen Befugnisse mit ihrer aktuellen Ausweitungstendenz, die Frage der Grundrechtsgeltung, das Parochialrecht. Besonders wichtig für den kritisch orientierten Leser ist der knapp 90 Seiten starke Abschnitt über das an den Körperschaftsstatus anknüpfende Privilegienbündel. In diesem Zusammenhang behandelt er das Vereidigungs-, Beurkundungs- und Beglaubigungsrecht. Kritische Ergebnisse finden sich zur Übermittlung von Daten im Personenstandsrecht, Melderecht, Kirchensteuerrecht und allgemeinem Datenschutzrecht. Besonders eingehend und kritisch wird das Friedhofsrecht folgenreich erörtert. Sodann geht es um Fragen des Rechtsverkehrs und der Rechtsnatur kirchlichen Handelns (insbesondere: Problematik des Glockenläutens, Realakte). Die Monographie zeigt, wie bedeutsam die meist kaum erörterte Frage der kirchlichen Außenvertretung ist. Ferner geht es um Grundstücksfragen, Amtshaftung und Insolvenzfähigkeit. Auch der Religionsunterricht und das rundfunkrechtliche Drittsendungsrecht sind Gegenstand der Darstellung.

Besonderes Interesse verdient die annähernd 40 Seiten umfassende Erörterung der Gleichheitsproblematik. Der Körperschaftsstatus ist nämlich gesetzestechnischer Anknüpfungspunkt für zahlreiche gesetzliche Vergünstigungen, die nichtkorporierten Gemeinschaften nicht zugestanden werden. Solche Vergünstigungen betreffen ja die meisten Rechtsgebiete, die Janssen ebenso nützlich wie eindrucksvoll auflistet ( z. B. Abgabenrecht, Haushaltsrecht, Insolvenzrecht, Versicherungsrecht, Glücksspielrecht, Denkmalschutzrecht, Sozialrecht, Vertragsrecht, Rundfunkrecht, Strafrecht usw. usf.). Er kommt zum Ergebnis, die Kopplung von Bevorrechtigungen an den Körperschaftsstatus allein werde durch die Verleihungsvoraussetzungen nicht gerechtfertigt. Materielle Kriterien wie eine Gemeinwohlerwartung seien gleichheitsrechtlich jeweils zu prüfen.

Beanstanden könnte man allenfalls, dass Janssen sich zur Frage der rechtspolitischen Bedeutung des Art. 137 V WRV nicht ausdrücklich äußert. Es kann sich aber jeder Leser zusammenreimen, dass die verfassungsrechtliche Bedeutung des Körperschaftsstatus, im Gegensatz zur Rechtspraxis, relativ gering ist und einen Fremdkörper darstellt. An seine Ersetzung durch ein Gesetz über Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wäre zu denken, ein möglichst unideologischer Gesetzgebungsprozess vorausgesetzt. Der aus Sicht der Nichtreligiösen und religiösen Minderheiten besonders wichtige Abschnitt zur Gleichbehandlung bezüglich der körperschaftlich und privatrechtlich organisierten Gemeinschaften ist leider zu knapp geraten. Die diesbezügliche Durchforstung der zahlreichen Rechtsgebiete durch Monografien wäre dringlich.

Resümee: Der Titel "Aspekte des Status" stellt eine deutliche Untertreibung dar, denn Anlage und Inhalt des Werks rechtfertigen es eher, von einem veritablen und wissenschaftlich anspruchsvollen Handbuch zu sprechen. Besonders hervorzuheben ist die erfreulich gute Lesbarkeit und strenge Sachlichkeit sowie der große und zudem sehr aktuelle wissenschaftliche Apparat. Trotz seines Umfangs ist der Band sehr übersichtlich und auch mit Hilfe eines Sachverzeichnisses leicht benutzbar. Ein zusätzliches Plus bietet ein umfangreiches gegliedertes Rechtsprechungsregister. Prädikat: Besonders zu empfehlen.

Link zum Buch

Achim Janssen: Aspekte des Status von Religio.nsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ausgewählte Fragestellungen des Körpers.chaftsstatus in der Rechtspraxis. 2., vollständig überarbeitete Auflage, Berlin 2017 (Schriften zum Öffentlichen Recht 1352), 715 S.