Bekenntnisschulen

I. Allgemeine Bedeutung

Bemerkenswerterweise ging und geht es bei diesem westdeutschen Thema nur um öffentliche bekenntnisgeprägte Volksschulen und nicht um weiterführende Schulen. Heute sind Bekenntnisschulen (auch: Konfessionsschulen) in Deutschland – ausgenommen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, s. unten – hauptsächlich ein Thema der Geschichte (s. Schule und Religion), das freilich noch nicht allzu lange zurückliegt. Faktische Restbestände der ihnen zugrunde liegenden Auffassung sind heute noch virulent (s. christliche Schulpolitik). Man meint(e) mit dem Begriff nur materielle Bekenntnisschulen, in denen Schüler, die formal einem bestimmten (christlichen) Bekenntnis angehören, durch Lehrer unterrichtet werden, die über ihre formale Bekenntniszugehörigkeit hinaus bereit und in der Lage sind, die Schüler im Geist dieses Bekenntnisses zu unterrichten und zu erziehen. Idealtypisch war es weltanschauliches Lehrziel, auch im allgemeinen Unterricht möglichst in allen Sach- und Erziehungsfragen die konfessionell-glaubenswichtigen Bezüge sichtbar zu machen, also die Schüler umfassend konfessionell zu beeinflussen: Musterfall einer religiösen Identifikation des Staats. Diese ist freilich Sache eines (in Deutschland theoretisch seit 1919 zumindest theoretisch überwundenen) Glaubensstaats, nicht aber eines säkularen Staats der Religionsfreiheit, der religiöse und nichtreligiöse Weltanschauungen gleichstellt. Vor allem an katholischen Bekenntnisschulen waren Lehrer einem enormen Anpassungsdruck ausgesetzt. Immerhin hat das BVerwG 1963 eingeräumt, eine katholische Lehrerin, die einen geschiedenen Mann heirate, müsse nicht unter allen Umständen von einer Bekenntnisschule wegversetzt werden.

II. Entwicklung nach 1945

Ungeachtet der religionsrechtlichen Grundprinzipien des GG waren in Westdeutschland bis zu den Landschulreformen Mitte der 1960 er Jahre die Bekenntnisschulen weiter verbreitet als die Gemeinschaftsschulen. Immer wieder trugen sie – in einer Zeit des verbreiteten Klerikalismus – zur Vergiftung des politischen Klimas bei. Gab es doch vielfach keinerlei Alternative, so dass viele Anders- und Nichtgläubige zum Besuch der Bekenntnisschulen gezwungen waren. Das Konfessionsschulwesen prägte in Westdeutschland die Länder Bayern und Saarland sowie überwiegend Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

In Bayern gab es bis auf einzelne Ausnahmen in Großstädten trotz konfessionell gemischter Bevölkerung bis zu ihrer 1968 durch einen Volksentscheid erzwungenen Abschaffung nur katholische oder evangelische Bekenntnisschulen. Dabei gab die Bayerische Verfassung von 1946 mit der Etablierung der Bekenntnisschulen als Regelschule (s. Regelschulproblematik) den Kirchen sogar mehr, als im ohnehin äußerst kirchenfreundlichen Konkordat bzw. evangelischen Kirchenvertrag von 1924 festgelegt war. Beide garantierten Bekenntnisschulen nur unter bestimmten Voraussetzungen bei Zustimmung der Eltern und waren im Hinblick auf die WRV sehr umstritten.[1] Man rechtfertigte den Bekenntnisschulzwang nach 1949 hauptsächlich mit Art. 7 V GG, weil dieser in religiös-weltanschaulicher Hinsicht indirekt unterschiedliche öffentliche Schulformen zulasse. Den hierzu kompetenzrechtlich zuständigen Ländern sei es überlassen, nach Belieben über die Schulformen und Regelschulen zu befinden. Sogar das BVerfG vertrat deswegen in seinem Konkordatsurteil 1957 die Ansicht, der Bekenntnisschulzwang verstoße nicht gegen die "Gewissensfreiheit". Dabei hatte es im KPD-Verbots-Urteil von 1956 die Geistesfreiheit als systemprägendes Moment der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bezeichnet.[2] Das BVerwG rechtfertigte den Bekenntnisschulzwang ohne Auseinandersetzung mit der umfangreichen gegensätzlichen Literatur noch 1963. Aus heutiger Sicht ist das alles unter dem Aspekt der Glaubensfreiheit (Art. 4 I, II GG) völlig unverständlich.

III. Schulpolitische Wende

Als das Ende der Bekenntnisschulen schon abzusehen war, ergingen 1965 die Kirchensteuerurteile des BVerfG. Insbesondere in seiner Entscheidung zur Badischen Kirchenbausteuer[3] betonte das Gericht stark die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staats als "Heimstatt aller Bürger". Da weichte sogar der BayVerfGH 1967 das Bekenntnisschulprinzip auf: wenn eine christliche Minderheit im Sinn der christlichen Mehrheit erzogen werde, so stelle das einen "klaren Verstoß" gegen das Grundrecht der "Glaubens- und Gewissensfreiheit" dar, das "zu den elementaren Grundsätzen der Verfassung" zähle. Es müssten daher die Schüler in bekenntnismäßig gemischten Klassen "auf der Grundlage des den beiden Bekenntnissen Gemeinsamen" unterrichtet und erzogen werden. Dass der säkulare Staat zu diesen religiösen Fragen gar keine verbindliche Aussage treffen durfte, kam ihm freilich nicht in den Sinn. Ausdrücklich wird dem "Interesse der beiden christlichen Kirchen" an einer bekenntnisgerechten Erziehung der Schuljugend "sehr hohe Bedeutung" beigemessen.[4] Nur vier Monate später, ebenfalls 1967, entschied dasselbe Gericht, die "Gewissensfreiheit" nichtchristlicher Eltern und Schüler, die zudem in der Minderheit seien, werde aber nicht verletzt, wenn Nichtchristen eine bekenntnismäßig oder gemeinchristlich geprägte Schule besuchen müssten; habe doch die Gewissensfreiheit Schranken "kraft unserer demokratischen Grundordnung".[5]

Insgesamt war auch in Bayern der Weg gewiesen für die Christliche Gemeinschaftsschule, die dann in Form einer Art interkonfessionellen Konfessionsschule folgte. Allerdings verlief der Prozess der Abschaffung der Bekenntnisschulen teilweise "nicht ohne spektakuläre Auseinandersetzungen, in denen zeitweise kulturkampfähnliche Töne anklangen".[6] Trotz der 1975 erfolgten inhaltlichen Verurteilung dieser Art von religiösen Gemeinschaftsschulen durch das BVerfG aus Gründen des Art. 4 GG wurde das von den Bekenntnisschulen her bekannte Minderheitenproblem nur auf etwas niedrigerer Ebene fortgeschleppt. Zumindest in Bayern hat man die Bayern und Baden-Württemberg betreffenden einschlägigen Entscheidungen trotz ihrer generell bindenden Wirkung vollständig missachtet. In anderen westdeutschen Bundesländern war es ähnlich. Daraus resultieren noch heute die z.T. enormen Probleme mit dem Kreuz im Klassenzimmer und dem richtigen Verständnis von Toleranz.

IV. Aktuelle Bedeutung

Nur in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gibt es noch, in sehr unterschiedlicher regionaler Verbreitung, staatliche konfessionelle Grundschulen. Das war die Ursache überaus zahlreicher Rechtsstreitigkeiten.

1. In Nordrhein-Westfalen ist die staatliche Bekenntnisschule noch heute aktuell. Die Landesverfassung kennt nach wie vor Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen und Weltanschauungsschulen (ohne Religionsunterricht). Zu den Bekenntnisschulen heißt es in Art. 12 Abs. 6: "In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen." Das Schulgesetz wiederholt das. In seinem 2015 neugefassten Art. 26 Abs. 6 heißt es: "An Bekenntnisschulen müssen 1. die Schulleiterin oder der Schulleiter und 2. die übrigen Lehrerinnen und Lehrer dem betreffenden Bekenntnis angehören. Sie müssen bereit sein, im Sinne von Absatz 3 Satz 1 an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen. Zur Sicherung des Unterrichts sind Ausnahmen von Satz 2 Nummer 2 zulässig." Für eine Bekenntnisminderheit von mindestens 12 Schülern ist ein Minderheitenlehrer einzustellen. Grundschulen können seit 2015 unter erleichterten Bedingungen (einfache Mehrheit der Eltern, nicht der Abstimmenden) in eine andere Schulform umgewandelt werden. Bisher war die Umwandlung von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen ziemlich erschwert.[7] Von den derzeit etwa 2800 Grundschulen sind etwa ein Drittel staatliche, meist katholische, Konfessions-Grundschulen. Sie werden zunehmend in Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Bei diesen besteht dieselbe Problematik wie bei den sog. Christlichen Gemeinschaftsschulen. Neuerdings gibt es eine Weltanschauungsschule (ohne Religionsunterricht). Hauptschulen sind i. d. R. Gemeinschaftsschulen. Die weltanschauliche Mischung der Schüler ist groß, was zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten geführt hat. Noch 2020 gab es in 78 Gemeinden keine Gemeinschaftsgrundschule, was selbst der für Schulrecht zuständige leitende Ministerialbeamte als "fragwürdig" bezeichnete.[8] Konfessionelle Hauptschulen gibt es aber nur noch wenige.

Wie massiv die religiös-weltanschaulichen Ungereimtheiten in NRW waren und sind, zeigte sich bis vor kurzem auch darin, dass man bei der Schulanmeldung von Schülern mit einem anderen oder keinem Bekenntnis von den Eltern formularmäßig folgende Erklärung forderte: "Ich  / Wir wünsche(n) ausdrücklich, dass mein / unser Kind nach den Grundsätzen dieses Bekenntnisses unterrichtet und erzogen wird." Natürlich meldeten die Eltern ihre Kinder dort an, wo sie wohnten bzw. wo eine insgesamt geeignete Schule, unabhängig vom Bekenntnis, in akzeptabler Entfernung erreichbar war. Verständlich, dass es zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gab.[9] So waren die Gerichte bis zum BVerfG der Meinung, ein Schulweg von 3,3 km zu einer Gemeinschaftsschule sei zumutbar. Im Streitfall wurde ein muslimischer Schüler, dessen Eltern mit der katholischen Erziehung "einverstanden" waren, nicht in die nahegelegene Bekenntnisschule aufgenommen, weil der Schüler nicht den Religionsunterricht und den Schulgottesdienst besuchen durfte. Das OVG vertrat die bemerkenswerte Ansicht, wegen der grundsätzlichen Zulässigkeit öffentlicher Bekenntnisschulen (Art. 7 V GG) müsse Art. 4 GG zurücktreten. Trotz der Brisanz des Falles erklärte eine Kammer des 1. Senats mit aufwändiger formaler Begründung die von einem Juraprofessor begründete Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil sie keinerlei Erfolgsaussicht erkennen mochte.[10] Die zahlreichen Gerichtsentscheidungen zeigen die völlige Weltfremdheit und Unehrlichkeit der bestehenden Verhältnisse, zumal die Bekenntnisschulen seit langem oft starke weltanschauliche Minderheiten aufweisen. Leider haben die Gerichte nicht den einfachen Gedanken aufgenommen, dass rechtliche Regelungen, die zwangsläufig zu mittelbarem religiösem Zwang führen, mit dem GG nicht vereinbar sind (s. Glaubensfreiheit). Die Regelungen führen natürlich auch bei der Lehrerschaft zu unehrlichem taktischem Verhalten, so dass alle Beteiligten einschließlich Kirchen und Politik unglaubwürdig sind. Das System hängt der allgemeinen Entwicklung über 50 Jahre hinterher, führt zu weitreichender Verdrossenheit, beschädigt das staatsbürgerliche Bewusstsein und ist auch der Integration einer pluralistischen Bevölkerung nicht dienlich.

2. Vergleichbare Verhältnisse gibt es in keinem anderen Bundesland, ausgenommen Niedersachsen. 1954 erklärte das Landesparlament die "christliche Gemeinschaftsschule" zur Regelschule, aber mit Ausnahmeregelungen für das Gebiet Oldenburg. Dort gab es bis 1993 ausschließlich Bekenntnisschulen im Grundschulbereich. Die Zahl der Bekenntnisschulen dürfte heute weit unter 10% betragen. Nach heutigem Schulrecht darf der Anteil bekenntnisfremder Schüler grundsätzlich höchstens 30% betragen. Die Bekenntnishomogenität wird aber durch eine eigene Bekenntnisschulen-Aufnahme-Verordnung noch weiter aufgeweicht. Im Oldenburger Münsterland ist der Anteil bekenntnisfremder Schüler heute aber – rechtswidrig - oft noch wesentlich größer. Nicht einmal Schulleiter müssen dem Schulbekenntnis angehören. Die oft beantragte Umwandlung in Gemeinschaftsschulen ist dennoch häufig gescheitert.

Das erstaunlichste Beispiel irregulärer Verhältnisse lieferte die Stadt Vechta (ca. 34.000 E.). Bis 2010 waren sechs von sieben städtischen Grundschulen katholische Konfessionsschulen, obwohl es natürlich beachtliche weltanschauliche Minderheiten gab. 2010 wurde die einzige Gemeinschaftsschule mangels Anmeldungen geschlossen. An dieser Schule herrschten nämlich schlimme Verhältnisse.[11] Es war vorgekommen, dass Kinder "umgetauft" wurden, damit sie eine akzeptable Schulausbildung erhalten konnten. Seit 2010 mussten alle Kinder eine der sechs katholischen Bekenntnisschulen besuchen, obwohl ein Drittel nicht katholisch war. Ein Antrag auf Umwandlung dieser Schulen in Gemeinschaftsschulen wurde 2015 von der Mehrheit der Eltern erfolgreich abgelehnt. Auch ein weiterer Versuch scheiterte 2021.

Christliche Gemeinschaftsschulen; christliche Schulpolitik; Glaubensfreiheit; Klerikalismus; Konkordate; Kreuz im Klassenzimmer; Neutralität; Regelschulproblematik; Religionsverfassungsrecht; Schule und Religion; Toleranz; Staatskirchenverträge; Weltanschauungsfreiheit

Literatur:

  • BVerfGE 6, 309/339 f. = NJW 1957, 705, U. v. 26.3.1957 (Konkordatsurteil. Bekenntnisschulzwang).
  • BVerfGE 19, 206/216 = NJW 1966, 147, U. v. 14.12.1965 (Badische Kirchenbausteuer. Neutralität. Staat als "Heimstatt aller Bürger").
  • BVerwGE 17, 267/269 f., U. v. 13. 12. 1963 (Loyalitätspflicht von Lehrerinnen an kath. Bekenntnisschule).
  • BayVerfGH 20, 36/46 f., E. vom 20. 3. 1967 = BayVBl 1967,201 (Aufweichung des Bekenntnisschulprinzips zugunsten der jeweils anderen christlichen Konfession).
  • BayVerfG 20, 125/133 f. , E. v. 14. 7. 1967 = BayVBl 1967,312 (keine Religionsfreiheit für Nichtchristen).
  • Czermak, Gerhard: Öffentliche Schule, Religion und Weltanschauung in Geschichte und Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland. Eine Rückschau unter dem Aspekt der individuellen Religionsfreiheit und Neutralität. In: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. FS für Wolfgang Rüfner (Hg. Stefan Muckel). Berlin 2003,79-109, siehe den Link auf Lexikon-Aufsätze.
  • Grundmann, Siegfried: Landschulreform und Bekenntnisschule, BayVBl 1966,37-43.
  • Hartmann, Sebastian: Die staatliche Bekenntnisschule im Lichte des AGG, in: DÖV 2015, 875 ff.
  • Kämper/Schilberg (Hg.): Staat und Religion in Nordrhein-Westfalen, 268 (282).
  • Keim, Wolfgang: Schule und Religion, 2. A. Hamburg 1969,65 ff.
  • Pfahls, Ludwig-Holger: Staat, Kirche und Volksschule in Bayern, Diss. jur. Freiburg i.Br. 1972.
  • Weber, Werner: Die Konfessionalität der Lehrerbildung in rechtlicher Betrachtung, Recht und Staat 306/307, Tübingen 1965, 39 S.

 


[1] s. zur Gesamtentwicklung eingehend H. Pfahls 15-77.

[2] BVerfGE 5, 85/205 (1956, KPD-Urteil).

[3] BVerfGE 19, 206/216.

[4] BayVerfGH 20, 36/46 f (1967: Religionsfreiheit für christliche Konfessionen).

[5] BayVerfGH 20, 125/133 f. (1967: keine Religionsfreiheit für Nichtchristen).

[6] C. Link, EvStL 1987, Art. Gemeinschaftsschule.

[8] Siehe U. Pfaff in Kämper/Schilberg (Hg.): Staat und Religion in Nordrhein-Westfalen, 2020, 268 (282).

[10] BVerfG-K NVwZ 2018, 156, B. 8.9.2017, 1 BvR 984/17. Zu den diesbezüglichen verfassungsprozessualen Hindernissen H. Wißmann, Teilnahme am Religionsunterricht – Zugangsvoraussetzung in staatlichen Schulen? ZevKR) 63 (2018): 209-224.

© Gerhard Czermak / ifw (2024)