Meinungsfreiheit: Der Fall Hamed Abdel-Samad / Facebook Ireland Ltd.

Sachverhalt

Hamed Abdel-Samad stellt am 27. November 2018 in seinem Facebook-Konto den folgenden Beitrag ein (LINK):

"Ihr Feiglinge! Viele junge Muslime/Muslimas leben im Westen und genießen die Vorzüge der Freiheit, setzen sie sich aber für diese Freiheit kaum ein. Viele sind gut gebildet und haben einen guten Job, bleiben aber in den Zwängen der Religion und der eigenen Community verhaftet. Ihre Bildung und Engagement stellen sie selten im Dienste der Aufklärung und des Gemeinwesens, sondern eher im Dienste des Islam oder der Parallelgesellschaft. Sie kritisieren die rechte Ideologie, solange sie von Bio-Deutschen kommt, aber wir hören von Ihnen kaum Kritik gegen die reaktionären Islamverbände, die nationalistischen Grauen Wölfe oder die patriarchalischen Strukturen in den eigenen Familien. Im Gegenteil, viele von Ihnen sind Krawatten-Islamisten, die Erdogan, die grauen Wölfe und die Muslimbruderschaft unterstützen und das Patriarchat verteidigen. Sie zitieren Kant und Adorno, um die Aufklärung zu relativieren und den Islamismus zu verniedlichen. Sie verlangen Sonderrechte für Muslime in Deutschland, lehnen aber die Minderheitenrechte für Kurden in der Türkei oder für Christen in der arabischen Welt. Selbst viele muslimische Intellektuelle und Journalisten sind in diesen Sippen verhaftet und werben ständig um Verständnis für den Islam und die Parallelgesellschaft statt ihre Leute mit Kritik herauszufordern. Selbst wenn diese Kritik manchmal kommt, ist sie oft leise und relativiert sich nach zwei Sätzen, indem die Debatte in Richtung Kampf gegen Islamophobie driftet. 
Migrantenkinder der zweiten und dritten Generationen wissen ganz genau was schief läuft in der Erziehung und in den Communities, und haben selbst oft darunter gelitten, nehmen aber ihre Leute sippenhaft in Schutz wenn Kritik von außen kommt. Statt Selbstkritik zu üben, geben sie den anderen die Schuld für die Misere. Die Frauenhäuser sind voll von entrechteten muslimischen Frauen, aber viele gebildete Muslimas machen eher Kampagnen für das Kopftuch und Burkini. Statt sich vom Joch der patriarchalischen Tradition zu emanzipieren, starten sie Initiativen und Projekte, um einen Propheten, der Frauen als Kriegsbeute nahm und ein sechs-jähriges Mädchen heiratete, als Vorbild für den modernen Menschen zu rehabilitieren!
Ich sage euch, ihr seid Feiglinge und Heuchler! Ihr seid keine freie mündige Bürger, sondern Untertanen eurer Religion und eurer Community! Und wenn ihr genauso vehement gegen die Missstände in eueren eigenen Reihen vorgehen würdet wie gegen Islamkritik, wäre diese Kritik überflüssig! Wenn ihr mehr Mut zeigen würdet statt Opferhaltung, wäre die Gesellschaft reicher. Wenn ihr euch für die Freiheit aller einsetzen würdet, statt nur Sonderbehandlung für euch zu verlangen, wäre viel gewonnen!"

Am 28. November 2018 sperrt Facebook das Konto von Hamed Abdel-Samad für drei Tage und löscht den o.g. Text als "Hassrede". Am gleichen Tag stellt Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel (Hamburg) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Giordano-Bruno-Stiftung protestiert für ihren Beirat Hamed Abdel-Samad "in aller Entschiedenheit gegen diese Einschränkung der Meinungsfreiheit" (LINK). Verschiedene Medien greifen das Thema auf, u.a. veröffentlicht der Humanistische Pressedienst (hpd) den von Facebook gelöschten Beitrag (LINK) umgehend.

Am 29. November 2018 wird die Facebook-Sperrung von Hamed Abdel-Samad aufgehoben. Laut Facebook handelt es sich bei der Sperrung um einen "Fehler".

Verfahrensstand

Das Landgericht Berlin lehnt den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab (Az 55 O 331/18). In dem Rechtsmittel von Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel (Hamburg) heißt es:

"Die Äußerungen ‘Feigling’ und ‘Heuchler’ als vermeintlich strafbare Beleidigungen iSd § 185 StGB oder auch als Verunglimpfung einzustufen, offenbart einen Abgrund sprachlicher und rechtlicher Inkompetenz… Der angefochtene Beschluss bedarf der Abänderung. Er beruht auf einer grundlegenden, vollständigen und für einen Spruchkörper der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland skandalösen Verkennung des grundrechtlichen Schutzes der Meinungsäußerungsfreiheit."

Am 15.04.2019 lehnt das Kammergericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Zur Begründung führt es aus, dass Facebook die Sperre des Kontos nach einem Tag wieder aufgehoben und den gelöschten Beitrag wiederhergestellt habe. Eine einstweilige Verfügung sei vor diesem Hintergrund nicht mehr erforderlich. Erfreulicherweise erklärt das Kammergericht in seinem Beschluss aber auch, dass die Qualifizierung des Kommentars als eine Äußerung im Grenzbereich zur Hassrede schwer nachzuvollziehen sei. 

Rechtliche Problematik

Haben die "Fehler" bei Facebook System? Insbesondere bei Kritik am Islam und an muslimischen Parallelgesellschaften?

Beim Thema Löschverhalten von Facebook ist vor allem auch das 2017 von CDU/CSU und SPD eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in den Blick zu nehmen. Die gbs übt scharfe Kritik am NetzDG und der Einschränkung von Art. 5 Grundgesetz und schreibt in der Broschüre "Wie muss Technik? Zur Verteidigung der Menschenrechte im Zeitalter der Digitalisierung":

"Wir benötigen an dieser Stelle eine positive Neubewertung von Meinungsvielfalt und individueller Freiheit wie auch von kritischer Rationalität. Klar sollte sein: Der Staat muss und darf nur dort eingreifen, wo Gesetze eindeutig gebrochen und persönliche Rechte verletzt werden. Denn dies ist nun einmal die Grundvoraussetzung jedes liberalen Rechtsstaats: In einer offenen Gesellschaft ist nicht die Freiheit begründungsbedürftig, sondern jegliche Einschränkung der Freiheit!"

Die Eingriffe in die Meinungsfreiheit durch Facebook finden vor folgendem Hintergrund statt, wie u.a. Hamed Abdel-Samad kurz nach der Löschaktion am 2. Dezember 2018 darstellt:

"Und noch ein Zwischenfall aus der Islamkonferenz, worüber sich sonst keiner aufregt: Seyran Ates, Ahmad Mansour und ich waren, wie immer, in Begleitung von 15 Personenschützern da… Nur die Aktivistin Kübra Gümüsay hat für uns Partei ergriffen und nannte die Drohungen gegen uns inakzeptabel und sprach uns ihre Solidarität aus. Das tat sonst keiner der anwesenden Vertreter der Islamverbände. Nach der Veranstaltung kam die preisgekrönte Mustermuslima, die uns diffamiert hat, nicht etwa zu mir um sich zu entschuldigen, sondern zum Staatssekretär, um ihn zu besänftigen. Vermutlich weil sie um ihre Fördergelder für die angebliche Integrationsarbeit fürchtet! Wer regt sich darüber auf, dass Menschen im Jahre 2018 mitten im Europa um ihr leben fürchten, nur weil sie den Islam kritisieren? Wer regt sich darüber auf, dass Berufsmuslime Millionen von unseren Steuergeldern erhalten, um die Integration zu befördern und der Radikalisierung entgegenzuwirken? Und je mehr die Integration scheitert und die Radikalisierung zunimmt, bekommen sie noch mehr Geld. Wer ärgert sich darüber, dass bei Veranstaltungen, die Terroropfer gedenken sollen, nicht diejenigen, die unter Terrorgefahr leben, eingeladen werden, sondern, die die den Terror und die Bedrohungen relativieren?"

Das ifw unterstützt die Bekämpfung von Eingriffen in die Meinungsfreiheit im Netz durch die sozialen Netzwerke und koordiniert den Beitrag der gbs zu den Prozesshilfekosten. Etwaige Aktualisierungen finden sich hier: https://meinungsfreiheit.steinhoefel.de/2018/11/28/fall-5-hamed-abdel-samad-facebook-ireland-ltd