Jacqueline Neumann in NJOZ 2021 Heft 14: „Vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe – eine Bewertung“

In der Neuen Juristischen Online-Zeitschrift (NJOZ) 2021, Heft 14, S. 385 ff., ist am 8. April 2021 der Aufsatz "Vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe – eine Bewertung" von Dr. Jacqueline Neumann, wissenschaftliche Leiterin am Institut für Weltanschauungsrecht (ifw), erschienen.

Darin bespricht Neumann vier Gesetzentwürfe der folgenden Autoren:

(1) Gian Domenico Borasio (Medizinethiker), Ralf J. Jox (Medizinethiker), Jochen Taupitz (Jurist), Urban Wiesing (Medizinethiker);

(2) Deutsche Stiftung Patientenschutz (DSP);

(3) Katrin Helling-Plahr MdB (FDP), Karl Lauterbach MdB (SPD), Petra Sitte MdB (Die Linke), Swen Schulz MdB (SPD) und Otto Fricke MdB (FDP);

(4) Renate Künast MdB und Katja Keul MdB (beide Bündnis 90/Die Grünen).

Insgesamt zieht Neumann das Fazit:

"Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers endet nach der Rechtsprechung des BVerfG dort, wo dem Einzelnen bei realitätsgerechter Betrachtung keine Freiheit mehr verbleibt, seine Suizidentscheidung mit Hilfe Dritter umzusetzen. Diesen Vorgaben genügen die hier diskutierten vier Gesetzentwürfe nicht. Der Versuch von Borasio et al. (1) und der DSP (2), die Suizidhilfe ausschließlich im Strafrecht regeln zu wollen, scheidet bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen aus. Die Kombination aus der freiwilligen Entscheidung des Arztes zur Suizidhilfe und dem gleichzeitigen Arztmonopol bei der Arzneimittelverschreibung in dem Entwurf von Helling-Plahr et al. (3) kann zu einem faktischen Leerlaufen des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben führen. Die Entwürfe von Helling-Plahr et al. (3) und Künast/Keul (4) bauen hohe bürokratische Hürden auf und sehen eine Beratungspflicht vor. Eine solche ist abzulehnen, da sie auf eine unzulässige Begründungs- und Rechtfertigungspflicht für den Suizidentschluss hinausliefe. Alle vier Entwürfe streben an, die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen einzudämmen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung liegt keine Evidenz vor, dass im Rahmen geschäftsmäßiger Suizidhilfe Rechtsverstöße begangen oder hierdurch soziale Pressionen bspw. auf alte und kranke Menschen ausgeübt werden. Jedoch nur dann, wenn von Sterbehilfevereinen solche Gefahren ausgingen, könnte der Gesetzgeber ein Verbot in Erwägung ziehen. Allen vier Entwürfen fehlt zudem eine positive gesetzliche Regelung, dass assistierter Suizid am gewohnten Lebensort des Suizidwilligen geleistet werden darf, was sowohl eine Begleitung zu Hause als auch eine Begleitung in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen umfasst. Denn Zeit, Ort und Modalitäten der Suizidassistenz gehören zum Schutzbereich des Grundrechts auf selbstbestimmtes Sterben."

Zum Artikel "Vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe – eine Bewertung", NJOZ 2021, Heft 14, S. 385 ff. (Bezahlschranke): hier