Kirchenfinanzierung

I. Arten kirchlicher Einnahmen

Man unterscheidet in Deutschland folgende Einnahmequellen, die teils mitgliedsbezogen, teils sonst privatbezogen und teils staatsbezogen sind:

a) Kirchensteuern, d. h. Mitgliedsbeiträge. Sie betrugen bei den beiden großen Kirchen zusammen 2015 an die 11 ½ Mrd. €, wiederum ein Höchststand trotz deutlich gestiegener Austritte. 2016 sind die Zahlen trotz erheblicher Kirchenaustrittszahlen weiter gestiegen.

b) Öffentliche Subventionen. Sie sind, entgegen anderslautenden Behauptungen, betragsmäßig noch wesentlich bedeutender als die Kirchensteuern. Sie werden für die unterschiedlichsten sozialen, oft auch spezifisch kirchlichen, Zwecke (s. näher unter Religionsförderung).

c) Privatwirtschaftliche Einkünfte und Vermögenserträge. Sie beruhen auf einer großen Fülle an Unternehmen, vor allem aber einem riesigen Immobilienbestand (s. unten).

d) Die historischen Staatsleistungen i. S. des Art. 138 I WRV (s. Staatsleistungen) haben finanziell eine geringe Bedeutung, obwohl sie seit langem einen wesentlichen Teil der öffentlichen Kritik an der Kirchenfinanzierung ausmachen.

e) Indirekte Leistungen durch staatliche Einnahmeverzichte (Steuervergünstigungen, Befreiung von öffentlichen Gebühren).

f) Spenden, Gebühren und andere sonstige Einnahmen haben nur sehr geringe Bedeutung.

II. Ausland

In EG-Ländern finanzieren sich alle Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften über gemischte Systeme aus Leistungen der Mitglieder, des Staates bzw. der Allgemeinheit und aus sonstigen Quellen, insb. Einsatz des Vermögens. Entsprechend den sehr unterschiedlichen historischen Entwicklungen gibt es in Abhängigkeit von den jeweiligen Grundmodellen des Staat-Kirche-Verhältnisses zahlreiche Varianten der Kirchenfinanzierung. Nirgendwo sind bestimmte Finanzierungssysteme vorgeschrieben. Spenden- und Kollektensysteme sind typisch für Länder mit Trennungssystemen wie Frankreich und Niederlande, während Kirchensteuern typisch sind für Länder mit enger Staat-Kirche-Kooperation (neben Deutschland teilweise die Schweiz). Österreich hat ein Beitragssystem entwickelt, wobei die Erfassung der Beitragspflichtigen und die Beitragserhebung nach einer kirchlichen Beitragsordnung Kirchensache ist. Die Zwangsbeitreibung ist nur privatrechtlich möglich. Wesentlich abweichende Systeme sind in Italien und Spanien verwirklicht. Dort können alle einkommensteuerpflichtigen Bürger bezüglich eines kleinen Teils der Steuerschuld (in Italien: 0,8 %) eine Zweckbestimmung aus einer staatlich vorgegebenen Liste von möglichen Zuwendungsempfängern vornehmen. Viele Bürger wählen die Kirchen aus.

III. Europarecht

Europarechtlich ist von Bedeutung, dass die EG keine originäre religionsrechtliche Kompetenz hat, ausgenommen das auch Religion und Weltanschauung betreffende Diskriminierungsverbot, das freilich zahlreiche Ausnahmevorschriften kennt. Es erscheint jedoch gesichert, dass die unterschiedlichen Systeme des Staat-Kirche-Verhältnisses und damit der Kirchenfinanzierung langfristig im Grundsatz aufrechterhalten bleiben können, soweit sie nicht individualrechtlich (persönliche Religionsfreiheit) unhaltbar sind. Auf massiven Druck der deutschen Kirchen wurde die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG von 1995 so gefasst, dass vom Verbot der Erhebung und Auswertung personenbezogener Daten zu Religion und Weltanschauung u. a. für Religionsgemeinschaften eine Ausnahme normiert wurde. Andernfalls wäre das deutsche Kirchensteuersystem in traditioneller Form zusammengebrochen. Für Deutschland sind heute europarechtlich direkt veranlasste Rechtsänderungen im Bereich der Kirchenfinanzierung wohl nicht zu erwarten. Möglich sind jedoch mittelbare Auswirkungen einer kommenden europäischen Steuerharmonisierung mit einer Verschiebung von den direkten zu indirekten Steuern, die die Kirchen zu einer Änderung bei den Finanzierungsquellen veranlassen dürfte.

IV. Kirchenvermögen

1. Das Kirchenvermögen ist eine beachtliche Finanzierungsquelle der großen deutschen Kirchen neben insbesondere den öffentlichen Subventionen und Kirchensteuereinnahmen. Es geht dabei um das Grund- und Immobilieneigentum, das Kapitalvermögen, den Wertpapierbesitz, die Firmenbeteiligungen. Dieses Vermögen behält mehr oder weniger die Substanz und wird nicht für die laufenden Haushalte verwendet. Carsten Frerk hat es 2002 erstmals erstaunlich umfassend und detailliert erforscht. Dabei geht es nicht um Kirche als organisierte Religionsgemeinschaft, sondern als Gesamterscheinung einschließlich gewerblicher Aktivitäten. Hierzu nur einige Basisdaten: In der EKD gab es ca. 18.000 Kirchengemeinden und in der kath. Kirche ca. 13.000 Pfarreien. Nicht mehr zur verfassten Kirche gehören die unzähligen Einrichtungen des Diakonischen Werks, des Caritasverbands sowie das Vermögen des Kolpingwerks, der Orden, Akademien und vieler anderer. Dort bestehen zahllose verschiedene Rechtsträgerschaften.

2. Die wirtschaftlichen Aktivitäten des kirchlichen Bereichs im weiteren Sinn sind vielfältig. Dazu gehören etwa Banken, Versicherungen, Handelsunternehmen, Siedlungsgesellschaften, Verlage, Presseagenturen, Druckereien, Filmunternehmen, Brauereien, Touristikunternehmen und andere. Frerk kam für die Zeit um 2000 in einer Gesamtschau für beide Kirchen zusammen auf ein Vermögen von ca. DM 980 Mrd., von dem 620 Mrd. auf Grundbesitz und Immobilien der verfassten Kirche, Orden und Werke entfallen. Natürlich können Grundstücke mit Kirchengebäuden grundsätzlich nicht veräußert werden. Knapp 300 Mrd. DM waren aber nach Frerk kommerzialisierbarer Immobilien- und Grundbesitz. Das Vermögen verteilte sich ihm zufolge wie folgt: rein kirchlicher Grundbesitz: 28%; Kapitalvermögen kirchlicher und karitativer Institutionen: 18%; kirchliche Gebäude: 13%; Immobilien von Diakonie und Caritas: 13%; Stiftungsvermögen: 11%; Grundbesitz und Immobilien der Orden: 7%; Kapitalanlagen der Versicherungen: 5%; Immobilien der Siedlungswerke: 4%; übrige: um 1%. Bei den unzähligen erhobenen Daten handelt es sich um Bruttovermögen, da Verschuldung, Abschreibungen usw. nicht ermittelt werden konnten. Auch bei Berücksichtigung der zahlreichen Unsicherheiten bei den einzelnen Ermittlungen und Schätzungen bleibt als Ergebnis ein enormer Reichtum der Kirchen, der die ständigen Klagen über Finanznot als Propaganda erweist.

Aktuelle belastbare Zahlen scheint es nicht zu geben. An den Proportionen dürfte sich aber wenig geändert haben. Siehe jedoch die kompakte Zusammenfassung von Carsten Frerk http://www.carstenfrerk.de/wb/journalistisches/das-unbekannte-vermoegen-der-kirchen.php#oben .

Europarecht; Kirchensteuer; Privilegien; Religionsförderung; Staatsleistungen; Staat und Religion – Grundmodelle

Literatur

  • Böttcher, Hartmut: Typen der Kirchenfinanzierung in Europa, ZevKR 2007,400 ff.;
  • Frerk, Carsten: Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert. Aschaffenburg 2010, 269 S.
  • Frerk, Carsten: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, Aschaffenburg 2002, 435 S. (umfassend; über 150 Graphiken und Schaubilder);
  • Herrmann, Horst: Kirche, Klerus, Kapital, Münster 2003, 151 S.;
  • Höfer, Rudolf K: Kirchenfinanzierung in Europa. Modelle und Trends. Innsbruck 2014, 248 S.
  • Marré, Heiner: Die Systeme der Kirchenfinanzierung in Ländern der Europäischen Union und in den USA, ZevKR 1997, 338-352;
  • Mösenthin, Andreas: Systeme der Kirchenfinanzierung in der Europäischen Union und ihre europarechtlichen Rahmenbedingungen, KuR Nr. 140, S. 69-86 = KuR 2000, 139-156;
  • Petersen, Jens: Die Finanzierung der Kirchen in Europa - insbesondere in Italien und Spanien, KuR Nr. 140, 33-45 (1997).

© Gerhard Czermak / ifw (2017)