Kirchenorganisation

I. Katholische Kirche

1. Kennzeichnend ist der streng hierarchische Aufbau, dessen tragende Pfeiler sich aus dem Kirchlichen Gesetzbuch, dem Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983, ergeben (s. Kirchenrecht, katholisches). An der Spitze der Weltkirche steht der Papst. Er ist gem. can. 331 CIC „Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche“ auf Erden, der „kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt“ verfügt, die er „immer frei ausüben kann“. Seine Leitungsgewalt (Jurisdiktionsgewalt) gibt es „aufgrund göttlicher Einsetzung“ (can. 129), ebenso das Bischofsamt als zweites Hauptelement der Kirchenverfassung. Die Bischöfe üben in den ihnen unterstellten Diözesen = Bistümern, die territorial genau festgelegt sind, im Rahmen der päpstlichen Anordnungen die oberste Leitung auch in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung aus.

2. Das heutige Deutschland hat 27 Bistümer, das sind jeweils auch Körperschaften i. S. des Art. 137 V WRV/ 140 GG, die in 7 Kirchenprovinzen zusammengefasst sind. Für existentielle Fragen der Bistümer wie Errichtung, Änderung und Aufhebung ist ausschließlich der „Apostolische Stuhl“ (auch: Heiliger Stuhl, s. dort) zuständig. Die Deutsche Bischofskonferenz als personaler Zusammenschluss hat eigenständige Kompetenzen. Eng verzahnt mit ihr ist der Verband der Diözesen Deutschlands, der auch Körperschaft im staatlichen Sinn ist. Er ist zuständig für überdiözesane Rechts-, Wirtschafts- und Finanzfragen sowie Rechtsträger verschiedener Einrichtungen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)ist ein Zusammenschluss von Vertretern diözesaner Einrichtungen, katholischer Verbände und Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Er repräsentiert die katholischen Laien (Nichtkleriker), betreibt Öffentlichkeitsarbeit und veranstaltet die Katholikentage.

3. In den einzelnen Diözesen gibt es jeweils eine Reihe von Ratskollegien, z. B. Priesterrat, Domkapitel, Diözesanverwaltungsrat, teilweise mit Laienvertretern. Zu den bischöflichen Behörden, zusammenfassend „Bischöfliches Ordinariat“, gehören als wichtigste das Generalvikariat für allgemeine Verwaltung und das Offizialat für innerkirchliche Rechtsprechung. Bei letzterer geht es meist um Ehenichtigkeit. Der Generalvikar ist allgemeiner Bischofsvertreter in geistlichen Angelegenheiten und Verwaltung. Im Einzelnen sind die diözesanen Strukturen recht uneinheitlich.
4. Unterster Teilverband einer Diözese ist die Pfarrei, die als Gebietskörperschaft alle ortsansässigen Katholiken als Mitglieder hat. Die Pfarreien sind nach kirchlichem und staatlichem Recht selbständige Juristische Personen (s. dort). Derart selbständige Rechtsträger sind in vielen Diözesen auch die Kirchen- und Pfründestiftungen als Träger des Ortskirchenvermögens (insb. Immobilien). Eine Organisationsstufe zwischen Pfarrei und Diözese stellen die Dekanate dar, in denen mehrere Pfarreien zur örtlichen Aufsicht zusammengefasst sind. Sie haben meist keinerlei Rechtsfähigkeit. Auf rein pfarrlicher Ebene arbeiten Pfarrverbände für Seelsorgezwecke zusammen. Auf die zahllosen kath. Verbände und Einrichtungen kann hier nur allgemein hingewiesen werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die sozialen Einrichtungen (s.dort).
5. Das Leben der auch in Deutschland zahlreichen Ordensgemeinschaften unterliegt, gesondert von der normalen Kirchenhierarchie, je eigenen Regeln und zusätzlich umfangreichen Regelungen des CIC (can. 573-730; s. auch Dienst- und Ordensrecht).

II. Evangelische Kirche
1. „Evangelische Kirche“ ist eine höchst missverständliche, aber dennoch aus praktischen Gründen fast unvermeidliche Sammelbezeichnung für die in Deutschland derzeit 23 territorial und rechtlich selbständigen und jeweils an ein bestimmtes protestantisches Bekenntnis gebundenen Landeskirchen. Hinzu kommt die ebenfalls mit eigenen Kompetenzen und Rechtsetzungsgewalt versehene Körperschaft (Art. 137 V WRV/140 GG) Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), zu der sich die Landeskirchen föderativ zusammengeschlossen haben.

2. Die Landeskirchen der EKD und diese selbst sind nicht so hierarchisch wie die kath. Kirche. Das Gemeindeprinzip spielt eine viel größere Rolle. Die Kirchengemeinden (etwa 18.000 insgesamt) sind ebenfalls Körperschaften i. S. des Art. 137 V WRV/140 GG, deren Mitgliedschaft vom Wohnsitz abhängt. Die Organisationsstrukturen werden aber meist von den Landeskirchen festgesetzt (Kirchengemeindeordnungen). Die Pfarrer (Pastoren) werden je nach Landeskirche von dieser eingesetzt oder von der Gemeinde gewählt. Ihnen steht ein kollegiales, gewähltes Verwaltungsorgan zur Seite. Zwischen Gemeinde und Landeskirche gibt es meist Kirchenkreise (Dekanate, Superintendenturen), die i. d. R. ebenfalls Körperschaften sind. In ihnen gibt es Synoden. Teilweise gibt es noch größere Einheiten, meist Sprengel genannt, die überwiegend geistliche Aufgaben haben. Die Landeskirchen entsprachen ursprünglich weltlichen Herrschaftsgebieten. Obwohl sich zahlreiche Änderungen ergeben und sich schon viele Landeskirchen vereinigt haben, entsprechen die heutigen Landeskirchen i. d. R. nicht den Territorien der Bundesländer (Ausnahme: Bayern).

3. Die Landeskirchen der EKD sind (theoretisch) jeweils an ein Glaubensbekenntnis gebunden. Es gibt jedoch eine Fülle an protestantischen Bekenntnisschriften innerhalb und außerhalb Deutschlands. Nicht nur ihre Inhalte sind unterschiedlich, sondern auch die ihnen zugeschriebene Geltungskraft und das Verhältnis zueinander, zumal sich Landeskirchen gleichzeitig auf verschiedene Bekenntnisschriften berufen. Man unterscheidet im Grundsatz das lutherische, das reformierte und – seit 1815 – besonders missverständlich das unierte Bekenntnis. Die Landeskirchen sind entweder lutherisch oder uniert, bis auf zwei reformierte. Die ev.-lutherischen Kirchen stützen sich vornehmlich auf die altchristlichen Bekenntnisse, insb. das Nicänische Glaubensbekenntnis von 325, auf Bekenntnisschriften der Reformationszeit (insb. die Confessio Augustana von 1530 und Luthers großen und kleinen Katechismus) und auf die Barmer Theologische Erklärung von 1934. Einheitliche Bekenntnistexte gibt es nicht, und von Anfang an war der Spielraum groß. Es gibt daher nicht „die“ lutherische Kirche. Die ev.-luth. Landeskirchen haben sich zur praktisch wichtigen Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD) mit verschiedenen Organen, darunter das luth. Kirchenamt in Hannover, zusammengeschlossen, international sind sie im Lutherischen Weltbund vertreten.

Das reformierte Bekenntnis pflegt innerhalb der EKD u. a. die Evangelisch-reformierte Kirche, nicht aber der Reformierte Bund. Die reformierten Gemeinden verstehen sich als Erwählungsgemeinden in der Tradition Calvins. Das Geheimnis der Prädestination werde in den tatsächlichen Gemeinden sichtbar. Eine wichtige Schrift ist der Heidelberger Katechismus von 1563. Das Gemeindeprinzip wird stark betont, die Pfarrer werden gewählt. International sind die zahlreichen reformierten Kirchen im Reformierten Weltbund organisiert. Dem sog. unierten Bekenntnis gehören 12 Landeskirchen der EKD an. Die Evangelische Kirche der Union (EKU) ist aus den früheren evangelischen Landeskirchen Preußens hervorgegangen und umfasste die lutherischen und reformierten Kirchen, die 1817 durch Kabinettsordre zu Gottesdienst- und Sakramentsgemeinschaften zusammengefasst wurden. Von 1922 –1953 war die Bezeichnung Evangelische Kirche der altpreußischen Union. Ein eigenständiger dritter Bekenntnisstand war nicht beabsichtigt, Bekenntnisgebundenheit ist Sache der einzelnen Gemeinden. Die unierten und reformierten Landeskirchen arbeiten seit 1967 in der Arnoldshainer Konferenz zusammen, die wegen Beteiligung auch einzelner luth. Kirchen auch innerhalb der EKD eine wichtige Integrationsfunktion hat.

4. Der deutsche Gesamtprotestantismus wird durch die gleich nach Kriegsende formierte EKD repräsentiert, deren Verfassung von 1948 eine Struktur zwischen Kirchenbund und Bundeskirche darstellt. Die EKD hat nur sehr begrenzte Richtlinienkompetenz gegenüber den Landeskirchen, ihre Bedeutung liegt mehr in der Formulierung gemeinsamer Positionen gegenüber Staat, Politik und Gesellschaft. Sie unterhält eine Serie von Einrichtungen auf den verschiedensten Feldern wie Kirchenrecht, Familienberatung, Bibelwerk, Militärseelsorge usw. und ist eng verflochten mit Spitzenverbänden wie dem Diakonischen Werk (s. Soziale Einrichtungen) und dem Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (gep). Zentrales Leitungsorgan der EKD ist der Rat der EKD, der von Synode und Kirchenkonferenz gewählt wird. Die Kirchenkonferenz ist die Vertretung der Mitgliedskirchen, die Mitglieder der Synode (Gesetzgebungsorgan) werden von den Mitgliedskirchen entsandt und teilweise vom Rat berufen. Zentrale Behörde des Rats ist das Kirchenamt in Hannover, wo auch das luthereische Kirchenamt seinen Sitz hat.

Die EKD und alle ihre Gliedkirchen haben der Leuenburger Konkordie von 1973 zugestimmt, wonach europäische reformatorische Kirchen Kirchengemeinschaft pflegen auf Grund einer „Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums“. Anerkannt werden Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit möglicher Interzelebration (Einheit in Verschiedenheit). Historische gegenseitige Lehrverurteilungen werden für gegenstandslos erklärt. Weltweit ist die Zusammenarbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) mit Sitz in Genf. Ihm gehören über 300 Kirchen (mit Ausnahme der katholischen) an, die „den Herrn Jesus Christus gemäß der Hl. Schrift als Gott und Heiland bekennen“.

5. Insgesamt sind die Verhältnisse im Protestantismus zumindest verworren und schwer durchschaubar. Inwieweit die verschiedenen protestantischen Bekenntnisse in der deutschen Praxis überhaupt noch eine Rolle spielen, erscheint angesichts der starken Selbstsäkularisierung des Protestantismus ebenfalls fraglich (s. Kirchen- und Religionsstatistik). Der evangelische Kirchenhistoriker Besier spricht in aller Schärfe davon, der Einheit in der äußeren Form der Volkskirche mangele es durchaus am Konsens aus der Hl. Schrift.[1] Er zitiert die Aussage des abtrünnigen Neutestamentlers Gerd Lüdemann, der das Sprechen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses im Gottesdienst für das abergläubische „Murmeln einer antiken Religion“ hält, und meint, er sei wohl nicht der Einzige, der so denkt[2]. Die evangelische. Theologie ist nach Besier geprägt durch tiefe „Unsicherheit und Zerrüttung des Faches“[3] und die Volkskirchen befänden sich im „Zustand fortgeschrittener Auflösung“[4] (vgl. auch Theologie und Wissenschaft).

>> Kirchenmitgliedschaft; Kirchenrecht; Körperschaftsstatus; Sozialeinrichtungen; Statistik; Theologie; Vatikan.

Literatur:

  • Evangelisches Kirchenlexikon (EKL).
  • EvStL, 2 Bde 1987, Neuausgabe 2006.
  • Handbuch des katholischen Kirchenrechts, Regensburg, 2. A. 1999.
  • www.dbk.de (Katholische Bischofskonferenz).
  • www.ekd.de  (zentrales Web-Portal).
  • www.katholisch.de  (zentrales Web-Portal).
 


  • [1] G. Besier, konzern kirche, 1997, 218.
  • [2] a. a. O. 146.
  • [3] a. a. O. S. 154.
  • [4] a. a. O. 161.

© Gerhard Czermak / ifw (2017)