Statistik

I. Allgemeine Hinweise

Aus der Fülle der Deutschland betreffenden Daten können nur wenige Hinweise gegeben werden. Zur Ergänzung sei in erster Linie auf das umfassende Internet-Portal der "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (fowid) verwiesen, das vor allem offizielle Daten des Bundesamts für Statgggistik und der großen Kirchen sowie die Ergebnisse zahlreicher Umfragen zu einer Fülle von einzelnen Aspekten verwertet, ggf. ergänzt und grafisch aufbereitet. Darauf basiert im Wesentlichen das Folgende. Wegen der Mitgliederzahlen zu den größeren Religionsgemeinschaften außerhalb der Kirchen siehe den Artikel Religionsgemeinschaften.

II. Mitgliedszahlen bzw. Zugehörigkeiten

1. Statistisch bemerkenswert ist der starke und stetige Mitgliederverlust der großen Kirchen in den letzten Jahrzehnten, der hauptsächlich auf die "Kirchenaustritte"[1] zurückzuführen ist, aber auch auf die seit Jahrzehnten geringere Zahl von Taufen als von Sterbefällen. Nicht nur die Geburtenzahl ist zurückgegangen, sondern auch der Prozentsatz der Getauften.

In der alten Bundesrepublik ging das kirchliche Leben ab etwa 1970 erdrutschartig zurück. 1950 waren noch über 96 % der Bevölkerung Mitglied einer der beiden großen Kirchen, mit einem etwas größeren Anteil der Protestanten. 1970 waren es immer noch knapp 94 %. Aber 1987 waren bereits 15,5 % der Bevölkerung nicht (mehr) Mitglied in einer dieser beiden Kirchen, davon 11,4 % "Konfessionsfreie". Die Katholiken waren nunmehr, wegen ungleich stärkerer Austrittszahlen bei den Protestanten, schon etwas stärker als die EKD-Kirchen.

Infolge der Wiedervereinigung stieg der Anteil der Konfessionsfreien (Konfessionslosen) auf 22,4 % und in beiden Teilen Deutschlands verstärkten sich die Mitgliederverluste beider Kirchen. Für 2004 lauten die Zahlen nach Feststellungen und Berechnungen von fowid 31,1 % röm.-kath., 31,0 % ev., 3,9 % islamisch und 1,7 % sonstige, während die Konfessionsfreien mit 32,7 % nunmehr bereits deutlich die stärkste (freilich inhomogene) "Konfession" darstellten; ihnen müsste noch der beachtliche Teil säkular denkende Teil der "Muslime" (die ja keine formale Religionszugehörigkeit kennen) zugerechnet werden. Demnach gehörten 2004 nur noch 62,1 % der Bevölkerung formal einer der großen Kirchen an. Im selben Jahr erklärten gut 141.000 Protestanten und 101.000 Katholiken den Kirchenaustritt, nachdem es in den Jahren zuvor noch mehr gewesen waren. Der Vergleich der Austrittszahlen aus der evangelischen wie der katholischen Kirche zeigt, dass die Trendlinien parallel verlaufen, d.h. dass allgemeine gesellschaftliche Ursachen dafür anzunehmen sind. Nach wie vor ist innerhalb der evangelischen Kirche eine erheblich größere "kritische Masse" für einen Kirchenaustritt vorhanden.

Nach dem zum 1.1.2014 verfügbaren Statistikmaterial lauteten die Zugehörigkeitsdaten etwa wie folgt:

  • Konfessionsfreie (2013) 27,5 Mill., 34,0%
  • Römisch-katholische Kirche (2013), 24,2 Mill., 29,9%
  • Evangelische Kirche (2012), 23,4 Mill., 28,9%
  • Islamisch (2013), 2.1 Mill., 2,6% (geschätzt, ohne die Nichtreligiösen)
  • Sonstige (2011), 1,8 Mill., 2,2%
  • Orthodoxe Kirchen (2011), 1,1 Mill., 1,3%
  • Evangelische Freikirchen (2011), 714.000, 0,9%
  • Jüdische Gemeinden (2013), 101.000, 0,1%.[2]

Entscheidend dabei ist, dass die den großen Kirchen formal Angehörigen nur noch 59% ausmachten, während dem bereits 34% Konfessionsfreie gegenüberstanden. Bei ihnen ist allerdings der Organisationsgrad bei weitem am geringsten.

Für Ende 2015 hat fowid (s. u.) folgende Zahlen genannt: Konfessionsfreie 36 %, katholisch 28,9 %, ev. 27,1 %, konfessionsgebundene Muslime 4,4 %, Sonstige 3,6 %. D. h., dass die Zahlen für Protestanten (erheblich) und Katholiken (deutlich) weiter abgenommen haben. Auffällig ist die erheblich größere Zahl der Muslime, bei denen fowid nunmehr von 80 % Praktizierenden ausgeht, weil die Zahl der organisierten Muslime gering ist (ca. 20 %). Nach dem Kriterium der Gläubigkeit wäre aber die Zahl der katholischen und evangelischen Christen noch dramatisch geringer als angegeben, da die Zahl der an einen persönlichen Gott Glaubenden (ein Mindesterfordernis) auch bei ihnen weitaus weniger als 50 % beträgt (s. unten zur Gottesfrage). Allein die Zahl der Agnostiker und "Atheisten", die aus unterschiedlichen Gründen formal noch einer der großen Kirchen angehören, ist beachtlich.

Ergänzend wird auf die Erläuterungen bei fowid wird verwiesen. Detaillierte Zahlen zur internen Aufschlüsselung nennt der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst REMID.[3]

III. Hintergrunddaten zur Statgggistik

Solche Statistiken sind eingebettet in größere Zusammenhänge, deren Erforschung die formalen Mitgliedschaften (die wegen der Kirchensteuer fast nur in Deutschland diese Bedeutung haben) zum erheblichen Teil in einem anderen Licht erscheinen lässt. Kirchenmitglieder lehnen in großem Umfang zentrale Glaubenspositionen ihrer jeweiligen Konfession ab. Es kann hier nur auf einzelne Punkte eingegangen werden. Obwohl noch etwa 2/3 der Bundesbürger einer Kirche oder kleinen Religionsgemeinschaft angehören, beträgt der Anteil derer, die sich als "religiös" bezeichnen, nach den meisten "repräsentativen" Umfragen heute bereits weniger als 50 %.

Nach einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) bezeichneten sich in Deutschland 1997 nur 47 % als "religiös". Nur 31 % hielten Religion für wichtig und 66 % für nicht sehr oder überhaupt nicht wichtig (so das Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 10 [1993-1997], 1997, S. 257 ff.). Laut einer detaillierten Untersuchung des Emnid-Instituts im Auftrag der evangelischen Wochenzeitung "Das Sonntagsblatt" von 1997 zum Gottesglauben glaubten zwar 56,8 % an "Gott", doch erklärten 48,5 % "Gott ist in der Natur" und 43,9 % "Gott ist eine universale Kraft". Nur 21,4 % wiesen "Gott" im Weltgeschehen eine aktive Rolle zu, und an einen Gott als persönliches Gegenüber zum Menschen glaubten sogar nur 17,3 %. Nach Angaben des Sonntagsblatts waren es auch in Bayern nicht mehr als 31 % (vgl. KNA v. 17.6.1997). Einer für Focus 1999 erstellten Repräsentativumfrage zufolge glaubten gar nur ca. 12 % an einen persönlichen Gott. Nach der o. g. Umfrage des Sonntagsblatts haben nicht weniger als 26 % der Formalprotestanten und 16 % der Formalkatholiken erklärt, nicht an "Gott" zu glauben. Eine Repräsentativumfrage von Data Concept für Focus vom März 1999 kommt zwar auf 65 %, die irgendeine Gottesvorstellung haben, aber nur 12 %, die an einen persönlichen Gott glauben.

Nach der sehr detaillierten ALLBUS-Studie von 2002 glaubten von den Protestanten 23,3 % und von den Katholiken 35,5 % an einen persönlichen Gott, und bei allen Befragten waren es 25,2 %.[4] Interessant ist die umfangreiche Shell Jugendstudie 2006, die 12‑ bis 25-Jährige repräsentativ erfasst. Zwar ist demnach der Glaube an einen persönlichen Gott etwas weiter verbreitet, nimmt aber dafür mit zunehmendem Alter ab. Nach der großen ALLBUS-Studie von 2012 gaben zwar noch über 50% der Bevölkerung an, an "Gott" zu glauben, an einen persönlichen Gott glaubten aber nur 25% der Befragten. Das Wort "Gott" wird eben benutzt, weil das gesellschaftsüblich ist. Aber kann man von Jemand, der die vier Buchstaben GOTT benutzt, aber z. B. angibt, die Natur sei Gott, sinnvollerweise sagen, er sei gläubig bzw. religiös? Nach einem solchen Verständnis wären auch die Nichtgläubigen Einstein oder Erich Fromm religiös gewesen. Mit solchen Vereinnahmungen und Selbsttäuschungen wird nur vertuscht, wie sehr der religiöse Glaube in die Minderheit geraten ist. In vielen deutschen Großstädten sind die Konfessionsfreien in der Mehrheit. In Magdeburg sind es ca. 90%, gefolgt von Halle, Chemnitz, Leipzig, Dresden, Erfurt. In Berlin sind über 70% konfessionsfrei, es folgen Hamburg und Frankfurt a.M. Selbst in München stellten die Konfessionsfreien 2016 schon über 50%.

Noch nicht berücksichtigt sind bei den genannten Daten die erheblichen Flüchtlingszahlen insbesondere des Jahrs 2015, die die Zahl der Religiösen in der Größenordnung von 1% steigen lassen wird. Das kann den Rückgang der Kirchen bestenfalls vorübergehend stabilisieren.

Das allgemeine Problem statistischer Erhebungen ist die Vergleichbarkeit. Fragen-Beispiele: Welche Altersgruppen genau sind einbezogen? Sind alle Voraussetzungen für die Annahme der demoskopischen Repräsentativität gegeben? Ergibt sich eine Verfälschung auf Grund der Erhebung zu einem bestimmten Zeitpunkt, etwa nach einer Papstwahl? Von überragender Bedeutung dürfte die Art (Suggestivität?) und die ausreichende Differenziertheit der Fragestellung sein (Musterbeispiel: Frage nach "Gott"). Ungeachtet der unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich aber doch ziemlich sichere Angaben über Größenordnungen und Tendenzen machen.

IV. "Patchwork-Religion"

Angaben über Inhalte und Struktur einzelner Glaubensinhalte (Göttlichkeit Jesu, Auferstehung, Verbindlichkeit der Bibel, Himmel, Hölle, das Böse, Reinkarnation, Hexen, Engel, Astrologie usw.) verbieten sich aus Raumgründen. Im Ergebnis ist festzustellen, dass nur ein relativ kleiner Bruchteil der Kirchenmitglieder auch nur die zentralen Vorgaben ihrer jeweiligen Konfession akzeptiert. Die religiöse Praxis (insbesondere: Gottesdienstbesuch) und der religiöse Kenntnisstand haben auch im Westen Deutschlands, trotz langjährigen Religionsunterrichts, dramatisch abgenommen. Viele Menschen basteln sich konfessionsunabhängig eine persönliche "Patchwork-Religion" zusammen. Die diesbezüglichen einzelnen Umfrageergebnisse passen vielfach überhaupt nicht zusammen, sondern widersprechen sich manchmal direkt: ein Zeichen für große Irrationalität. Gleichzeitig verhalten sich dieselben Menschen im Alltag meist rational. Der Rückgang insbesondere der konfessionellen Religion in Deutschland verläuft parallel in Ost und West, nur auf unterschiedlichem Niveau. Über Motive einer Rest-Kirchenbindung trotz erklärter Austrittsneigung kann man sich z. B. bei fowid informieren.

>> Kirchenmitgliedschaft; Konfessionsfreie; Religionsgemeinschaften; Soziologie; Weltanschauungsgemeinschaften.

Literatur

  • Ebertz, Michael N.: Kirche im Gegenwind. Zum Umbruch der religiösen Landschaft. 3. A. Freiburg i. Br. 1999, 189 S.
  • Feige, Andreas/Lukatis, Ingrid: Empirie hat Hochkonjunktur. Ausweitung und Differenzierung der empirischen Forschung in der deutschsprachigen Religions- und Kirchensoziologie seit den 90er Jahren – ein Forschungsbericht (mit ausführlicher Bibliographie), in: Praktische Theolgggogie 39, 2004,1,12-32.
  • Hurrelmann, K. /Albert, M.: Jugend 2006, 15. Shell Jugendstudie, 2006 (Fischer-Taschenbuch).
  • Pollack, Detlef/Pickel, Gert: Deinstitutionalisierung des Religiösen und religiöse Individualisierung in Ost- und Westdeutschland, in: Kölner Zeitschrift für Sozioggglogie und Sozialpsychologie 55, 2003, 447-474.
  • Ziebertz, Hans-Georg (Hg.), Erosion des christlichen Glaubens? Umfragen, Hintergründe und Stellungnahmen zum "Kulturverlust des Religiösen", Münster 2004, 104 S.

 


  • [1] s. zu den rechtlichen Merkwürdigkeiten dieser gegenüber dem Staat abgegebenen Erklärungen den Spezialartikel.

© Gerhard Czermak/ ifw (März 2017)