Diskriminierender Ethikunterricht an einer bayerischen Grundschule: Der Fall der Frau S - Ordnungswidrigkeitenverfahren

Sachverhalt

Die Tochter der Frau S. besucht im streitgegenständlichen Zeitraum die 4. Klasse einer bayerischen Grundschule. Frau S. meldet ihre Tochter aus weltanschaulichen Gründen vom verpflichtenden Religionsunterricht ab. Deshalb muss die Tochter gemäß Art. 76, 119 Abs. 1 Nr. 2, 47 BayEUG den Ethikunterricht als reguläres Pflichtfach besuchen. Dieser findet immer einmal die Woche am Nachmittag in der Zeit von 13.30 Uhr bis 15 Uhr statt. Es ist der einzige Unterricht am Nachmittag an dieser Schule. Der Religionsunterricht findet stets am Vormittag statt. Dies empfindet Frau S. als Diskriminierung.  Eine weitere Diskriminierung ergibt sich ihrer Ansicht nach daraus, dass der Vormittagsunterricht erst um 13 Uhr endet und somit offiziell nur eine Pause von 30 min zur Verfügung steht. Während der ohnehin sehr kurzen Mittagspause werden die Kinder zudem bereits um 13.15 Uhr in das Klassenzimmer geschickt, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Insgesamt beträgt die Pause zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagsunterricht somit nur 15 Minuten. Trotz des Nachmittagsunterrichts erhalten die Kinder zudem noch Hausaufgaben, welche bis zum darauf folgenden Tag von ihnen zu erledigen sind. Ferner wird der Ethikunterricht nicht von einer ausreichend qualifizierten Lehrkraft erteilt und während des Religionsunterrichts erfolgt eine Betreuung der nicht am Religionsunterricht teilnehmenden Kinder durch eine Person, die ein Freiwilliges Soziales Jahr an der Grundschule absolviert. An acht Terminen nimmt die Tochter der Frau S. auf ihre Veranlassung hin deshalb nicht am Ethikunterricht teil, woraufhin ein Bußgeldbescheid gegen sie als Erziehungsberechtigte ergeht.

Verfahrensstand

Im Verfahren vor dem Amtsgericht trägt Frau S., vertreten durch das ifw-Beiratsmitglied Rechtsanwalt Eberhard Reinecke, vor, dass der Nichtbesuch des Ethikunterrichts nicht rechtswidrig war, da der Ethikunterricht an der Grundschule selbst erkennbar diskriminierend und damit rechtswidrig durchgeführt wird. Die Diskriminierung ergebe sich dabei aus den einzelnen Gesichtspunkten, aber auch aus der Gesamtschau. Gerade in der Gesamtschau werde deutlich, dass offenbar von Seiten der Schule eine massive Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern betrieben werde, die den Ethikunterricht besuchen und damit ein unzulässiger Druck auf die Teilnahme am Religionsunterricht ausgeübt werde (vgl. BVerwG, Az.: 6 C 11/97). Aufgrund der rechtswidrigen Unterrichtsgestaltung läge folglich kein unentschuldigtes Fehlen vor, da der Persönlichkeitsschutz der Tochter und ihre Gesundheit höherrangige Rechtsgüter seien. Das Amtsgericht setzt sich im Einzelnen weder mit der vorstehend skizzierten Argumentation noch mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auseinander. Es verurteilt Frau S. wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Verpflichtungen aus Art. 76 BayEUG zu einer Geldbuße von 40 Euro. Die zeitliche Lage des Ethikunterrichts sei auf schulorganisatorische Gründe zurückzuführen und stelle keine Diskriminierung derjenigen Kinder dar, die keinen Religionsunterricht besuchen. 

Dass die parallele Durchführung von Ethik- und Religionsunterricht nicht möglich gewesen sein soll, ist jedoch bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil das Schulamt vorträgt, dass jede Lehrkraft an der Grundschule Ethik unterrichten könne.

Deswegen stellt Frau S. Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde an das Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht verwirft am 14.03.2017 den Antrag der Frau S. als unbegründet. Im angefochtenen Urteil sei lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG dürfe daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten sei, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen. Einen solchen Fall nimmt das Oberlandesgericht vorliegend jedoch nicht an. Da die Tochter der Frau S. zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits auf eine weiterführende Schule gewechselt war, entscheidet Frau S. die Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen.