Warum Atheisten Kirchensteuer zahlen: Der Fall Herr K gegen die Bundesrepublik Deutschland

Sachverhalt

Das Finanzamt hat zulasten des Herrn K im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung einen ihm zustehenden Steuererstattungsanspruch automatisch mit dem Anspruch der Kirche gegen seine evangelische Ehefrau auf Zahlung des besonderen Kirchgeldes verrechnet. Mithin war er hier nicht nur mittelbar, sondern sogar unmittelbar betroffen und musste direkt das besondere Kirchgeld für seine evangelische Ehefrau zahlen.    

Verfahrensstand

Gegen diese Heranziehung zum besonderen Kirchgeld hat Herr K erfolglos Einspruch beim Finanzamt eingelegt. Da Herr K sich durch die Verrechnungspraxis in seiner Weltanschauungsfreiheit verletzt fühlte, legte er Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Dieser hat mit Urteil vom 06.04.2017 (Az.: 1038/11) entschieden, dass die Verrechnungspraxis des deutschen Staates zwar einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit des Beschwerdeführers darstelle. Im Rahmen einer Gesamtabwägung und unter Verweis auf Effektivitätsgesichtspunkte bei der Einziehung der Kirchensteuer sowie den weiten Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihres Kirchensteuersystems hielt der Gerichtshof diesen Eingriff im Ergebnis jedoch für gerechtfertigt. Unberücksichtigt blieb dabei, dass das deutsche Steuerrecht eine solche Verrechnungsmöglichkeit überhaupt nicht vorsieht. Nach der deutschen finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist eine solche Verrechnung rechtswidrig und aufzuheben. Die Kammer befasst sich in dem Urteil zudem ausschließlich mit der Rechtmäßigkeit der Verrechnung der Forderung der Kirche gegen die Ehefrau mit dem Erstattungsanspruch des Beschwerdeführers K. Die Rechtmäßigkeit der Verrechnung setzt rechtlich notwendig jedoch die Rechtmäßigkeit des Bestehens der Forderung voraus. Wenn eine Forderung nicht rechtmäßig ist, kommt es auf die Rechtmäßigkeit ihrer Verrechnung nicht mehr an.

Folglich hat Herr K am 28.06.2017, vertreten durch ifw-Direktoriumsmitglied Jacqueline Neumann, einen Antrag auf Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestellt. Der Ausschuss der Großen Kammer hat den Antrag auf Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer am 13.11.2017 abgelehnt. Das bedeutet, dass der Ausschuss der fünf Richter davon ausgeht, dass die Voraussetzungen einer Verweisung nach Art. 43 Abs. 2 EMRK nicht vorliegen ("...Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung dieser Konvention oder der Protokolle dazu oder eine schwerwiegende Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft..."). Begründet hat der Richterausschuss seine Entscheidung nicht. Damit ist das Urteil vom 06.04.2017 rechtskräftig.

Kommentare zum EGMR-Kammer-Urteil vom 06.04.2017:

Blog Schneeflocke: EGMR – KKK und die Kirchensteuer       

LTO: Konventionsgemäß, aber verfassungswidrig

hpd: Kirchen dürfen auch weiterhin munter in die Taschen von Nicht-Mitgliedern greifen