Bestattungswesen

I. Gesellschaftliche Bedeutung und neuere Entwicklungen

1. Das Bestattungswesen ist alles andere als nebensächlich und auch Ausdruck der jeweiligen Gesellschaftskultur. In einer alternden Gesellschaft, die zugleich fremden Kulturen Rechnung tragen und entsprechend den Wünschen der Bürger neue Entwicklungen aufnehmen soll, sind traditionelle rechtliche Regelungen in den Bundesländern auf breiter Ebene ins Wanken geraten. Die Gemeinden, die auf der Grundlage von Landesgesetzen jeweils eigene Friedhofssatzungen erlassen, sind mit ca. 28.000 Friedhöfen betroffen. Hinzu kommen noch einige tausend kirchliche Friedhöfe, bei denen sich zusätzliche Fragen stellen (s. unten IV).

Es geht im Bestattungswesen um Ortsplanung, den Friedhofszwang, die Bestattungspflicht (Angehörige, Lebenspartner, Sozialhilfeverwaltung), Kostenfragen (z.B.: was gehört zu den sozialhilferechtlich erstattungspflichtigen Aufwendungen für eine angemessene, ggf. den religiösen Erfordernissen entsprechende Bestattung). Die Fragen der Friedhofsverwaltung sind vielfältig. Es geht um die Verwaltung und Kontrolle der Grabstätten, um Gestaltungsvorschriften, um die Koordinierung der zeitlichen und räumlichen Abläufe der Trauerfeiern, die Feuerbestattung mit Urnengräbern, die Zulässigkeit privater Urnengräber, um Gebührenerhebung, Leichenschau, hygienische Fragen, die Zulässigkeit von Pappsärgen, den Sargzwang, Seebestattung, anonyme Bestattungen, Überführung von Leichen vom und ins Ausland, Behandlung von Fehl- und Totgeburten, Regelungen für das Bestattungsgewerbe unter Berücksichtigung der Konkurrenzsituation (Zulassung von Bestattungsunternehmen, von weltlichen Trauerrednern, Vorschriften für Steinmetze und Gärtner).

2. Bemerkenswert ist die neue Bewegung der Errichtung von sog. Friedwäldern. Bei dieser alternativen und stark zunehmenden Bestattungsform wird die Asche Verstorbener i. d. R. in einer biologisch abbaubaren Urne direkt an den Wurzeln eines Baumes beigesetzt, der in einem als Friedwald ausgewiesenen Wald steht. Träger sind meist Gemeinden, z. T. auch Private. Friedwälder sind öffentlich ausgewiesen und öffentlich zugänglich und (bisher) in der Regel religiös-weltanschaulich neutral gestaltet. Sie erfordern neue Regelungen, die in manchen Bundesländern schon geschaffen wurden. Von christlicher Seite wurde zwar gelegentlich kritisiert, es handele sich um naturreligiös verbrämten Kommerz. In der Friedwald-Konzeption wird der Gedanke der Rückkehr des Leibes in den Naturkreislauf besonders anschaulich, was naturreligiösen Ansichten oder dem Atheismus entgegenkommt. Sie ist aber auch nach Meinung der EKD ohne weiteres mit dem Christentum vereinbar. Für sie sprechen die lange Liegezeit (99 Jahre) sowie die wesentlich geringeren Kosten.

3. Da bereits ein gutes Drittel der deutschen Gesamtbevölkerung formal keiner Religionsgemeinschaft angehört und auch formal Kirchenangehörige nicht immer eine kirchliche Bestattung wünschen, ergibt sich häufig das Problem der weltlich-neutralen Trauerfeier und Bestattung. Fast überall sind jedoch Bestattungsunternehmen in der Lage, weltliche oder neutrale Bestattungsredner zu vermitteln.

II. Rücksichtnahme auf religiöse Belange

1. Trotz des dramatischen Rückgangs der Zahl kirchlicher Bestattungen in Großstädten ist vielfach auf religiöse Belange Rücksicht zu nehmen. Bewusst nichtreligiöse Menschen empfinden es als Ärgernis, wenn man es ihnen bzw. ihren Verstorbenen häufig zumutet, in einer solchen Lebenssituation in Trauerhallen und -kapellen religiösen Symbolen ausgesetzt zu werden, die sie für sich stets abgelehnt haben. Vielerorts dürfte es nötig sein, auf der Ergreifung rechtzeitiger Maßnahmen (Entfernung, Verhüllung) ausdrücklich zu bestehen. Aber welcher u. U. traumatisierte Angehörige hat die Nerven, so etwas zu tun? Das Verständnis für die gebotene religiös-weltanschaulich Neutralität kommunaler Einrichtungen ist nicht überall groß.

Ein Sonderproblem ist das der rein kirchlichen Ausrichtung staatlich-öffentlicher Trauerfeiern, vor allem bei Katastrophenfällen, weil das mit dem Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats kaum zu vereinbaren ist, vor allem in Regionen mit mehrheitlich nicht-religiöser Bevölkerung. Religiös ausgerichtete staatlich-öffentlicher Trauerfeiern sind Ausdruck einer Zivilreligion, die es in unserer Verfassungskultur nicht geben darf, weil sie als Zwangsideologie einem großen Teil der Bürger aufgenötigt wird.

2. Ein wichtiger Bereich ist die Frage der Rücksichtnahme auf fremde Bestattungskulturen, insbesondere die islamische mit ihren zahlreichen und z. T. erheblichen Besonderheiten. Zwar wird immer noch ein großer Teil der in Deutschland verstorbenen Muslime in ihre "Heimatländer" überführt. In Deutschland steigt daher das Bedürfnis, den entsprechenden religiös-kulturellen Bedürfnissen mit stark abweichenden Bestattungssitten nach Möglichkeit gerecht zu werden. Da der Islam nicht zu den korporierten Religionsgemeinschaften (Art. 137 V WRV/140 G) gehört, können die muslimischen Religionsgemeinschaften keine Friedhöfe errichten (eine unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 GG und der Parität allerdings fragliche Auffassung). Die nach dem Tod zunächst vorzunehmende rituelle Waschung durch Angehörige, hilfsweise andere Muslime, kann mittlerweile auf vielen Friedhöfen vorgenommen werden. Nach der Waschung wird der Verstorbene in weiße Leichentücher gewickelt und dann nach der Ausführung des rituellen Totengebets üblicherweise in der Erde beigesetzt. Häufig wird noch die Verwendung von Särgen aus Vollholz oder Metall verlangt, was Kompromisse zur Folge hat. Teilweise wurde der Sargzwang schon aufgehoben bzw. ausnahmsweise ermöglicht. Da Muslime alleine beerdigt werden müssen, kommen nur Reihengräber mit Einzelbelegung in Frage, wobei sich das Problem der ewigen Totenruhe ergeben kann. Auch gerät die im Islam übliche Plattenabdeckung der Gräber leicht in Widerspruch zu Grabgestaltungsvorschriften. Die Probleme sind durch Liberalisierung der Vorschriften und z. T. mögliche Anpassung der islamischen Gepflogenheiten zu lösen. So haben viele Städte islamische Gräberfelder ermöglicht. Islamische Theologen haben Möglichkeiten entwickelt.

Da auch bei islamischen Bestattungen ohne Särge die gesundheitspolizeilichen Erfordernisse erfüllt sein müssen, entfällt damit die Begründung für den Sargzwang generell und müsste die ausgesprochen teure Verwendung von Holzsärgen, womöglich aus Eiche, bei Akzeptanz rationaler Gründe nach und nach Pappsärgen weichen.

III. Überreglementierung

Das deutsche Bestattungsrecht gilt als stark überreglementiert. Mit dem Unsinn zahlreicher schematisierender gemeindlicher Gestaltungsvorschriften (z. B. Verbot schwarzer, weißer oder polierter Grabsteine, von Bildern u. a.) und ihren z. T. lächerlichen Begründungen (Beeinträchtigung der Totenruhe, der Würde der Verstorbenen) haben sich früher oft Gerichte beschäftigen müssen. Kleinkarierte bürokratische Regelungswut ist gerade in einem Bereich so persönlicher und für viele Bürger auch religiöser Bedeutung verfehlt.

IV. Kirchliche Friedhöfe

1. Für die kirchlichen Friedhöfe gelten rechtliche Besonderheiten. Sie haben trotz ihrer im Vergleich zu kommunalen Friedhöfen insgesamt viel geringeren Anzahl in vielen Orten und Regionen eine monopolartige Stellung, was die Zulassung auch Anders- oder Nichtgläubiger erzwingt. Es steht den Religionsgemeinschaften – konkret: den großen Kirchen – frei, im Rahmen staatlicher Gesundheitsvorschriften eigene Friedhöfe zu unterhalten oder nicht. Die Rechtspraxis lässt es genügen, wenn am Ort ein kirchlicher Friedhof existiert, der allen Bürgern unabhängig von Religion und Weltanschauung zur Verfügung steht. Der politischen Gemeinde soll dann freigestellt sein, einen eigenen Friedhof zu errichten oder nicht. Kirchliche Friedhöfe werden als hoheitliche öffentlich-rechtliche Einrichtungen angesehen, deren Verwaltung ganz wie staatliche Behörden gerichtlich überprüfbare Verwaltungsakte erlässt und auch gegenüber Andersdenkenden kirchlich-öffentliche Hoheitsgewalt ausübt. Sie gelten als Gemeinsame Angelegenheit (res mixta) von Staat und Kirche. Zumindest kirchliche Monopolfriedhöfe müssen daher auch die staatlichen Grundrechte einhalten. Daher haben etliche Verwaltungsgerichte entschieden, dass zumindest Monopolfriedhöfe keine Gebührenzuschläge für Nichtgläubige erheben dürfen, was vielerorts üblich war.

Die selbst von hohen Gerichten nicht problematisierte Praxis, kirchliche Friedhöfe wie kommunale zu behandeln, befindet sich aber "im Nebel widersprüchlicher Ansichten" (L. Renck) und in auffälligem Widerspruch zu ansonsten anerkannten rechtlichen Kriterien. Wer rechtliche Meinungsverschiedenheiten mit der kirchlichen Friedhofsverwaltung hat, muss z. B. auch als Konfessionsloser, der bei Trauerfeierlichkeiten keine religiösen Symbole akzeptiert, womöglich mit der kirchlichen Verwaltung deswegen streiten. Aber wer streitet, womöglich als Trauernder, gern in Angelegenheiten eines solchen Orts des Gedenkens und der Besinnung? Da die bisherige Handhabung im Allgemeinen reibungslos funktioniert oder von Angehörigen unwillig hingenommen wird, werden die Grundprobleme nicht öffentlich wahrgenommen.

2. Die Grundsatzproblematik kann hier nur angedeutet werden. Kirchliche Friedhöfe sind eine Sache der kirchlichen Religionsausübungsfreiheit und gehören wohl zum Kernbereich der Kultfreiheit, Art. 4 II GG. Sie sind Sache des religiösen Selbstverwaltungsrechts, Art. 137 III WRV/140 GG. Daher brauchen sie grundsätzlich keine staatlichen Beschränkungen hinzunehmen. Dem Staat ist nach richtiger Ansicht selbst bei kirchlicher Duldung jede Einmischung untersagt, so wie auch bei der Gestaltung des Gottesdienstes. Es fehlt die erforderliche verfassungsrechtliche Ausnahme-Ermächtigung zu einer hoheitlichen Tätigkeit. Sie ergibt sich weder aus dem besonderen Körperschaftsstatus des Art. 137 V WRV/140 GG, noch aus Gewohnheitsrecht (das bei Hoheitseingriffen nie in Frage kommt), noch aus gesetzlicher Beleihung (Delegation kommunaler Aufgaben), noch gar aus der rein historischen Praxis.[1]

3. Die Folge dieser Auffassung wäre, dass kirchliche Friedhöfe unabhängig vom Monopolcharakter niemals allgemeine öffentliche Friedhöfe, sondern stets sakrale Einrichtungen sind, dass der kirchliche Friedhofsträger seine Friedhofsordnung als interne Sache beliebig gestalten kann, z. B. Nichtgläubige ausschließen oder mit höheren Entgelten belegen kann. Das Verhältnis zum Friedhofsbenutzer wäre vertragsrechtlich. Staatliche Vorschriften wären nur bezüglich des nicht selbstbestimmten Bereichs einzuhalten, insbesondere gesundheitspolizeiliche. Diese nach hier vertretener Auffassung verfassungsrechtlich zwingende Position würde Inkonsequenzen und staatliche Übergriffe in religiöse Zuständigkeiten vermeiden. Sie hätte aber auch zur Folge, dass sich Gemeinden nicht um ihre Pflichtaufgabe drücken können, religiös-weltanschaulich neutrale kommunale Friedhöfe mit allen Schutzmöglichkeiten des öffentlichen Rechts zu betreiben. Eine Systemumstellung würde wohl rechtliche Übergangslösungen erfordern.

>> Kooperation; Grundrechte in der Kirche; Körperschaftsstatus; Konfessionsfreie; Weltanschauungsfreiheit; Res sacrae; Selbstverwaltungsrecht; Trennungsgebot.

Literatur:

  • Gaedke, Jürgen: Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts. Mit ausführlicher Quellensammlung des geltenden staatlichen und kirchlichen Rechts. 11. A. Köln u. a. 2015, 1000 S. (Neubearb. Joachim Diefenbach).
  • Hertlein, Katja: Der rechtliche Rahmen für Bestattungen nach islamischen Vorschriften, NVwZ 2001, 890 f. (mit Auflistung islamischer Bestattungsgepflogenheiten).
  • Köster, Magdalena: Den letzten Abschied selbst gestalten. Alternative Bestattungsformen. Berlin 2008, 200 S.
  • Renck, Ludwig: Rechtsprobleme der Benutzung kirchlicher Friedhöfe, DÖV 1993, 517-523 (krit.)
  • www.bestattungsrede.de  (Bernhard Wieser. die private Webseite enthält über Verweisungen eine Fülle an Informationen, z. B. Literaturangaben, zur Gesamtproblematik Sterben, Tod, Trauer, Gedenkkultur).
  • https://fowid.de/schlagworte/bestattungen  
  • www.postmortal.de   (umfangreiche, auch kulturhistorische Informationen zur Gesamtproblematik Tod. eingehende Rechtsinformationen. Literaturhinweise. zahlreiche Links).
  • bestattungsplanung.de/.../bestattungsgesetze.html  (Landesbestattungsgesetze)
 


  • [1] wie hier insbesondere eingehend L. Renck a. a. O. und Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, 234 ff.).

© Gerhard Czermak / ifw (2017)