2. Stellungnahme der gbs zu den Verfassungsbeschwerden gegen § 217 StGB

Dr. Jacqueline Neumann|Giordano-Bruno-Stiftung
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2. Stellungnahme zu den
Verfassungsbeschwerden gegen § 217 StGB

gemäß § 27a BVerfGG zu den Verfahren 2 BvR 1494/16 (Beschwerdeführer Thöns/Matenaer), 2 BvR 1593/16 (Beschwerdeführer de Ridder), 2 BvR 1624/16 (Beschwerdeführer Weiß), 2 BvR 1807/16 (Beschwerdeführer Spittler) und 2 BvR 2354/16 (Beschwerdeführer Beck/Vogel/Schwarz/Vogel)

Die wohlbegründeten Beschwerden 2 BvR 1494/16 (Beschwerdeführer Thöns/Matenaer), 2 BvR 1593/16 (Beschwerdeführer de Ridder), 2 BvR 1624/16 (Beschwerdeführer Weiß), 2 BvR 1807/16 (Beschwerdeführer Spittler) und 2 BvR 2354/16 (Beschwerdeführer Beck/Vogel/Schwarz/Vogel) werden unterstützt. In Ergänzung der in den Beschwerden bereits vorgetragenen Argumente, ist es aus hiesiger Sicht angezeigt, auf zwei juristische Gesichtspunkte näher einzugehen und zusätzliche Aspekte anzuführen und bereits vorgetragene Argumente zusammenzuführen, dogmatisch einzuordnen und zu vertiefen: Dies sind zum einen die Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung des § 217 StGB (A.) und zum anderen ist es die Problematik der Statuierung einer "Rechtspflicht zum Leben" durch § 217 StGB, die gegen die EMRK verstößt (B.).

Ergebnis

A. § 217 StGB ist vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig zu erklären. Eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes zur Vermeidung der Nichtigerklärung ist nicht möglich.

Es lässt sich keine Auslegungsvariante ermitteln, welche zur Verfassungsmäßigkeit der Norm führt. Weder können freiverantwortliche Suizide vom Tatbestand des § 217 StGB ausgenommen werden, noch besteht die Möglichkeit, bestimmte Personengruppen, namentlich Ärzte, Palliativmediziner, Gutachter, Hospizmitarbeiter und Pflegekräfte sowie Weltanschauungsgemeinschaften und deren Mitglieder als Normadressaten auszuschließen. Auch die Ausklammerung einer Suizidassistenz aus verständlichen Motiven scheitert. Ebenso unmöglich ist eine Begründung der Verfassungsgemäßheit des § 217 StGB durch Verweis auf strafrechtliche und strafprozessuale Handhabungsmöglichkeiten.

Dieses Ergebnis beruht auf einer Anwendung der Methoden der Gesetzesauslegung, wie sie sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen lässt. Danach gilt, dass in Fällen, in denen der Wortlaut der Norm klar und eindeutig ist, ein Rückgriff auf andere Auslegungsmethoden untersagt ist. Überdies muss sich der Wille des Gesetzgebers im Gesetz objektiviert haben. Insbesondere im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung ist der mutmaßliche oder wahrscheinliche Wille des Gesetzgebers selbst dann unbeachtlich, wenn eine bestimmte Auslegung mit dem als wahrscheinlich erkannten Willen am ehesten übereinstimmt. Ein objektivierter entgegenstehender Wille kann nicht mit der hypothetischen Frage, wie der Gesetzgeber in Kenntnis des verfassungsrechtlichen Problems entschieden hätte, weggewischt werden. Vielmehr impliziert sie eine Verfehlung des Gesetzeszwecks, welche nach Maßgabe des Gewaltenteilungsgrundsatzes nur der Gesetzgeber selbst korrigieren kann.

Weiterhin darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einem eindeutigen Gesetz durch Auslegung kein grundlegend neuer normativer Gehalt aufgezwungen werden. Eine Auslegung, welche sich vom Konzept des Gesetzgebers löst und es durch ein eigenes Modell ersetzt, ist als unzulässige richterliche Rechtsfortbildung zu qualifizieren. Dies gilt selbst dann, wenn durch eine verfassungskonforme Auslegung der Kreis strafbaren Verhaltens nicht weiter, sondern enger gefasst werden soll. Eine hinreichende Bestimmtheit des Straftatbestandes lässt sich hierdurch – gerade im Falle des § 217 StGB – nicht erzielen. Insbesondere Ärzte, Palliativmediziner, Gutachter, Hospizmitarbeiter und Pflegekräfte können nach dem Wortlaut der Norm nämlich nicht vorhersehen, welches Verhalten strafbar ist und welches straffrei. Auf ihre Perspektive als Bürger kommt es jedoch an.

B. § 217 StGB wird den in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Anforderungen zur Achtung der Selbstbestimmung am Lebensende und zur Suizidassistenz nicht gerecht.

Das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK zieht der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK Grenzen. Die Statuierung einer "Rechtspflicht zum Leben" ist konventionswidrig. Um seiner Schutzpflicht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK Rechnung zu tragen, muss der Staat einen Regelungsrahmen bereitstellen, welcher es Individuen ermöglicht, ihre Rechte auch tatsächlich wahrzunehmen und durchzusetzen, damit das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Tod nicht nur eine theoretische Option darstellt.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass fehlgeschlagene Suizidversuche häufig schwerwiegende Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen haben und dass die Konventionsstaaten verpflichtet sein können, Maßnahmen zur Erleichterung eines Suizids zu treffen, um dem Betroffenen zu ermöglichen, sein Leben in Würde zu beenden. Wenn ein Staat überdies Regelungen zur Suizidbeihilfe aufstellt, hat er darauf zu achten, dass diese eindeutig und klar formuliert sind, da sie ansonsten eine abschreckende Wirkung ("chilling effect") auf Ärzte haben könnten.

Eine Gesamtschau der Rechtsprechung zeigt überdies, dass zumindest in "Notfällen", in denen die Leiden der Patienten nicht palliativmedizinisch behandelt werden können und die Betroffenen zur Umsetzung ihrer ernsthaft und freiverantwortlich getroffenen Suizidentscheidung zwingend auf professionelle ärztliche Hilfe angewiesen sind, der Staat positiv verpflichtet ist, diesen den letzten Ausweg durch einen selbstbestimmten ärztlich assistierten Suizid nicht zu versagen. Alles andere würde de facto zu einem menschenrechtswidrigen Totalverbot der Selbsttötung als solcher und damit zur Statuierung einer "Rechtspflicht zum Leben" führen. 

Im Einzelnen

A. Ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 217 StGB möglich?

1. Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht vertritt eine objektive Auslegungsmethode, ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes. Die grammatikalische Auslegung ist als erste vorzunehmen und hat gegenüber den anderen drei klassischen Auslegungsmethoden Savignys (Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck und Systematik) eine herausgehobene Bedeutung.[1] Zur Bestimmung des Wortlautes stellt das Bundesverfassungsgericht dabei auf die allgemeine Bedeutung ab und legt die Sicht des Normadressaten zugrunde.[2] Zum Zwecke der Gewährleistung der notwendigen Vorhersehbarkeit, kommt es für die Bestimmung des möglichen Wortsinns auf die Perspektive des Bürgers an.[3]  

Das Gericht hat überdies bereits früh konstatiert, dass bei der Auslegung von Gesetzen auf den objektiven Willen des Gesetzes abzustellen ist und nicht auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers. Entscheidend sei demnach, dass der Wille des Gesetzgebers sich im Gesetz objektiviert hat.[4] In den Worten des Gerichts:

"Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Norm hineingestellt ist. Im Strafrecht kommt freilich der grammatikalischen Auslegung eine besondere Bedeutung zu, weil der mögliche Wortsinn einer Vorschrift der Auslegung mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG eine Grenze zieht, die nicht überschritten werden darf."[5]

"Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintenanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein."[6]

Der Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte einer Norm (historisch-genetische Auslegung) ist mithin nur unter den Voraussetzungen zulässig, dass

  • der subjektive Wille des Gesetzgebers aus den Materialien eindeutig und klar ableitbar ist, und
  • sich der Wille im Gesetz objektiviert hat, d.h. im Wortlaut der Norm müssen sich für die Ergebnisse aufgrund anderer Auslegungsmethoden zumindest Anhaltspunkte finden, denn eine Auslegung contra legem ist insbesondere bei neueren Gesetzen unzulässig.[7]

Daraus folgt, dass in Fällen, in denen der Wortlaut der Norm klar und eindeutig ist, ein Rückgriff auf andere Auslegungsmethoden untersagt ist.[8] Der oft vorgenommene Rückgriff auf eine teleologische Auslegung, insbesondere eine teleologische Reduktion, welche im Gegensatz zum eindeutigen Wortlaut des Gesetzes steht, ist demnach nicht erlaubt. Bei der Ermittlung des Wortlauts ist überdies zu beachten, dass die Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht derart stark in den Vordergrund geschoben werden darf, dass die Eindeutigkeit des Wortlauts dadurch erst zweifelhaft wird.[9]

Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die im Rahmen eines gestuften Gesetzgebungsprozesses angeführten Begründungen stets nur Stellungnahmen einer Stelle, eines Organs oder Teilorgans im Gesetzgebungsverfahren darstellen, welche bereits aus diesem Grunde nur eine eingeschränkte Authentizität hinsichtlich des Verständnisses "des Gesetzes" beanspruchen können, zumal nicht "das Gesetz" begründet wird, sondern lediglich Entwürfe.[10]

Ist der Wortlaut einer Norm für die Auslegung unergiebig, sind die anderen Auslegungsmethoden heranzuziehen. Darunter auch der Sinn und Zweck der Norm. Dieser ist ausgehend vom Wortlaut der Norm zu ermitteln. Zu fragen ist dann, mit welcher der nach dem Wortlaut möglichen Auslegung der Norm der Gesetzeszweck besser realisiert werden kann. Dies geschieht nicht abstrakt, sondern mit Blick auf den gesellschaftlichen und tatsächlichen Hintergrund und die praktische Wirkung der Norm.[11]

Zwar hat sich noch keine Meta-Theorie der Auslegungsmethoden herausgebildet, wohl aber haben sich bestimmte Grundsätze etabliert, welche vorstehend schon ansatzweise angeklungen sind und nachstehend noch einmal zusammengefasst werden:[12]

  • Wenn die grammatikalische Auslegung ein bestimmtes Ergebnis nahelegt, soll von diesem Ergebnis durch Anwendung anderer Auslegungsmethoden nur abgewichen werden dürfen, wenn der Gesetzgeber die Begriffe zufällig verwandt hat.
  • Die historische Auslegung tritt im Konfliktfall hinter der grammatikalischen Auslegung zurück.[13]
  • Die teleologische Auslegung ist zurückhaltend anzuwenden, da damit oft vorgefasste Wertungen einhergehen.
  • Abzulehnen sind Auslegungsversuche, welche eine Auslegung im eigentlichen Sinne anhand der anerkannten Methoden überhaupt nicht vornehmen, sondern bei denen es sich lediglich um rechtspolitische Argumente und kriminalpolitische Absichten, gekleidet in Auslegungsregeln, handelt. Dies gilt insbesondere für rechtsdogmatische Konstruktionen wie die der "Sozialadäquanz" oder der "neutralen" Handlungen oder ganz allgemeine Strafwürdigkeitsüberlegungen. Diese werden von kriminalpolitischen Vorverständnissen geprägt und führen ein Eigenleben außerhalb der Norm. Eine darauf Bezug nehmende Gesetzesauslegung ist als ergebnisorientiert abzulehnen.   

Zusätzlich zu den vier klassischen Auslegungsregeln (Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck und Systematik) hat sich darüber hinaus die Methode der verfassungskonformen Auslegung etabliert. Während die klassischen Auslegungsmethoden nach der inhaltlichen Bedeutung einer Norm fragen, zielt die verfassungskonforme Auslegung nicht auf den Inhalt einer Norm, sondern fragt danach, mit welcher der inhaltlich möglichen Bedeutungen die Norm mit der Verfassung vereinbar ist.[14] Eine verfassungskonforme Auslegung ist immer dann geboten, wenn mehrere Auslegungsvarianten bestehen, von denen mindestens eine zur Verfassungsmäßigkeit, mindestens eine andere zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen würde. In diesem Fall muss eine verfassungsgemäße Auslegungsvariante gewählt werden.[15]

Daraus folgt, dass ein Gesetz zunächst anhand der klassischen Auslegungsmethoden auszulegen ist, bevor die Methode der verfassungskonformen Auslegung zur Anwendung gelangt. Die Frage nach der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen wird erst dann virulent, wenn der Normzweck ermittelt ist und sich ein möglicher Widerspruch zu den Wertungen der Verfassung ergibt.[16]

Das Bundesverfassungsgericht formuliert in seiner Rechtsprechung vier Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer verfassungskonformen Auslegung:[17]

  • Die Norm muss auslegungsbedürftig sein. Wenn der Wortlaut und der Zusammenhang eindeutig sind, ist eine verfassungskonforme Auslegung nicht erlaubt, da sie dem objektivierten Willen des Gesetzgebers widerspräche. Einem eindeutigen Gesetz darf durch Auslegung kein grundlegend neuer normativer Gehalt oktroyiert und das Ziel des Gesetzgebers nicht in einem wesentlichen Aspekt verfehlt werden. Eine Auslegung, welche sich vom Konzept des Gesetzgebers löst und es durch ein eigenes Modell ersetzt, ist als unzulässige richterliche Rechtsfortbildung zu qualifizieren.[18]

Bereits im Jahr 1964 führte das Gericht aus:

"Jede verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. […] Deshalb ist es nicht möglich, § 27 EStG etwa so auszulegen, dass im Ergebnis die aus der Zusammenveranlagung sich ergebende höhere Steuerbelastung bei der Steuerfestsetzung außer Betracht bliebe. Damit würde dem § 27 seine wesentlichste und vom Gesetzgeber gewollte praktische Bedeutung genommen."[19]

Die verfassungskonforme Auslegung findet jedenfalls dort ihre Grenzen, wo sie der Sache nach auf eine richterrechtliche Ergänzung des Straftatbestands hinausläuft.

  • Der Wille des Gesetzgebers muss sich im Gesetz objektiviert haben.[20] Insbesondere im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung ist der mutmaßliche oder wahrscheinliche Wille des Gesetzgebers selbst dann unbeachtlich, wenn eine bestimmte Auslegung mit dem als wahrscheinlich erkannten Willen am ehesten übereinstimmt.[21]

Zwar finden sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Entscheidungen, bei denen das Gericht die Möglichkeit einer den Tatbestand einengenden verfassungskonformen Auslegung bereits dann bejaht, wenn der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte dieser nicht entgegenstehen und im Gesetzgebungsverfahren die besondere verfassungsrechtliche Problematik – beispielsweise der Honorarannahme durch den Wahlverteidiger – nicht hinreichend bedacht wurde.[22] Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Ein objektivierter entgegenstehender Wille kann nicht mit der hypothetischen Frage, wie der Gesetzgeber in Kenntnis des verfassungsrechtlichen Problems entschieden hätte, weggewischt werden.[23] Eine Verfehlung der "gewollten praktischen Bedeutung" impliziert eine Verfehlung des Gesetzeszwecks, welche mit den klassischen Auslegungsmethoden nicht erzielt werden kann.[24]

  • Darüber hinaus unterliegt die richterliche Auslegung von Strafgesetzen auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof beispielsweise entschieden, dass sich der Tatbestand der Steuerhinterziehung in § 370 AO nicht auf die täuschende Abwendung steuerlicher Nebenleistungen (z.B. Säumniszuschläge) erstreckt, weil das Gesetz für diese extensive Tatbestandsinterpretation keine ausreichend bestimmten Hinweise enthält und "in sich nicht konsequent" ist.[25]

  • Und schließlich muss die verfassungskonforme Auslegung der Norm einen vernünftigen Sinn verleihen.

Daraus folgt, dass der Wortlaut der Norm sowohl die Grenze zulässiger Auslegung im Allgemeinen als auch die Grenze einer verfassungskonformen Auslegung im Besonderen statuiert und ein Verfälschungsverbot besteht, d.h. der normative Gehalt der Norm durch diese Methode nicht grundlegend neu bestimmt werden darf. Folglich wird in der Literatur auch zutreffend darauf hingewiesen, dass eine saubere und klare Nichtigerklärung eines Gesetzes anstelle eines interpretatorischen Gewaltakts oft dem Gewaltenteilungsgrundsatz und dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue besser Rechnung trägt.[26]

2. Anwendung auf den § 217 StGB

Die Beschwerden 2 BvR 1494/16 (Beschwerdeführer Thöns/Matenaer), 2 BvR 1593/16 (Beschwerdeführer de Ridder), 2 BvR 1624/16 (Beschwerdeführer Weiß), 2 BvR 1807/16 (Beschwerdeführer Spittler) und 2 BvR 2354/16 (Beschwerdeführer Beck/Vogel/Schwarz/Vogel) haben ebenso wie bereits vorher die Beschwerden 2 BvR 2357/15, 2 BvR 615/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1494/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 1624/16, 2 BvR 1807/16 und 2 BvR 2354/16 die Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB überzeugend dargelegt. Vor diesem Hintergrund stellt sich für das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob das Gesetz als mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig erklärt werden muss, oder ob eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist. Letzteres wäre dann zu bejahen, wenn mehrere Auslegungsvarianten bestünden und neben den von den Beschwerdeführern aufgezeigten Auslegungsvarianten auch mindestens eine Auslegungsvariante ermittelt werden könnte, welche zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes führen würde. In diesem Fall müsste die verfassungsgemäße Auslegungsvariante bevorzugt werden. Diese Frage soll nachfolgend mit Blick auf die zentralen Begründungsstränge zur Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB geprüft werden. Zunächst stellen sich die Fragen nach der Ausnahme freiverantwortlicher Suizide (2.1) und freiverantwortlicher Suizide bei bestimmten Krankheitsbildern (2.2) vom Tatbestand des § 217 StGB. Sodann steht die Möglichkeit der Ausnahme bestimmter Personengruppen, namentlich von Medizinern u.a. (2.3) und Weltanschauungsgemeinschaften und deren Mitgliedern (2.4) in Rede. Danach wird die Berücksichtigung einer Unterstützung aus verständlichen Motiven diskutiert (2.5). Abschließend geht die Unterzeichnerin auf die zur Begründung der Verfassungsgemäßheit vorgetragenen strafrechtlichen und strafprozessualen Handhabungsmöglichkeiten ein (2.6). Eine verfassungskonforme Auslegung müsste dann hinsichtlich aller aufgeführten Aspekte möglich sein. Im Ergebnis wird sich herausstellen, dass eine verfassungskonforme Auslegung des § 217 StGB nicht möglich ist und das Gesetz deshalb vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig zu erklären ist.  

2.1 Ausnahme freiverantwortlicher Suizide

In der Verfassungsbeschwerde des Vereins DIGNITAS u.a. ist dargelegt worden, dass § 217 StGB formell verfassungswidrig ist, weil er in seinem Tatbestand nicht zwischen freiverantwortlichen und nicht freiverantwortlichen Suiziden unterscheidet. Voraussetzung einer Eingriffsnorm, welche den Schutz des Betroffenen vor sich selbst regeln soll, muss das Schutzbedürfnis zur Voraussetzung der Grundrechtsbeschränkung machen, d.h. die fehlende Freiverantwortlichkeit fordern.[27] Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung neben dem Schutz des Individuums auch den Schutz der Allgemeinheit bezweckt, um diese vor der Etablierung einer "Sterbehilfekultur" zu schützen. Denn insofern handelt es sich ebenfalls um den – lediglich abstrahierten – Schutz des Lebens des Individuums und nicht etwa um einen eigenständigen Schutzzweck mit anderen Inhalten. Grundlage des Schutzes der Allgemeinheit sind stets die grundrechtlichen Gewährleistungen des Einzelnen. Angesprochen wird insofern lediglich die transsubjektive kollektive Dimension der Grundrechte und damit eine andere Perspektive.[28] Dies wird bestätigt durch die Formulierung in der Gesetzesbegründung betreffend den wesentlichen Inhalt des Entwurfs. Dort heißt es, dass der neue Straftatbestand die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt, weil diese Tätigkeit als "abstrakt das Leben gefährdende Handlung"[29] verboten werden soll. Ziel des Verbotsgesetzes ist mithin stets der Lebensschutz, sowohl allgemein als auch individuell.  

Fraglich ist, ob § 217 StGB einer Auslegung zugänglich ist, welche seine Anwendbarkeit nur auf solche Fälle beschränkt, in denen die Selbsttötung nicht freiverantwortlich ist. Eine solche Auslegung wäre möglicherweise mit der Verfassung vereinbar.

Eindeutige Kriterien, wie die Freiverantwortlichkeit des Entschlusses des Suizidwilligen festgestellt werden kann, sind bislang in der Rechtsprechung nicht entwickelt worden. In der Literatur werden die Exkulpationslösung und die Einwilligungslösung unterschieden. Während Letztere eine Suizidentscheidung nur dann als freiverantwortlich wertet, wenn die im Strafrecht für eine wirksame Einwilligung geforderten Voraussetzungen vorliegen, bejaht die Erstgenannte die Freiverantwortlichkeit bereits in den Fällen, in denen gemessen am Maßstab der §§ 20, 21 StGB keine Anzeichen für eine nicht vorhandene oder beschränkte Einsichtsfähigkeit vorliegen.[30]

Entsprechende Kriterien könnten jedoch ohne weiteres entwickelt werden. Dies belegen sowohl die bestehenden Regelungen des Patientenverfügungsgesetzes als auch die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch. Keineswegs ist es so, dass eine gesetzliche Regelung von Fällen, in denen Suizidbeihilfe erlaubt sein soll und Fällen, in denen dies nicht der Fall ist, unmöglich wäre.[31] In Anlehnung an § 291 Abs. 1 StGB könnte der legitime Anwendungsbereich des § 217 StGB beispielsweise auch auf Fallgestaltungen beschränkt werden, in denen "die Zwangslage, die Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche" des Suizidenten ausgenutzt werden würden.[32]

Der Wortlaut des Gesetzes ist insofern jedoch klar und eindeutig und enthält keine Differenzierung. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche Auslegung mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Einklang steht. Denn bei einer entsprechenden Auslegung wäre die Vorschrift des § 217 StGB schlicht überflüssig, da ein in diesem Sinne rechtsgutorientiertes Verständnis bereits jetzt de lege lata als Tötung in mittelbarer Täterschaft nach §§ 212, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar ist.[33] Eine solche Auslegung verstieße überdies gegen die Grundsätze der systematischen Auslegung. Wie eingangs skizziert, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechtssätze, die der Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gestellt hat, so auszulegen, dass sie logisch miteinander vereinbar sind, da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber beim Aufbau des Gesetzes streng logisch und rational vorgeht.[34] Auch würde durch eine entsprechende Auslegung der Norm kein vernünftiger Sinn verliehen. Folglich kann ihm nicht unterstellt werden, eine neue Strafnorm geschaffen zu haben, welche inhaltsgleich mit einem bereits vorhandenen Tatbestand ist.

Hinzu kommt, dass es allein Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ist, entsprechende Kriterien für die Annahme eines freiverantwortlichen Suizids aufzustellen. Bereits aufgrund des Fehlens entsprechender Kriterien ist folglich davon auszugehen, dass eine verfassungskonforme Auslegung in dem – auch von Kubiciel vorgeschlagenen Sinne[35] – nicht möglich ist. Anderenfalls würde dem eindeutigen Gesetz durch Auslegung ein grundlegend neuer normativer Gehalt aufgezwungen. Dass damit dem Gesetz die vom Gesetzgeber gewollte praktische Bedeutung genommen würde, zeigt sich auch daran, dass er davon auszugehen scheint, dass durch die Einbeziehung von Personen oder Organisationen, die wiederholt bei einem Suizid assistieren, automatisch die personale Eigenverantwortlichkeit des Suizidenten beeinflusst wird und es deshalb gilt, entsprechende Handlungen zu kriminalisieren.[36] Wenn jedoch der Gesetzgeber von einem entsprechenden Automatismus ausgeht, macht es aus seiner Sicht keinen Sinn, die Strafbarkeit auf Fälle einer nicht freiverantwortlich getroffenen Suizidentscheidung zu beschränken.    

 

2.2 Ausnahme freiverantwortlicher Suizide bei bestimmten Krankheitsbildern

Unstreitig gibt es Fälle unheilbarer und irreversibel zum Tode führender Krankheiten, in denen Schmerztherapien nicht weiterhelfen und die Patienten enormes Leid und seelische Qualen ertragen müssen. Auf der Grundlage der geltenden fachlichen Richtlinien kann ein schmerzfreies Leben durch eine palliativmedizinische Versorgung nicht in jedem Einzelfall garantiert werden. Überdies schlagen palliativmedizinische Maßnahmen bei ca. fünf bis zwanzig Prozent der Patienten nicht an und führen nicht zur angestrebten Schmerzlinderung.[37] In anderen Fällen, wie der Miserere (Erbrechen von Kot), bietet auch eine palliativmedizinische Behandlung für die Betroffenen keine Lösungen.

Insbesondere im Hinblick auf diese Ausnahmesituationen bzw. "Notfälle" stellt sich § 217 StGB, welcher die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe unabhängig von dem jeweiligen Krankheitsbild untersagt, für die Betroffenen als Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 3, 8 EMRK dar. Fraglich ist deshalb, ob eine Auslegung der Norm dergestalt möglich ist, dass zu freiverantwortlichen Suiziden bei bestimmten Krankheitsbildern geschäftsmäßig Beihilfe geleistet werden darf. Eine solche Auslegung scheitert jedoch aus denselben Gründen, die bereits gegen die Möglichkeit der Ausklammerung der Beihilfe zu freiverantwortlichen Suiziden ins Feld geführt worden sind. 

2.3 Ausnahme von Ärzten, Palliativmedizinern, Hospizmitarbeitern, Pflegepersonal und Gutachtern

Vor dem Inkrafttreten des § 217 StGB war die Teilnahme an einem freiverantwortlichen Suizid straffrei, und zwar sowohl für Organisationen zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende (verkürzt oft als Sterbehilfeorganisationen bezeichnet) als auch für Ärzte, Palliativmediziner, Gutachter, Pflegepersonal, Hospizmitarbeiter etc.[38] Nunmehr erfasst § 217 StGB nicht nur die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen, sondern auch die ärztliche Suizidassistenz in den Konstellationen, wie sie von den Beschwerdeführern Beck u.a., Thöns/Matenaer, Spittler, Weiß und de Ridder skizziert worden sind. Damit verstößt das Gesetz gegen die Gewissens- und Berufsfreiheit der genannten Personengruppen, so dass sich die Frage stellt, ob der Tatbestand möglicherweise dergestalt ausgelegt werden kann, dass er mit der Verfassung in Einklang steht. 

Die als Allgemeindelikt ausgestaltete Strafnorm verbietet nach ihrem Wortlaut jedermann, die Selbsttötung eines anderen zu fördern. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Unterstützung eines freiverantwortlichen Suizids strafbar, wenn objektiv das Tatbestandsmerkmal der Geschäftsmäßigkeit verwirklicht wird. Auf der subjektiven Tatbestandsseite fordert § 217 StGB die Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern und im Übrigen Eventualvorsatz.

Der Wortlaut des § 217 StGB ist klar und enthält keine Beschränkung auf Vereinigungen oder Gewerbetreibende, so wie noch der Gesetzesentwurf der Länder Saarland, Hessen und Thüringen aus dem Jahr 2008[39]. Erfasst werden vielmehr unterschiedslos alle Personen, an die privat oder im Rahmen ihrer Berufsausübung wiederholt der Wunsch nach einer Suizidbeihilfe herangetragen wird. Weder Ärzte, noch Palliativmediziner, noch Pflegekräfte, noch Gutachter, noch Hospizmitarbeiter werden ausgeklammert.[40] Damit fehlt es an sich schon an der ersten Voraussetzung, die vom Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer verfassungskonformen Auslegung aufgestellt worden ist, namentlich der Auslegungsbedürftigkeit der Norm.

Fraglich ist jedoch, ob es ausgehend vom Wortlaut und im Einklang mit anerkannten Grundsätzen der Strafrechtsdogmatik möglich wäre, eine restriktive Auslegung vorzunehmen. So hat beispielsweise der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 folgenden Vorschlag unterbreitet: "Die Tatbestandselemente der ‚Geschäftsmäßigkeit‘ und der ‚Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern‘ sind aufeinander zu beziehen; […] Bezugspunkt der Geschäftsmäßigkeit ist danach die – subjektiv vom Absichtserfordernis getragene – Ausrichtung der Tätigkeit auf die Leistung von Suizidbeihilfe als maßgeblichen Zweck".[41]

Hätte der Gesetzgeber dies so ausgelegt wissen wollen, hätte er dies jedoch entsprechend formulieren müssen. Eine solche Auslegung hält sich nicht mehr im Rahmen des Wortlauts und lässt sich dementsprechend auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass sie den Kreis strafbaren Verhaltens nicht weiter, sondern enger fasse. Zwar könnten auf diese Weise bestimmte Personengruppen aus dem Tatbestand ausgenommen werden. Die Auslegung gewährleistet jedoch keine hinreichende Bestimmtheit des Straftatbestandes. Es ist die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers, die erforderliche Klarheit bereits im Wortlaut des vom ihm beschlossenen Gesetzes zu schaffen. Die derzeit bestehende Unklarheit geht zu Lasten der betroffenen Ärzte, Palliativmediziner, Gutachter etc. Sie können nach dem Wortlaut der Norm nicht vorhersehen, welches Verhalten strafbar ist und welches straffrei. Die Absicht bezieht sich bei der jetzigen Formulierung nur auf die konkrete Förderungshandlung.[42] Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung, in der es heißt, dass "Handlungen unter Strafe gestellt [werden], mit denen einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung geschäftsmäßig gewährt, verschafft oder vermittelt wird, wenn dies in der Absicht geschieht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern"[43]. Damit fordert die Norm nicht einmal eine Absicht, die einmal vorgenommene Förderungshandlung zu wiederholen. Und erst recht wird keine Absicht gefordert, seine Tätigkeit insgesamt auf die Leistung von Suizidhilfe auszurichten. Hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Norm verabschieden wollen, hätte er § 217 StGB wie folgt formulieren müssen: "Wer in der Absicht, geschäftsmäßig die Selbsttötung eines anderen zu fördern…". 

Eine Verknüpfung der Tatbestandsmerkmale der "Geschäftsmäßigkeit" und der "Förderungsabsicht" in dieser Form verstößt überdies gegen das Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen, denn das Merkmal der Absicht geht bei dieser Auslegung in dem Merkmal der Geschäftsmäßigkeit auf. Geschäftsmäßig handelt nach der Gesetzesbegründung jedoch, "wer die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung der Gelegenheit zur Selbsttötung zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit macht, unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht und unabhängig von einem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit"[44]. Der Gesetzgeber definiert das Merkmal "geschäftsmäßig" mithin rein objektiv und extensiv, als "auf Wiederholung angelegte Handlung"[45], wobei bereits die erstmalige Vornahme einer tatbestandsmäßigen Handlung geschäftsmäßig ist, wenn sie den Beginn einer auf Fortsetzung angelegten Tätigkeit darstellt[46]. Eine Entgrenzung des Tatbestandsmerkmals der Geschäftsmäßigkeit, welche die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Funktion – "die Entwicklung der Beihilfe zum Suizid […] zu einem Dienstleistungsangebot der gesundheitlichen Versorgung zu verhindern"[47] – relativiert, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch unzulässig:  

"Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen […] auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden. (Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen)."[48]

Die weite Interpretation des Merkmals der "Geschäftsmäßigkeit" zeigt, dass der Gesetzgeber "Geschäftsmäßigkeit" nicht nur dann als gegeben ansieht, wenn der Täter das verbotene Verhalten zu seinem "Hauptberuf" bzw. seinem "Hauptgeschäft" macht.[49] Der Gesetzgeber definiert das Merkmal "geschäftsmäßig" rein quantitativ, als "auf Wiederholung angelegte Handlung"[50], wobei bereits die erstmalige Vornahme einer tatbestandsmäßigen Handlung geschäftsmäßig ist, wenn sie den Beginn einer auf Fortsetzung angelegten Tätigkeit darstellt[51], nicht jedoch qualitativ.[52] Auch hat er das Merkmal der "Geschäftsmäßigkeit" nicht zufällig, sondern ganz bewusst ausgewählt. Würde man das Merkmal der "Geschäftsmäßigkeit" entgegen dem klar erklärten Willen des Gesetzgebers hingegen qualitativ verstehen, müsste man die Suizidassistenz, welche in "Einzelfällen" erbracht wird, akzeptieren – und zwar auch standesrechtlich.[53]

Hinzu kommt, dass dies neue Probleme im Hinblick auf die Bestimmtheit aufwerfen würde, denn die richterliche Auslegung von Strafgesetzen unterliegt ebenfalls dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Beim Abstellen auf den "Hauptberuf" stellt sich nämlich unmittelbar die Frage, ab wann eine Tätigkeit eine übergeordnete Rolle und ab wann sie eine nur untergeordnete Rolle spielt. Die Beschwerdeführer Thöns/Matenaer weisen insofern zutreffend darauf hin, dass ambulant tätige Palliativmediziner regelmäßig ihren Patienten starke, in Überdosis auch tödlich wirkende Medikamente mitgeben und das verbotene Verhalten dementsprechend zu ihrer "Hauptaufgabe" zählt.[54] Auch wäre solch ein semantisches Konstrukt aus der Perspektive des Bürgers, auf die es hinsichtlich der Bestimmung des möglichen Wortsinnes nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ankommt, nicht nachvollziehbar.

Doch selbst wenn der Wortlaut als auslegungsfähig angesehen werden würde, ermöglicht auch die Entstehungsgeschichte der Regelung keine restriktive Auslegung des § 217 StGB. Im Parlament standen vier überparteiliche Gesetzesentwürfe zur Diskussion. Der Entwurf von Hintze/Reimann[55] sah keine Strafbarkeitsregelung vor und wollte die Zulässigkeit der Suizidbeihilfe durch Ärzte im Falle unheilbarer Erkrankungen positiv im BGB regeln. Der Gesetzesentwurf Künast/Sitte[56] sah eine beschränkte Strafbarkeit vor und wollte allein die kommerzialisierte Suizidassistenz von Sterbehilfeorganisationen zum Zwecke der Gewinnerzielung kriminalisieren. Beide Entwürfe hätten die grundsätzliche Befugnis von Ärzten, Suizidbeihilfe zu leisten, festgeschrieben. Indem sich der Gesetzgeber bewusst gegen diese beiden Entwürfe und für den dann Gesetz gewordenen Entwurf Brand/Giese[57] entschieden hat, hat er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Tatbestandseinschränkung zugunsten bestimmter Personengruppen nicht gewollt ist und dieser eine klare Absage erteilt. Dies wird mittelbar unterstützt durch den Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass es nicht praktikabel sei, im Vorfeld Kontrollmaßnahmen durchzuführen und eine positive Regelung der Suizidbeihilfe durch Ärzte etc. letztlich auch dazu führte, dass diese Angebote dann mit dem Gütesiegel staatlicher Kontrolle versehen würden. Damit würde seiner Auffassung nach aber genau einer Entwicklung der Weg bereitet, die der § 217 StGB verhindern will, namentlich die angeblich bestehende Tendenz, Suizidbeihilfe als normale Dienstleistung zu begreifen. Bei diesem Verständnis kann ein Wille des Gesetzgebers, Ärzte, Palliativmediziner, Gutachter, Hospizmitarbeiter und Pflegepersonal etc. vom Tatbestand des § 217 StGB auszunehmen, nirgends erkannt werden.  

Dass es nicht der im Gesetz objektivierten Intention des Gesetzgebers entsprach, Ärzte grundsätzlich von der Strafbarkeit nach § 217 StGB auszunehmen, folgt letztlich auch im Umkehrschluss daraus, dass es dann angezeigt gewesen wäre, zumindest zusätzlich zur Schaffung eines Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, eine Regulierung der Lebensbeendigung unter ärztlicher Begleitung (ggf. auch nur für bestimmte Ausnahmefälle) vorzunehmen, wenn schon nicht der Gesetzesentwurf der Abgeordneten Hintze/Reimann von den Abgeordneten angenommen worden ist.

Dass Ärzte nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich von der Regelung des § 217 Abs. 1 StGB erfasst werden sollten, folgt letztlich auch aus einem Umkehrschluss aus § 217 Abs. 2 StGB. Denn anderenfalls hätten Ärzte in der Ausnahmeklausel explizit aufgeführt werden müssen.[58] Damit spricht jedoch neben dem Wortlaut auch die Entstehungsgeschichte des § 217 StGB klar gegen eine einengende Auslegung des Tatbestands bzw. steht der Einbeziehung von Ärzten, Palliativmedizinern, Hospizmitarbeitern, Gutachtern und Pflegekräften nicht entgegen.

Vergleichbar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Frage der Verwirklichung des Geldwäschetatbestandes durch Strafverteidiger entschieden:

"Die Entstehungsgeschichte des § 261 StGB steht einer Einbeziehung der Strafverteidiger in den Kreis möglicher Täter nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, für besondere Fallkonstellationen Ausnahmen vorzusehen, um das mit dem Geldwäschetatbestand verfolgte Ziel wirkungsvoller Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch wirtschaftliche Isolierung gefährlicher Straftäter nicht zu schwächen."[59]

Wie aufgezeigt, neigt das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zwar auch dazu, die Möglichkeit einer den Tatbestand einengenden verfassungskonformen Auslegung bereits dann anzunehmen, wenn im Gesetzgebungsverfahren die besondere verfassungsrechtliche Problematik vom Gesetzgeber nicht hinreichend bedacht wurde. Nach hiesiger Auffassung ist es jedoch nicht möglich, den im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zur Erfassung der Ärzteschaft durch § 217 StGB mit rein spekulativen Mutmaßungen darüber zu umgehen, wie der Gesetzgeber in Kenntnis des verfassungsrechtlichen Problems entschieden hätte. Darüber hinaus würde ein solcher Versuch dem Gericht auch nicht weiterhelfen.

Denn es kann keine Rede davon sein, dass der Gesetzgeber die besondere verfassungsrechtliche Problematik hier nicht näher betrachtet hat und eine Einschränkung der Strafbarkeit für Ärzte und insbesondere für Palliativmediziner vorgenommen hätte, wenn er die unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe in deren Berufs- und Gewissensfreiheit hinreichend bedacht hätte. Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes hatten eine Vielzahl deutscher Strafrechtswissenschaftler vor den damit einhergehenden Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte insbesondere im Palliativ- und Hospizbereich gewarnt.[60] Im Rahmen der Diskussionen im Deutschen Bundestag wurde hinlänglich über die Frage diskutiert, ob Mediziner und andere Angehörige von Heilberufen geschäftsmäßig handeln oder nicht. Bewusst setzt sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung mit den anderen vorgeschlagenen Gesetzesentwürfen auseinander und konstatiert beispielsweise in Bezug auf den Entwurf 17/11126, welcher lediglich die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt, dass dieser nicht zielführend sei, weil er einen Großteil der bestehenden Angebote nicht umfassen und weitreichende Umgehungsmöglichkeiten eröffnen würde.[61]

Aus Sicht des Gesetzgebers stellt jede Suizidhilfe, die nicht nur einmalig erfolgt, sondern auf Fortsetzung angelegt ist, eine "Gefährdung der autonomen Entscheidung Betroffener"[62] dar und soll deshalb verboten sein. Infolge der wiederholten Suizidhilfe etabliere sich diese als "Standard" und baue gegenüber den Betroffenen Druck auf.[63] Die strafrechtliche Regelung solle gewährleisten, dass Suizidhilfe nicht als "normale Therapieoption" verstanden werde.[64]

Fraglich ist, wie sich insofern die Tatsache auswirkt, dass der Gesetzgeber seiner Entscheidung ausweislich der Gesetzesbegründung die Annahme zugrunde legt, dass bei der Suizidhilfe "kein bloß gradueller, sondern ein kategorischer Unterschied zu palliativmedizinischen Maßnahmen"[65] vorliege. Angehörige von Heilberufen leisten nach seiner Ansicht im Rahmen medizinischer Behandlung beispielsweise in Krankenhäusern, Hospizen und anderen palliativmedizinischen Einrichtungen wenn überhaupt auch nur im Einzelfall Suizidhilfe.[66] 

Die Beschwerdeführer der hier in Rede stehenden Verfassungsbeschwerden haben hinreichend dargelegt, dass diese Annahme nicht der Wirklichkeit entspricht. Die Grenzen zwischen Palliativmedizin und Suizidassistenz sind bei bestimmten Krankheitsbildern und Behandlungsmethoden fließend und Palliativmedizin und Suizidassistenz schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.[67] In Fällen, in denen die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt, ermöglicht allein die Suizidhilfe den Betroffenen einen würdevollen und schmerzfreien Tod (dazu sogleich Näheres unter B. 2.1). Ärzte und insbesondere auch Palliativmediziner und Hospizmitarbeiter werden überdies regelmäßig mit Suizidwünschen Betroffener konfrontiert, und nur im Kontext ihrer Arbeit stellen sich überhaupt Fragen nach "Therapieoptionen" einschließlich des assistierten Suizids.

Wenn sich jedoch herausstellt, dass der Gesetzgeber von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist, kann das Bundesverfassungsgericht unter Zugrundelegung der richtigen Tatsachen nicht einfach den Tatbestand restriktiv korrigieren. Vielmehr müsste der Gesetzgeber – nunmehr unter Zugrundelegung zutreffender Tatsachen – selbst tätig werden und prüfen, ob er aufgrund der neuen Tatsachen möglicherweise auch eine andere Entscheidung zu treffen gewillt ist.

Zu beachten ist ferner der eingangs erwähnte Grundsatz, dass bei einer Hinzuziehung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes diese nicht derart stark in den Vordergrund geschoben werden darf, dass die Eindeutigkeit des Wortlauts dadurch überhaupt erst zweifelhaft wird. Mithin ist es nicht möglich, mit Hinweis auf die Ausführungen des Gesetzgebers, dass Angehörige von Heilberufen im Rahmen medizinischer Behandlung beispielsweise in Krankenhäusern, Hospizen und anderen palliativmedizinischen Einrichtungen wenn überhaupt nur im Einzelfall Suizidhilfe leisten[68], das Merkmal der "Geschäftsmäßigkeit" der Interpretation zu öffnen und dergestalt auszulegen, dass die Aneinanderreihung mehrerer, jeweils im Einzelfall getroffener Entscheidungen nicht erfasst sein soll. Eine solche Auslegung wäre contra legem im Hinblick auf die Definition der Geschäftsmäßigkeit in der Gesetzesbegründung als "auf Wiederholung angelegte Handlung"[69]. Dies gilt insbesondere deshalb, weil im Vorfeld nicht absehbar ist, wie oft solche "Einzelfallentscheidungen" von diesen Personen im Laufe ihres Berufslebens getroffen werden.    

Auch eine Heranziehung des ärztlichen Berufsrechts und die Aufgaben von Ärzten und ihr Selbstverständnis können hier unter Bezugnahme auf den Sinn und Zweck und den gesellschaftlichen und tatsächlichen Hintergrund der Norm keine restriktive Auslegung ermöglichen. Denn der Sinn und Zweck ist stets ausgehend vom Wortlaut der Norm zu ermitteln. Dabei ist zu fragen, mit welcher der nach dem Wortlaut möglichen Auslegung der Norm der Gesetzeszweck besser realisiert werden kann. Wie die Verfassungsbeschwerden sehr überzeugend aufzeigen, handeln jedoch Ärzte, insbesondere Palliativmediziner, geschäftsmäßig im Sinne des § 217 StGB, und ein "einheitliches Selbstverständnis" ist auch überaus fraglich, da nach einer Umfrage im Auftrag der Bundesärztekammer mehr als ein Drittel der Ärzte bereit wären, unter bestimmten Bedingungen bei einem Suizid zu assistieren.[70] Hinzu kommt mit Blick auf den Gesetzeszweck, dass erklärtes Ziel des Gesetzes ist, "die Entwicklung der Beihilfe zum Suizid (assistierter Suizid) zu einem Dienstleistungsangebot der gesundheitlichen Versorgung zu verhindern"[71]. Geschäftsmäßige Angebote, die Suizidhilfe als normale Behandlungsoption erscheinen lassen und Menschen dazu verleiten können, sich das Leben zu nehmen, sollen verboten werden. Gestützt wird diese Risikoeinschätzung darauf, dass sich in Deutschland angeblich Fälle häufen, in denen Vereine oder auch einschlägig bekannte Einzelpersonen die Beihilfe zum Suizid regelmäßig anbieten. Diese Gefährdung, welche es nach Auffassung des Gesetzgebers einzudämmen gilt, geht also seines Erachtens sowohl von Vereinen, als auch von Einzelpersonen aus und ist prinzipiell unabhängig davon, welche Personen(-gruppen) Suizidhilfe leisten. Entscheidend ist nur, dass sie es wiederholt tun.

Bestätigt wird dies dadurch, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung explizit anführt, dass das Verbot der Suizidbeihilfe gerade deshalb nicht auf gewerbsmäßig Handelnde beschränkt werden könne, weil damit die Möglichkeit entfalle, "selbst gegen die regelmäßig wiederkehrende oder serielle Unterstützung der Selbsttötung vorzugehen"[72] und deshalb eine weiter gehende Formulierung gewählt werden musste. Zwar läuft § 217 StGB damit de facto auf ein vollständiges strafrechtliches Verbot der Suizidbeihilfe hinaus (mit Ausnahme von nicht geschäftsmäßig handelnden Angehörigen und Nahestehenden), welches der Gesetzgeber erklärtermaßen als unverhältnismäßig einstuft[73]. Allerdings belegt dies nur einmal mehr die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, kann aber an dem hier gefundenen Ergebnis nichts ändern.

2.4 Ausnahme für Weltanschauungsgemeinschaften und deren Mitglieder, bei denen das Recht auf einen ärztlich assistierten Suizid zum Kernbestand ihrer Weltanschauung gehört

Vollkommen unberücksichtigt bleibt seitens des Gesetzgebers überdies die Fallkonstellation, dass eine Weltanschauungsgemeinschaft, bei der das Recht auf einen ärztlich assistierten Suizid zum Kernbestand ihrer Weltanschauung gehört, ebenso wie ihre Mitglieder von der Regelung des § 217 StGB in ihren weltanschaulichen Rechten gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1, Abs. 7 WRV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt wird.[74]

Hinsichtlich dieser verfassungsrechtlichen Problematik ist in der Tat anzunehmen, dass der Gesetzgeber diese im Gesetzgebungsverfahren nicht bedacht hat. Insofern kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber, wäre er sich dieser Rechtsverletzung bewusst gewesen, einen Ausschluss der Strafbarkeit für Mitglieder des Bundes für Geistesfreiheit normiert hätte. Eine entsprechende Abwägung der Weltanschauungsfreiheit im Sinne der Herstellung einer praktischen Konkordanz mit dem vom Gesetz intendierten abstrakten und individuellen Lebensschutz kann das Bundesverfassungsgericht nicht für den Gesetzgeber vornehmen. Überdies scheitert eine verfassungskonforme Auslegung des § 217 StGB in dem skizzierten Sinne, wonach die durch die Norm verursachten Einschränkungen lediglich für Mitglieder der Weltanschauungsgemeinschaft nicht gelten, am Wortlaut der Norm.      

2.5 Ausnahme im Falle einer Unterstützung aus verständlichen Motiven

Fraglich ist, ob § 217 StGB möglicherweise deshalb verfassungskonform ausgelegt werden kann, weil der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung ausführt, dass nicht die "Suizidhilfe, die im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird"[75], kriminalisiert werden soll. Nach der Gesetzesbegründung soll es folglich eine Straffreistellung für "im Einzelfall und aus altruistischen Motiven erfolgende Fälle von Hilfestellung bei der Selbsttötung"[76] geben. Wie genau diese Straffreistellung ausgestaltet sein soll, d.h. woran sie dogmatisch anknüpft, hat der Gesetzgeber allerdings offen gelassen. Auf der subjektiven Seite des Tatbestands erfolgt keine Einschränkung anhand der Motive für die Unterstützung. So werden insbesondere keine Konstellationen aus dem Anwendungsbereich des § 217 StGB ausgeklammert, in denen der Unterstützer aus Mitleid oder aus Mitgefühl oder aus altruistischen Motiven handelt, vergleichbar den subjektiven Mordmerkmalen des § 211 Abs. 2 Gruppe 1 und 3 StGB, nur in umgekehrter Stoßrichtung. Eine solche einschränkende Auslegung kann im Übrigen aber auch nicht in den Tatbestand hineingelesen werden. Vielmehr müsste es der Gesetzgeber selbst sein, welcher entsprechende Fälle definiert.

Überdies würde eine solche Straffreistellung im Falle einer Unterstützung aus verständlichen Motiven den ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers zur Kriminalisierung von Sterbehilfeorganisationen konterkarieren, da neben Ärzten, Palliativmedizinern, Hospizmitarbeitern und Pflegepersonal auch Mitarbeiter von Organisationen zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende aus altruistischen Motiven handeln können.[77] Wenn solche Vereine nicht mit Gewinnerzielungsabsicht handeln, liegt ein Handeln aus altruistischen Motiven seitens ihrer Mitarbeiter womöglich sogar als Regelfall sehr nahe.

Da eine solche Auslegung folglich nicht nur im Widerspruch zum Wortlaut, sondern auch zum Zweck des § 217 StGB und zum objektivierten Willen des Gesetzgebers stünde, darf das Bundesverfassungsgericht eine solche einschränkende Auslegung mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vornehmen. Wenn der Gesetzgeber eine Straffreistellung für entsprechende Fallkonstellationen beabsichtigt, muss er den § 217 StGB im Rahmen des dafür verfassungsmäßig vorgesehenen Verfahrens novellieren. Diese Aufgabe kann er nicht mit einem schlichten Hinweis in der Gesetzesbegründung an die dritte Gewalt delegieren, da es sich insofern nicht um die Auslegung einer Generalklausel oder eines unbestimmten Rechtsbegriffs handelt.

2.6 Hinweis auf eine strafrechtliche und eine strafprozessuale Lösung

Schließlich stellt sich die Frage, ob § 217 StGB möglicherweise deshalb nicht mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig ist, weil die Ausgestaltung des Strafrahmens ohne Anordnung einer erhöhten Mindeststrafe hinreichend Raum lässt, um im Einzelfall strafrechtlich angemessen reagieren zu können. Auch der Gesetzesentwurf Sensburg/Dörflinger[78] betonte, dass es in extremen Einzelsituationen, bei denen z. B. keine Schmerztherapie hilft und großes Leiden besteht, im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches Möglichkeiten gibt, mangels Schuld ganz von Strafe abzusehen. Überdies wird im Rahmen dessen auch auf die Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 153ff. StPO verwiesen.

Der Verweis auf die Möglichkeit, mangels Schuld ganz von Strafe abzusehen, welcher als Bezugnahme auf § 60 StGB zu verstehen ist, geht bereits deshalb fehl, weil die Norm nur dann anzuwenden ist, wenn die Tat für den Täter schwere Folgen gehabt hat. Ein klassischer Anwendungsfall des § 60 StGB, in dem das Gericht von der Verhängung einer Strafe absehen würde, wäre beispielsweise der, dass der Täter durch einen fahrlässig verschuldeten Verkehrsunfall seine Lebensgefährtin tötet.[79] Die im Rahmen der Suizidbeihilfe vorkommenden Konstellationen wären folglich vom Anwendungsbereich des § 60 StGB überhaupt nicht erfasst. Hinzu kommt, dass auch beim Absehen von Strafe nach § 60 StGB der Täter dennoch schuldig gesprochen wird und ihm die Verfahrenskosten auferlegt werden (§ 465 Abs. 1 S. 2 StPO). Allein das Bestehen des § 60 StGB kann folglich mitnichten die Unverhältnismäßigkeit des § 217 StGB beseitigen.    

In seiner Entscheidung zu § 29 BtMG entschied das Bundesverfassungsgericht[80] zwar, dass die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, die den unerlaubten Umgang mit Cannabis-Produkten unter Strafe stellten, verfassungsgemäß seien. Zu diesem Ergebnis gelangte das Gericht durch eine verfassungskonforme Auslegung. Das Übermaßverbot wurde unter der Bedingung als eingehalten bewertet, dass Erwerb und Besitz von Cannabis-Produkten "in kleinen Mengen zum gelegentlichen Eigenverbrauch"[81] regelmäßig nicht bestraft würden. Eine entsprechende Beschränkung der Strafbarkeit werde vom Gesetzgeber nicht materiell-rechtlich, wohl aber prozessual gewährleistet. So könne das Gericht nach § 29 Abs. 1, 5 BtMG in bestimmten Fällen von der Strafbarkeit absehen und nach § 31a BtMG in bestimmten Fällen von der Verfolgung.

Gegen diese Auslegung sind zunächst die zutreffenden Argumente, die Richter Sommer in seiner abweichenden Meinung zu dieser Entscheidung formuliert hat, ins Feld zu führen:

"Die Grenze, die GG Art 103 Abs. 2 in seiner Bedeutung als spezieller Ausdruck des Parlamentsvorbehalts […] zieht, ist […] dann überschritten, wenn den Strafverfolgungsbehörden eine Zurückhaltung angesonnen wird, die auf die Korrektur eines zu weit gefaßten Tatbestandes mit den Mitteln des Prozeßrechts hinausläuft und diese nicht mehr nur über die Opportunität der Strafverfolgung im Einzelfall, sondern selbst festlegen, was als strafbar angesehen wird."[82]

"Wird strafbares Verhalten im Gesetz weiter gefaßt, als es verfolgt werden soll oder kann, könnte die Strafverfolgungspraxis überdies den Eindruck hervorrufen, daß es der Gesetzgeber mit seinem Verdikt nicht in vollem Umfang ernst meine. Wird Strafrecht in dieser Weise zu lediglich "symbolischer" Problemlösung eingesetzt, besteht die Gefahr, daß seine Aussagekraft auch dort schwindet, wo es wirklich benötigt wird."[83]

Ein Verweis auf die Möglichkeit des Absehens von Strafverfolgung bzw. der Einstellung des Verfahrens oder des Absehens von Strafe,

"nimmt ferner nicht hinreichend auf den Umstand Bedacht, daß nicht erst Verhängung und Vollziehung staatlicher Strafe in besonderem Maße vor den Freiheitsrechten rechtfertigungsbedürftig sind. Schon die Bezeichnung eines Verhaltens als strafbar, aber auch die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens sind grundrechtsrelevant. Jede Strafvorschrift räumt der Polizei (§ 163 Abs. 1 StPO), der Staatsanwaltschaft und dem Richter Macht über das Schicksal anderer ein, auch wenn es letztlich nicht zu einer Anklage oder zu einer Verurteilung kommt. Bereits die Pönalisierung eines Verhaltens als solche schafft Leid […]. Die auch vom Senat in bestimmten Fällen nach dem Übermaßverbot für verfassungsrechtlich angezeigt erachtete Einstellung eines Ermittlungsverfahrens kann der einzelne Betroffene nach dem geltenden Strafverfahrensrecht nicht zum Schutz seiner Grundrechte mit Rechtsbehelfen durchsetzen. Auch aus diesem Grunde muß das materielle Strafrecht festlegen, was strafwürdig ist und was nicht."[84]

Ebenfalls instruktiv und auf die vorliegende Arzt-Patient-Konstellation übertragbar sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis des Mandanten zu seinem Strafverteidiger und dessen Belastung durch das Strafgesetz im Rahmen der Entscheidung zur Frage der Verwirklichung des Geldwäschetatbestandes durch Strafverteidiger:

"Die vom Gesetzgeber durch strafprozessuale und materiellrechtliche Regelungen bestimmte Tätigkeit eines Strafverteidigers, die sich insbesondere durch das Gebot umfassender und ausschließlicher Wahrnehmung der Interessen des Mandanten und seine absolute Pflicht zur Verschwiegenheit auszeichnet, kann durch die Vorwirkungen des Straftatbestands der Geldwäsche nachhaltig verändert werden. Die Vorschrift des § 261 Abs. 2 StGB kann das berufliche Leitbild des Strafverteidigers erschüttern. Eine auch hinsichtlich der subjektiven Seite weit gefasste Strafdrohung birgt vor allem Gefahren für das von Verfassungs wegen geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Strafverteidiger und Mandant, ohne dass ein Weg aufgezeigt würde, Interessenkollisionen und eine Gefährdung des Vertrauensverhältnisses zuverlässig zu vermeiden."[85]

"Die Gefahr möglicher eigener Strafbarkeit, die für den Strafverteidiger aus § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB folgt, wenn die Bestimmung auf ihn wie auf Angehörige beliebiger anderer Berufsgruppen angewandt wird, ist mit der Gefahr eines Interessenkonflikts verbunden, der die professionelle Arbeit des Strafverteidigers erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen kann. Ein Strafverteidiger, der sich durch die Annahme eines Honorars der Gefahr eigener Strafverfolgung ausgesetzt sieht, kann die von ihm gewählte berufliche Tätigkeit nicht mehr frei und unabhängig ausführen und ist nicht in der Lage, die ihm von Verfassungs wegen anvertraute Aufgabe der Interessenwahrnehmung für den Beschuldigten zu erfüllen."[86]

"Übernimmt der Strafverteidiger ein mit dem Risiko eigener Strafverfolgung behaftetes Wahlmandat, so wird er nach Einführung des Tatbestands der Geldwäsche nicht allein die Interessen seines Mandanten in den Blick nehmen, sondern zum Schutz vor eigener Strafverfolgung auch seine eigenen Belange berücksichtigen müssen. Neben der Verteidigung seines Mandanten wird er auch darum besorgt sein, eigene Strafverfolgung wegen eines Verdachts der Geldwäsche nach Möglichkeit zu vermeiden."[87]

"Ohne Rücksicht auf den späteren Verfahrensausgang kann deshalb schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einem Verlust an beruflicher Reputation und damit langfristig zu einer Verringerung der Erwerbschancen des Strafverteidigers führen."[88]

Insofern ist auch zu bedenken, dass es bereits vor der Schaffung des aktuellen § 217 StGB in der Vergangenheit immer wieder zu Anklagen und Prozessen selbst in Fallkonstellationen kam, die rechtlich eindeutig waren. Beispielhaft sei insofern lediglich der Fall Dr. Kurt A. angeführt: Ein Chirurg und seine Mutter standen im Jahr 2014 in Ulm wegen des Vorwurfs der Tötung auf Verlangen vor dem Schwurgericht, weil sie die Morphinpumpe hochgedreht haben sollen, als ihr im Sterben liegender Vater und Ehemann Dr. Kurt A. Atemnotattacken bekam, sich die Sauerstoffmaske herunterriss und kein Arzt erreichbar war, um dem qualvoll erstickenden Patienten eine Notfalldosis Morphin geben zu können. Was der Staatsanwalt in diesem Verfahren für kriminell hielt, ist ein Grundprinzip der Palliativmedizin und sowohl ethisch in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung als auch juristisch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt. Dies allerdings war weder der Staatsanwaltschaft noch dem Schwurgericht geläufig. Am Ende wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Auflage von jeweils 15.000 Euro eingestellt. Der Prozess, dessen Hauptverhandlung erst sechs Jahre nach dem Tod des Dr. Kurt A. begann, hat das Leben der Familie A. zerstört und Kosten im Wert eines Einfamilienhauses verursacht.[89] 

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass bereits die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens für den Betroffenen schwerwiegende soziale und berufliche Konsequenzen bis hin zu einem Approbationsentzug haben kann:

"Überdies ist höchstrichterlich geklärt, dass auch im Fall der Verfahrenseinstellung eine eigenständige Überprüfung der in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Approbationswiderrufs erfolgen kann. Das Fehlen der strafrechtlichen Sanktionierung, etwa aufgrund eines Verfahrenshindernisses im Fall der Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO, aber auch im Fall der Verfolgungsverjährung, die bereits den Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat entfallen lässt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52, Aufl., § 152 Rn. 4), führt nicht dazu, dass der zugrunde liegende Sachverhalt einer eigenständigen Würdigung im approbationsrechtlichen Verfahren entzogen ist."[90]

Bereits ein erstmaliges Fehlverhalten kann für die Annahme der Berufsunwürdigkeit genügen, wenn die Art des Verstoßes, das Ausmaß der Schuld - insbesondere im Bereich strafbaren Verhaltens - und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind.[91]

Nach alledem können die zur Verfügung stehenden strafrechtlichen und strafprozessualen Möglichkeiten hier nicht zur Annahme einer Vereinbarkeit des § 217 StGB mit dem Grundgesetz führen. Solch allgemeine Strafwürdigkeitsüberlegungen stellen zudem keine Auslegungsversuche anhand der anerkannten Auslegungsmethoden dar, sondern rechtspolitische Argumente, welche von kriminalpolitischen Vorverständnissen geprägt sind und ein Eigenleben außerhalb der Norm führen. Eine hierauf Bezug nehmende Gesetzesauslegung ist als ergebnisorientiert abzulehnen.

B. Entspricht § 217 StGB der EMRK?

Die Begründung einer "Rechtspflicht zum Leben" und damit einhergehend einer "Rechtspflicht zum Erleiden von Qualen" ist weder mit dem Grundgesetz noch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.  Ein strafrechtliches Verbot des Suizids wäre demzufolge auch nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers unzulässig.[92] § 217 StGB kriminalisiert dementsprechend de jure nicht den Suizid als solchen, sondern die geschäftsmäßige Suizidassistenz.

In den Fällen, in denen der Betroffene jedoch großes Leid ertragen muss und zur Umsetzung seiner ernsthaft und freiverantwortlich getroffenen Suizidentscheidung zwingend auf professionelle ärztliche Hilfe angewiesen ist, läuft die Versagung der ärztlich assistierten Suizidbeihilfe durch § 217 StGB de facto auf ein verfassungswidriges und menschenrechtswidriges Totalverbot der Selbsttötung als solcher und eine "Rechtspflicht zum Leben" und damit auf eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 3, 8 EMRK hinaus. Diese Auffassung wird durch das Urteil in der Sache R.R. gegen Polen bestätigt.[93] Im Rahmen dessen stellte der Gerichtshof eine Verletzung von Art. 8 EMRK in einem Fall fest, in dem ein gesetzlich erlaubter Schwangerschaftsabbruch de facto durch eine Verweigerung der Erstellung der erforderlichen ärztlichen Diagnose vereitelt worden war.[94]

1. Die Rechtsprechung des EGMR zur Selbstbestimmung am Lebensende und zur Suizidassistenz

In seiner Rechtsprechung zur Sterbehilfe hat sich der Gerichtshof mit der Zulässigkeit verschiedener Sterbehilfeformen und der Suizidassistenz befasst und im Rahmen dessen die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts beim Sterben bestimmt (Art. 8 EMRK) sowie Fragen der staatlichen Schutzpflichten (Art. 2 EMRK) und des Verbots erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK) erörtert.[95]

Ausgangspunkt seiner ersten Entscheidung im Jahr 2002 in der Sache Pretty gegen Vereinigtes Königreich war ein Fall, in dem die britische Beschwerdeführerin an der Motorneuronenerkrankung, einer tödlichen und unheilbaren Krankheit litt. Angesichts des quälenden und würdelosen letzten Stadiums der Krankheit wünschte sie, selbstbestimmt entscheiden zu dürfen, wie und wann sie starb. Da sie bereits vom Hals abwärts gelähmt war, nicht mehr verständlich sprechen konnte und durch eine Sonde ernährt wurde, fehlte ihr jegliche Möglichkeit, ohne Hilfe Dritter Suizid zu begehen und begehrte sie demzufolge die Unterstützung ihres Ehemannes. Die britischen Behörden lehnten ihren Antrag auf Zusicherung einer Strafbefreiung für ihren Ehemann jedoch ab. In Rede stand folglich die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Straflosstellung der Sterbehilfe im Falle eines qualvollen und entwürdigenden Krankheitsverlaufes.

Der Gerichtshof entschied, dass die Konvention vorliegend nicht verletzt sei. Das Recht auf Leben aus Art. 2 EMRK beinhalte kein Recht, mit Hilfe anderer zu sterben. Dem Vortrag der Beschwerdeführerin, sie werde durch das allgemeine Verbot der Sterbehilfe diskriminiert, weil sie aufgrund ihrer Lähmung im Gegensatz zu anderen Betroffenen den Suizid nicht ohne fremde Hilfe begehen könne, folgte der Gerichtshof nicht. Im Rahmen von Art. 14 EMRK sei nicht zwischen Personen zu unterscheiden, die ohne Hilfe Suizid begehen können und solchen Personen, die nicht dazu in der Lage sind. Denn die Grenzlinie wäre schwer zu ziehen und es bestünde eine Missbrauchsgefahr.[96] Gleichzeitig leitete er aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK allerdings ab, dass den Konventionsstaaten die Begründung einer "Rechtspflicht zum Leben" verboten sei:

"Das Wesentliche der Konvention ist die Achtung der Menschenwürde und der menschlichen Freiheit. Ohne den von der Konvention geschützten Grundsatz der Unverletzlichkeit des Lebens in irgendeiner Weise antasten zu wollen, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass es bei Art. 8 EMRK ist, wo der Begriff der Lebensqualität an Bedeutung gewinnt. In einer Zeit fortschreitender Entwicklung der Medizin in Verbindung mit einer längeren Lebenserwartung ist es für viele Personen ein Anliegen, im hohen Alter oder bei fortschreitendem körperlichen oder geistigen Abbau nicht dazu gezwungen zu werden, weiterzuleben, weil das nicht mit für wesentlich gehaltenen Vorstellungen von eigener und persönlicher Freiheit in Einklang stehen würde."[97]

Überdies erkannte der Gerichtshof an, dass Art. 3 EMRK auch das auf einer natürlich ausgebrochenen körperlichen oder geistigen Krankheit beruhende Leid umfassen kann, wenn es durch eine Behandlung verschlimmert wird oder verschlimmert zu werden droht, die auf Haftbedingungen oder andere Maßnahmen zurückgeht, für die Behörden verantwortlich gemacht werden können.[98] Auch bestehe grundsätzlich eine positive Verpflichtung des Staates, Misshandlungen seitens öffentlicher Institutionen oder Privatpersonen zu verhindern und bessere Bedingungen oder Behandlungen zur Verfügung zu stellen.[99]

Entscheidend für die Beurteilung der britischen Regelungen als verhältnismäßig war aus Sicht des EGMR letztlich der Umstand, dass der in England und Wales geltende Suicide Act Beihilfe zum Suizid als Delikt ausgestaltet hat, für dessen Verfolgung nicht das Legalitätsprinzip, sondern das Opportunitätsprinzip gilt: Eine Strafverfolgung ist nur mit Zustimmung des Generalstaatsanwalts (Director of Public Prosecutions) zulässig. Aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem Urteil des EGMR im Fall Pretty leitete das House of Lords im Jahr 2009 im Fall Prudy[100] in einer einstimmig ergangenen Entscheidung sodann ein Recht auf Veröffentlichung der Kriterien, die die Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung von Fällen der Suizidbeihilfe zugrunde legen, ab. Das Gericht urteilte, dass die bisherige Rechtspraxis nicht geeignet sei, potentiellen Suizidenten und ihren Unterstützern die erforderliche Rechtssicherheit zu geben, in welchen Fällen eine Strafverfolgung durchgeführt wird oder nicht. Den von der EMRK aufgestellten Anforderungen an "accessibility” und "foreseeability” genügten die allgemeinen Richtlinien der Strafverfolgungsbehörden im Code for Crown Prosecutors[101] nicht. Der Generalstaatsanwalt wurde dementsprechend verpflichtet, eine straftatspezifische Richtlinie zu erstellen, in der die Fakten und Umstände, die bei einer Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme der Strafverfolgung in Fällen der Suizidbeihilfe berücksichtigt werden, aufgeführt sind. Im Jahr 2010 veröffentliche der Generalstaatsanwalt daraufhin eine sehr detaillierte "Policy for prosecutors in respect of cases of encouraging or assisting suicide"[102].[103] Im Anschluss an dieses Urteil entspann sich in Großbritannien eine Debatte über Suizidbeihilfe. In einer Meinungsumfrage sprachen sich 74 Prozent der Bürger für die Zulässigkeit eines ärztlich assistierten Suizids aus und sechs von zehn wollten potentielle Suizidenten unterstützen, ohne deshalb mit einer Strafverfolgung rechnen zu müssen.[104] 

Knapp zehn Jahre später hat der Straßburger Gerichtshof in der Sache Haas gegen Schweiz im Jahr 2011 seine Rechtsprechung weiterentwickelt und anerkannt, dass ein Patient gemäß Art. 8 EMRK das Recht hat, autonom zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt er sterben möchte, solange die Entscheidung freiverantwortlich ist. Auch dürfe dieses Recht der Selbstbestimmung nicht nur theoretisch und scheinbar sein.[105] Der Gerichtshof stellte fest, dass fehlgeschlagene Suizidversuche häufig schwerwiegende Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen haben, und dass die Konventionsstaaten nach Art. 8 EMRK verpflichtet sein können, Maßnahmen zur Erleichterung eines Suizids zu treffen, um dem Betroffenen zu ermöglichen, sein Leben in Würde zu beenden, auch wenn die Schweiz im vorliegenden Fall diese Pflicht nicht verletzt hatte.[106]

Dem Urteil lag der Fall eines Beschwerdeführers zugrunde, welcher seit 20 Jahren an einer schweren manisch-depressiven Störung litt, deshalb würdig, schmerzlos und ohne unnötige Leiden Suizid begehen wollte und sich deshalb gegen die in der Schweiz bestehende Verschreibungspflicht für ein tödliches Medikament wandte, weil es ihm nicht gelungen war, unter 170 Psychiatern auch nur einen zu finden, der bereit gewesen wäre, ihm ein Gutachten darüber zu erstatten, dass er keine Anzeichen fehlender Urteilsfähigkeit aufweise, und dass sein Sterbewunsch nicht Symptom seiner Krankheit sei, wie dies das Schweizerische Bundesgericht für Personen mit psychischen Krankheiten in seinem Entscheid BGE 133 I 58 vorgeschrieben hatte. Der Gerichtshof entschied, dass die Maßgabe der Verschreibungspflicht auf Grundlage einer umfassenden psychiatrischen Beurteilung dazu diente, die staatliche Pflicht zu erfüllen, für ein Verfahren zu sorgen, das sicherstellen kann, dass die Suizidentscheidung tatsächlich freiverantwortlich ist. Strittig war sodann die Frage, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Zugang zu einer ärztlichen Beurteilung hatte, die es ihm hätte ermöglichen können, das gewünschte Medikament zu erhalten, denn anderenfalls wäre sein Recht, wählen zu dürfen wann und wie er stirbt, rein theoretisch oder illusorisch. Der Gerichtshof war indes nicht überzeugt, dass es dem Beschwerdeführer unmöglich war, einen Facharzt zu finden, der ihm helfen konnte. Aus dem Urteil lässt sich schlussfolgern, dass eine Regelung zur Sterbehilfe und zur Suizidassistenz, wie sie gegenwärtig in der Schweiz praktiziert wird, nach der EMRK zulässig ist.[107]   

Diese Rechtsprechung bestätigte der Gerichtshof im Jahr 2012 im Fall Koch gegen Bundesrepublik Deutschland.[108] Zugrunde lag dem die Beschwerde eines Mannes, dessen Frau fast vollständig gelähmt war, durchgehend künstlich beatmet werden musste und ständige Aufsicht und medizinische Betreuung benötigte. Nach Auffassung der Ärzte hatte sie noch eine Lebenserwartung von ca. 15 Jahren. Sie selbst empfand ihr Leben jedoch als unwürdig und wollte dieses beenden, weshalb sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital beantragte, welche ihr die Selbsttötung zuhause ermöglicht hätte. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Im Jahr 2005 reisten die Eheleute deshalb in die Schweiz, wo die Frau des Beschwerdeführers sich mit Hilfe eines Vereins das Leben nahm. Auf die anschließend gegen die Entscheidung des Bundesinstituts erhobenen Klagen des Beschwerdeführers gingen die Gerichte inhaltlich nicht ein, weil sie bereits dessen Klagebefugnis verneinten. Der Gerichtshof urteilte, die Weigerung der deutschen Gerichte, die Begründetheit seiner Klage zu prüfen, stelle eine Verletzung des Verfahrensrechts des Beschwerdeführers unter Artikel 8 EMRK dar. Hinsichtlich der Prüfung der materiellen Beschwerde verwies er den Beschwerdeführer jedoch an die deutschen Gerichte, wo die Sache seither anhängig ist.

In der Sache Gross gegen Schweiz[109] aus dem Jahr 2013 rügte eine im Jahr 1931 geborene Beschwerdeführerin, welche nicht an einer tödlichen Krankheit litt, gestützt auf Art. 8 EMRK, dass sie von den Schweizer Behörden keine Genehmigung für eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital (NaP) bekommen konnte und ihr Recht, selbstbestimmt zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sie sterben möchte, damit nur auf dem Papier bestünde. Der Gerichtshof stellte fest, dass es auch positive Pflichten gäbe, die einer effektiven "Achtung" des Privatlebens inhärent seien. Im Rahmen dessen könne der Staat verpflichtet sein, positive Maßnahmen zu ergreifen. Dies geschähe beispielsweise durch die Bereitstellung eines Regelungsrahmens, welcher es Individuen ermögliche, ihre Rechte aus Art. 8 EMRK tatsächlich wahrzunehmen und durchzusetzen, oder aber durch das Ergreifen eigenständiger staatlicher Maßnahmen (Rn. 62). Sodann erinnerte der Gerichtshof daran, dass er im Fall Haas gegen Schweiz entschieden habe, es bestehe eine positive Verpflichtung des Staates, Maßnahmen zu ergreifen, um einen würdevollen Suizid zu ermöglichen (Rn. 63). Im Gegensatz dazu sei im Fall Gross jedoch die Frage zu entscheiden, ob der Staat es versäumt habe, ausreichende Richtlinien zur Verfügung zu stellen, in denen festgelegt ist, ob und – wenn ja – unter welchen Umständen Ärzte ermächtigt seien, ärztliche Verschreibungen an Personen wie die Beschwerdeführerin auszustellen. Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass das Schweizer Recht zwar erlaube, eine tödliche Dosis NaP auf ärztliche Verordnung zu erhalten, dass der Umfang dieses Rechts aber nicht hinreichend klar definiert sei. Denn die bestehenden privaten Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) bezögen sich nur auf die Beihilfe zum Suizid zugunsten von Patienten, die an einer tödlichen Krankheit leiden, die innerhalb einer kurzen Zeit zum Tode führen. Nicht erfasst würden hingegen Personen wie die Beschwerdeführerin, die Suizid begehen wollen, ohne an einer tödlichen Krankheit zu leiden. Der Gerichtshof urteilte, dass das Fehlen klarer gesetzlicher Richtlinien einen abschreckenden Effekt ("chilling effect”) auf Ärzte hätte, die ansonsten dazu bereit wären, einer Person in der Situation der Beschwerdeführerin die gewünschte ärztliche Verschreibung auszustellen (Rn. 65). Deshalb stellte der Gerichtshof fest,

"dass die Ungewissheit über das Ergebnis ihres Ersuchens in einer Situation, die einen besonders wichtigen Aspekt ihres Lebens betrifft, der Beschwerdeführerin erhebliches Leid zugefügt haben muss. Der Gerichtshof folgert, dass die Beschwerdeführerin sich in einem Zustand der Angst und der Ungewissheit bezüglich des Umfangs ihres Rechtes, ihr Leben zu beenden, befunden haben muss, der nicht eingetreten wäre, wenn es klare staatlich genehmigte Richtlinien gegeben hätte, die die Umstände festlegten, unter denen Ärzte die gewünschte Verschreibung in Fällen ausstellen dürften, in denen jemand, in Ausübung seines oder ihres freien Willens zu der ernsthaften Entscheidung gekommen ist, sein oder ihr Leben zu beenden, ohne dass der Tod unmittelbar aufgrund einer besonderen medizinischen Gegebenheit bevorstünde." (Rn. 66) […]

"Daher entscheidet der Gerichtshof, […] dass das Fehlen von klaren und umfassenden gesetzlichen Richtlinien das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 der Konvention verletzt hat." (Rn. 69)

Zum Inhalt etwaiger Richtlinien bezog der Gerichtshof unter Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip keine Stellung. Die Große Kammer hob das Kammerurteil vom 14. Mai 2013 aus prozessualen Gründen auf. Dennoch sind die Ausführungen in dem Urteil instruktiv für den hier in Rede stehenden § 217 StGB und die Frage dessen Vereinbarkeit mit der EMRK. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gerichtshof in einer vergleichbaren Fallkonstellation wieder ebenso entscheiden würde.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK Beschränkungen auferlegt. Der Gerichtshof hat seine diesbezügliche Rechtsprechung sukzessive ausgeweitet. Während er sich im Jahre 2002 lediglich dazu durchringen konnte, die Statuierung einer "Rechtspflicht zum Leben" als konventionswidrig anzuerkennen, die besondere Situation von Personen, die ohne fremde Hilfe keinen Suizid begehen können, aber nicht hinreichend berücksichtigte, geht er mittlerweile sogar so weit, die Konventionsstaaten zu verpflichten, ihrer Schutzpflicht aus Art. 8 EMRK Rechnung zu tragen und einen Regelungsrahmen bereit zu stellen, welcher es Individuen ermöglicht, ihre Rechte auch tatsächlich wahrzunehmen und durchzusetzen, damit das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Tod nicht nur eine theoretische oder gar illusorische Option darstellt.

Auch muss der Staat, wenn er Regelungen zur Suizidbeihilfe aufstellt, darauf achten, dass diese eindeutig und klar formuliert sind, da sie ansonsten eine abschreckende Wirkung auf Ärzte haben könnten. Vor diesem Hintergrund erscheint es überaus naheliegend, dass der Gerichtshof die Regelung des § 217 StGB zur Suizidbeihilfe als nicht hinreichend klar qualifizieren und feststellen würde, dass das neue Gesetz einen abschreckenden Effekt auf Ärzte hat. Zur Begründung kann auf die Ausführungen unter A. dieser Stellungnahme sowie die dieser zugrundeliegenden Beschwerden verwiesen werden. Mit Blick auf die Entscheidung Pretty und das anschließende Urteil des House of Lords, welches die Ausführungen des EGMR aufgegriffen und weiterentwickelt hat, erscheint es überdies naheliegend, dass eine nationale Regelung zur Strafbarkeit der Suizidbeihilfe nur dann als verhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK anzusehen ist, wenn die Richtlinien zur Verfolgung der Tat deliktsspezifisch und für den Bürger verständlich formuliert sowie öffentlich einsehbar sind. Diesen Anforderungen werden die allgemeinen, für alle Delikte geltenden Regelungen der §§ 153ff. und die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) nicht gerecht. Spezielle Richtlinien für die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezogen auf § 217 StGB existieren nicht.    

Ebenfalls angelegt in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Problematik, dass der sinnlose Einsatz ausgefeilter Medizintechnik Todkranke am Sterben hindert und damit unter Umständen unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK deren Leiden verschlimmert oder zu verschlimmern droht. So werden beispielsweise bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz in Pflegeheimen in Deutschland jedes Jahr Zigtausende Magensonden zur künstlichen Ernährung gelegt, obwohl die wissenschaftlichen Daten unmissverständlich aufzeigen, dass dies für die Patienten keine Vorteile, sondern nur Nebenwirkungen hat.[110] Geschehen solche Übertherapien am Lebensende in staatlichen Krankenhäusern oder Pflegeheimen, können staatliche Behörden dafür unmittelbar verantwortlich gemacht werden. Hinsichtlich privat betriebener Krankenhäuser oder Pflegeheime greift die positive Schutzpflichtendimension des Art. 3 EMRK. Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass Personen, die seiner Hoheitsgewalt unterstehen, nicht unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden, einschließlich einer solchen Behandlung durch Privatpersonen.[111]

Dem Verbot erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK) kommt im System der Konventionsrechte eine herausgehobene Bedeutung zu. Die Norm lässt als einzige Gewährleistung der EMRK keine Beschränkungen oder Ausnahmen zu. Art. 3 EMRK gewährleistet die Wahrung der psychischen und physischen Integrität im Falle staatlicher Behandlung.[112] Bereits gegenwärtig werden das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Sterben und der in Patientenverfügungen geäußerte Wille insbesondere in Pflegeeinrichtungen systematisch missachtet. Diese Entwicklung wird durch § 217 StGB noch verstärkt werden. Denn die Norm hat eine abschreckende Wirkung auf Ärzte, und selbst in den Fällen, in denen sie eine solche Wirkung nicht entfaltet, ist der Anreiz groß, sich aus finanziellen Erwägungen dennoch auf das Damoklesschwert des § 217 StGB zu berufen, um unheilbar kranke Patienten unnötigen Behandlungsverfahren zu unterziehen, die deren Leiden nachweislich verlängern und verschlimmern und sie am Sterben hindern.     

Die Ausführungen im Fall Haas, wonach fehlgeschlagene Suizidversuche häufig schwerwiegende Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen haben und die Konventionsstaaten nach Art. 8 EMRK verpflichtet sein können, Maßnahmen zur Erleichterung eines Suizids zu treffen, um dem Betroffenen zu ermöglichen, sein Leben in Würde zu beenden, sind in der Zusammenschau mit der Warnung vor Ärzte abschreckenden unklaren gesetzlichen Regelungen im Fall Gross zu lesen. Insofern lassen sie sich als Hinweise auf die Zulässigkeit eines ärztlich assistierten Suizids deuten. In besonderen Konstellationen, wie sie beispielsweise auch im Fall Pretty gegeben waren, lassen sie sich womöglich sogar als Hinweise auf eine positive Pflicht verstehen, dem Betroffenen die Möglichkeit eines ärztlich assistierten Suizids zu gewähren, da ihm nur so ermöglicht werden kann, sein Leben in Würde zu beenden.

2. Das Gebot der ärztlichen Suizidassistenz in "Notfällen"

Zumindest für "Notfälle" muss zwingend eine ärztliche Suizidassistenz zugelassen werden, welche beispielsweise auf Fälle begrenzt werden könnte, in denen ein Arzt auf ausdrückliches und ernstliches Verlangen eines tödlich Kranken nach Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten zur Abwendung eines unerträglichen und unheilbaren Leidens Beihilfe zur Selbsttötung leisten darf.[113]

2.1 "Notfälle", in denen die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt

Dies leitet über zu der Frage nach den "Notfällen" und den Grenzen der palliativmedizinischen Versorgung. Deren Darstellung erscheint insbesondere auch deshalb von zentraler Bedeutung, weil der Gesetzgeber sich ausweislich der Gesetzesbegründung von der Annahme leiten ließ, dass bei der Suizidhilfe "kein bloß gradueller, sondern ein kategorischer Unterschied zu palliativmedizinischen Maßnahmen"[114] vorliege. Angehörige von Heilberufen leisten seiner Ansicht nach überdies im Rahmen medizinischer Behandlung beispielsweise in Krankenhäusern, Hospizen und anderen palliativmedizinischen Einrichtungen wenn überhaupt nur im Einzelfall Suizidhilfe.[115] Dabei verkennt der Gesetzgeber, – wie bereits vorne gesagt worden ist –, dass Palliativmedizin und Suizidhilfe sich gegenseitig ergänzen und eben gerade nicht ausschließen.

Vorab drei Fallbeispiele:

Fallbeispiel 1 ist der Fall des Dr. S.[116] Dieser war im Alter von 61 Jahren an der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) erkrankt. Symptome der Krankheit sind zunächst Muskelkoordinationsstörungen und Gangunsicherheiten. Später kommt es zu völliger Steife, Muskelschwund, Sprachverlust, Schluckunfähigkeit und totaler Pflegeabhängigkeit bei voll erhaltenen geistigen Fähigkeiten. Die Krankheit nahm einen schnellen Verlauf. Eineinhalb Jahre nach der Diagnose konnte Dr. S. weder schlucken noch halbwegs verständlich sprechen. Bei Sprechversuchen flossen große Mengen Schleim aus seinem Mund. Er war spindeldürr und festgeschnallt auf einem Spezialpflegestuhl. Auch sein Kopf war fixiert, da er sonst zur Seite gekippt wäre, denn die Muskeln des gesamten Körpers hatten sich weitgehend zurückgebildet. Er wurde künstlich ernährt über einen Schlauch, der direkt durch die Bauchwand in den Magen führte (sogenannte "PEG-Sonde"). Dr. S wurde ambulant palliativmedizinisch versorgt. Die Gesichtsmasken, die ihm seine Atmung erleichtern sollten, hielt er jedoch nur 60 bis 70 Minuten lang aus. Danach war der Mund zu trocken, im Rachen alles verklebt, außen zu viel Speichel, und die Maske wurde zu eng. In seinem Mund, im Rachenraum und in der Lunge bildeten sich unablässig Sekrete, welche alle 45 Minuten abgesaugt werden mussten. Nachts lag er jede Stunde wach und hatte Schmerzen. Zu diesem Zeitpunkt konnte kein Arzt mit Sicherheit sagen, wie lange er unter optimaler Versorgung noch hätte weiterleben können. Dr. S. entschied sich jedoch für einen assistierten und schmerzfreien schnellen Suizid. Die Alternative, einen Abbruch des Behandlungsverfahrens durch Einstellung der künstlichen Ernährung und damit verbunden ein eher langsames tödliches Austrocknen infolge fehlender Flüssigkeitsaufnahme, lehnte er ab. Ihm wurde deshalb eine Infusion vorbereitet und zur Verfügung gestellt, welche er eigenhändig über den Schieber des Infusionsschlauches zu sich nehmen konnte.             

Fallbeispiel 2 ist der Fall des schwerst krebskranken Herrn P.[117] Dieser war als "austherapiert" aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die ihm zur Verfügung stehenden Schmerzmittel wirkten jedoch nicht. Er hatte lokale Metastasen an Haut, Knochen und Schädel und schrie vor Schmerzen. Daraufhin wurden ihm im Rahmen einer palliativen Behandlung Morphium und Valium zur sofortigen tiefen Sedierung gespritzt. Doch bereits wenige Stunden später klagte der Patient wieder über unerträgliche Qualen. Nach einer Woche erfolgloser Therapie auf einer Palliativstation wurde Herr P. entlassen und starb wenige Tage später zuhause unter großen Qualen.     

Fallbeispiel 3 ist der Fall der Frau G.[118] Frau G. hatte nach der Diagnose ihrer Ärzte nur noch wenige Wochen zu leben. Ihr Unterleib war vom Krebs zerfressen. Die Blase, Gebärmutter, Scheide und ein Teil des Darms waren operativ entfernt worden. In ihrem Unterleib befand sich ein Loch, welches von einer Vorlage abgedeckt wurde. Die Nieren waren nach außen mit Schläuchen abgeleitet und der Darm über einen künstlichen Darmausgang. Eines Tages erbrach sie ihren Kot. Aufgrund der seelischen Qualen und dem gegenüber dem eigenen Körper empfundenen Ekel beschloss Frau G., obwohl sie über eine Morphiumpumpe zur Linderung ihrer Schmerzen verfügte, ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende zu bereiten. Ein Arzt erklärte ihr, wie sie dazu die Morphiumpumpe bedienen müsse, und Frau G. schied aus dem Leben.  

Unstreitig gibt es Fälle unheilbarer und irreversibel zum Tode führender Krankheiten, in denen Schmerztherapien nicht weiterhelfen und die Patienten enormes Leid und seelische Qualen ertragen müssen (Fallbeispiel 1). Ein schmerzfreies Leben kann durch eine palliativmedizinische Versorgung auf der Grundlage der geltenden fachlichen Richtlinien nicht in jedem Einzelfall garantiert werden.[119] Fallbeispiel 2 zeigt zudem, dass palliativmedizinische Maßnahmen bei ca. fünf bis zwanzig Prozent der Patienten nicht anschlagen und nicht zur angestrebten Schmerzlinderung führen.[120] In anderen Fällen, wie dem Fallbeispiel 3, der Miserere (Erbrechen von Kot), bietet auch eine palliativmedizinische Behandlung für die Betroffenen keine Lösungen.

Zwar besteht in Fällen, in denen die palliativmedizinische Versorgung die Qualen der Patienten nicht lindern kann, theoretisch immer die Möglichkeit einer terminalen Sedierung – auch über Jahre hinweg. Bei dieser Versetzung in einen permanenten Tiefschlaf handelt es sich jedoch lediglich um einen vorgezogenen "sozialen Tod", da diese Personen bereits Tage oder Wochen vor ihrem biologischen Tod aufgrund ihres komatösen Zustandes nicht mehr mit der Außenwelt kommunizieren können.[121] Überdies gibt es Patienten, wie auch das Fallbeispiel 2 zeigt, bei denen selbst die terminale Sedierung keine Linderung der Leiden verschaffen kann.

In all diesen Fällen besteht die Hilfe des Arztes gerade darin, dem Patienten einen nach seinen Vorstellungen würdevollen und schmerzfreien Tod durch Suizidbeihilfe zu ermöglichen. Palliativmedizin und Suizidassistenz ergänzen sich also und schließen sich nicht aus.[122] Zahlreiche weitere Fallbeispiele der genannten Art ließen sich aufführen.[123] Wer die Betroffenen vor diesem Hintergrund pauschal auf den Ausbau palliativmedizinischer Einrichtungen und des Hospizwesens verweist, verkennt dies.

Die genannten Beispiele zeigen zudem, dass jeder Mensch, der seinen Suizidwunsch noch irgendwie äußern kann, auch in der Lage ist, die Tatherrschaft bei der Tötung bis zum Ende zu behalten.[124] Zumeist können die Patienten entweder die Medikamente oral zu sich nehmen oder bei einer Infusion den Regler selbst bedienen oder einen Infusionsautomaten auslösen. Dies zeigen auch die Fallbeispiele 1 und 3. Und selbst wenn dies nicht mehr möglich sein sollte, kann dem Sterbewunsch des Patienten dadurch entsprochen werden, dass man ihn so lange terminal sediert, bis er infolge der ausbleibenden Flüssigkeitszufuhr auf natürlichem Wege stirbt.[125] Aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) ist mithin selbst bei den geschilderten Extremfällen nicht erforderlich. Was hingegen erforderlich ist in derartigen "Notfällen", ist eine Beihilfe zum Suizid durch fachkundige Unterstützer. Sei es, um die Medikamente bzw. die Infusion bereit zu stellen, sei es, um dem Patienten die Bedienung der Morphiumpumpe zu erklären bzw. diese so einzustellen, dass sich der Patient selbst eine Überdosis zuführen kann. Ohne ärztliche Hilfe wären die Patienten in den Fallbeispielen 1 und 3 aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht in der Lage gewesen, sich selbst würdevoll zu töten. Dieser Aspekt ist hier entscheidend.    

2.2 Positive Schutzpflicht des Staates 

Daran anknüpfend lässt sich eine Schutzpflicht des Staates begründen. Der Staat ist aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und insbesondere auch aufgrund von Art. 8 Abs. 1 EMRK verpflichtet, für diejenigen Fälle, in denen die Leiden der Patienten nicht palliativmedizinisch behandelt werden können, diesen den letzten Ausweg durch einen selbstbestimmten ärztlich assistierten Suizid nicht zu versagen. Das Gebot der Lebenserhaltung wird gerade in Grenzsituationen des Lebens durch das Gebot der Linderung von Leiden und des Respekts vor der Selbstbestimmung eingeschränkt.[126] Eine aufgedrängte Lebenserhaltung findet dort ihre Grenzen, wo sie den betroffenen Menschen zu einem bloßen Objekt herabwürdigt und ihn in seiner Subjektstellung als frei verantwortlich handelndes Individuum missachtet.[127]

Insofern geht es folglich nicht um die Qualifizierung eines Lebens als geringwertiger als ein anderes Leben und damit um einen Verstoß gegen das Verfassungsprinzip der Gleichwertigkeit jedes Lebens. Ebenfalls nicht in Rede steht die Aufhebung der Unverfügbarkeit der Menschenwürde durch den Staat. Betroffen ist einzig und allein die Frage der Reichweite der staatlichen Schutzpflicht zur Ermöglichung eines würdevollen Todes.

Daraus lässt sich nach hiesiger Auffassung in besonderen Konstellationen ein Anspruch des Bürgers gegen den Staat auf Suizidbeihilfe im Falle einer frei verantwortlich getroffenen Suizidentscheidung begründen. Wenn womöglich auch nicht als Leistungsanspruch auf staatliche Unterstützung beim Suizid, so aber zumindest doch als Leistungsanspruch darauf, den Zugang zu jenen Ressourcen nicht zu behindern, die der Suizident zur risikolosen Durchführung eines begleiteten Suizids benötigt.[128] Das heißt insbesondere auch die Suizidbeihilfe nicht zu verbieten und zu kriminalisieren und damit deren Gewährung de facto sowohl für Sterbehilfevereine, als auch für Ärzte und Palliativmediziner insgesamt zu verunmöglichen.[129] Alles andere liefe auf eine "Rechtspflicht zum Leben" und damit einhergehend eine "Rechtspflicht zum Erleiden von Qualen" hinaus.

Mithin ist auch die Frage des Generalbundesanwalts in seiner Stellungnahme vom 16.11.2016, ob der Staat verfassungsrechtlich zu einem Verbot der Suizidbeihilfe verpflichtet wäre, falsch gestellt. Die Frage muss umgekehrt lauten, ob der Gesetzgeber verfassungs- und konventionsrechtlich verpflichtet wäre, die ärztlich assistierte Suizidbeihilfe – jedenfalls für bestimmte Krankheitsbilder bzw. in bestimmten Konstellationen – zu erlauben. Die Antwort hierauf lautet: ja.       

Dr. Jacqueline Neumann
im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung
(eingereicht beim Bundesverfassungsgericht am 28.2.2017)

Anmerkung: Die vorliegende Stellungnahme von Dr. Jacqueline Neumann ergänzt die Argumentation der 1. Stellungnahme der Giordano-Bruno-Stiftung (verfasst von Dr. Michael Schmidt-Salomon), die am 27.9.2016 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde.

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Dem Förderkreis der Stiftung gehören (Stand 2/2017) über 7.500 Personen aus 30 Nationen an.

 


[1] S. nur BVerfGE 105, 135, 157; Schmitz in: MüKo, StGB, 3. Aufl. 2017, § 1 Rn. 81; Eser/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 1 Rn. 52; Hassemer/Kargl in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 1 Rn. 121.

[2] BVerfGE 73, 235; 85, 73; 92, 20.

[3] BVerfGE 71, 108, 115; Heintschel-Heinegg, Beck’scherOK StGB, 32. Ed. Stand 01.09.2016, § 1 StGB Rn. 10.

[4] Zum Vorstehenden: Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942, 943, 945 unter Verweis auf BVerfGE 1, 299, 312.

[5] BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 –, Rn. 91.

[6] BVerfG, NJW 2011, S. 836, 838.

[7] Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942, 943 unter Verweis insbesondere auf BVerfGE 22, 260; 24, 92.

[8] Eser/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 1 Rn. 52; Hilgendorf, Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 559.

[9] Zum Vorstehenden: Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942, 943 unter Bezugnahme auf BVerfGE 4, 331, 351; 8, 28, 33; 9, 102, 105; 13, 269f.; 14, 262.

[10] Waldhoff, Gesetzesmaterialien aus verfassungsrechtlicher Perspektive, in: Fleischer (Hrsg.), Mysterium Gesetzesmaterialien, 2013, S. 15.

[11] Zum Vorstehenden: Rieger, Grenzen verfassungskonformer Auslegung, NVwZ 2003, S. 17, 20.

[12] Hassemer/Kargl in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 1 Rn. 119-121 m.w.N.

[13] BVerfGE 1, 312; BGHSt 17, 23.

[14] Dawin, Ungereimtheiten bei der verfassungskonformen Auslegung, in: Universität Potsdam (Hrsg.), Die Einwirkung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die Gesetzesauslegung, 2003, S. 13f.

[15] BVerfGE 48, 229, 242; von Heintschel-Heinegg, Beck’scherOK StGB, 32. Ed. Stand 01.09.2016, § 1 StGB Rn. 21 unter Verweis auf Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, 2006, S. 1.

[16] Rieger, Grenzen verfassungskonformer Auslegung, NVwZ 2003, S. 17, 20f. mit Verweis auf BVerfGE 57, 295, 315.

[17] Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942, 946f. unter Verweis auf die st. Rspr. BVerfGE 8, 28; 54, 277, 299; 90, 274.

[18] BVerfG, NJW 2011, S. 836, 838.

[19] BVerfGE 18, 97, 111.

[20] BVerfGE 47, 380.

[21] Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942, 943, 945 unter Verweis auf BVerfGE 1, 299, 312.

[22] Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 54f. m.w.N. aus der Rechtsprechung.

[23] Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 103 m.w.N.

[24] Rieger, Grenzen verfassungskonformer Auslegung, NVwZ 2003, S. 17, 21.

[25] BGHSt 43, 381; Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, 2006, S. 34f., 46f.; vgl. zur Frage der Bestimmtheit im Rahmen der Auslegung auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08.

[26] Zum Vorstehenden: Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 49. EL Juli 2016, § 31 BVerfGG, Rn. 264f. m.w.N.

[27] Verfassungsbeschwerde DIGNITAS u.a., S. 39-41.

[28] So zutreffend Verfassungsbeschwerde DIGNITAS u.a., S. 41 Fn. 113, 44 m.w.N.

[29] BT-Drs. 18/5373, S. 14.

[30] Zum Vorstehenden: Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, vor § 211 Rn. 26 m.w.N.; vgl. auch Stellungnahme des Generalbundesanwalts vom 16.11.2016, Rn. 7.

[31] So aber die Begründung in dem Gesetzesentwurf Sensburg/Dörflinger, BT-Drs. 18/5376, S. 6.

[32] Duttge, Strafrechtlich reguliertes Sterben, NJW 2016, S. 120, 123.

[33] Hecker, Das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB), GA 2016, S. 455, 459; Duttge, Strafrechtlich reguliertes Sterben, NJW 2016, S. 120, 123.

[34] Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942, 944 unter Verweis auf BVerfGE 48, 257.

[35] Kubiciel, Zur Verfassungskonformität des § 217 StGB, ZIS 2016, S. 396, 402.

[36] BT-Drs. 18/5373, S. 12.

[37] Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 52.

[38] Hilgendorf, Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 558.

[39] BR-Drs. 230/06.

[40] Hilgendorf, Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 559.

[41] Stellungnahme des Generalbundesanwalts vom 16.11.2016, S. 85.

[42] Ebenso Prof. Eric Hilgendorf, Protokoll der 66. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 23.09.2015, Protokoll-Nr. 18/66, S. 23; ders., Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 558.

[43] BT-Drs. 18/5373, S. 16.

[44] BT-Drs. 18/5373, S. 17.

[45] BT-Drs. 18/5373, S. 2.

[46] BT-Drs. 18/5373, S. 17; Hilgendorf, Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 558; Hecker, Das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB), GA 2016, S. 455, 457.

[47] Hierzu und zum Nachfolgenden BT-Drs. 18/5373, S. 2.

[48] BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 –, Rn. 78.

[49] So aber Oglakcioglu in: BeckOK StGB, Stand: 01.06.2016, § 217 Rn. 24f.

[50] BT-Drs. 18/5373, S. 2.

[51] BT-Drs. 18/5373, S. 17; Hecker, Das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB), GA 2016, S. 455, 457.

[52] Ebenso Taupitz, Das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, in: Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Assistierter Suizid: Stand der Wissenschaft, 2017, S. 120f.

[53] Darauf weist auch Oglakcioglu in: BeckOK StGB, Stand: 01.06.2016, § 217 Rn. 26.1 hin.

[54] Beschwerde Thöns/Matenaer, 2 BvR 1494/16, S. 11; ebenso Hilgendorf, Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 560f.

[55] BT-Drs. 18/5374.

[56] BT-Drs. 18/5375.

[57] BT-Drs. 18/5373.

[58] Duttge, Strafrechtlich reguliertes Sterben, NJW 2016, S. 120, 124.

[59] BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 –, Rn. 96.

[60] Hilgendorf, Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärzte und Pflegekräfte durch die Neuregelung des assistierten Suizids, PflR 2016, S. 556, 558.

[61] BT-Drs. 18/5373, S. 14.

[62] BT-Drs. 18/5373, S. 17.

[63] BT-Drs. 18/5373, S. 17.

[64] BT-Drs. 18/5373, S. 17.

[65] BT-Drs. 18/5373, S. 17.

[66] BT-Drs. 18/5373, S. 18.

[67] Ebenso Verrel, Thesen zur Sterbehilfe, in: DGHS (Hrsg.), Wird Sterbehilfe zur Straftat?, Juli 2015, S. 18; de Ridder, Sind Suizidassistenz und Palliativmedizin miteinander vereinbar?, in: Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Assistierter Suizid: Stand der Wissenschaft, 2017, S. 100.

[68] BT-Drs. 18/5373, S. 18.

[69] BT-Drs. 18/5373, S. 2.

[70] Schildmann/Wünsch/Winkler, Ärztlich assistierte Selbsttötung, in: Freund/Lüftner/Wilhelm (Hrsg.), Schriftenreihe der DGHO, 2015, S. 24.

[71] Hierzu und zum Nachfolgenden BT-Drs. 18/5373, S. 2.

[72] BT-Drs. 18/5373, S. 11.

[73] BT-Drs. 18/5373, S. 15.

[74] Vgl. Verfassungsbeschwerde des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg vom 07.12.2016.

[75] BT-Drs. 18/5373, S. 3.

[76] BT-Drs. 18/5373, S. 18.

[77] Darauf weist auch der Beschwerdeführer DIGNITAS u.a., S. 38 ausdrücklich hin.

[78] BT-Drs. 18/5376, S. 1, 9.

[79] Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 60 Rn. 4 m.w.N.

[80] S. die Darstellung bei Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 22-24.

[81] BVerfGE 90, 145, 187f.

[82] BVerfG, Beschluss vom 09. März 1994, – 2 BvL 43/92 –, abweichende Meinung Richter Sommer.

[83] BVerfG, Beschluss vom 09. März 1994, – 2 BvL 43/92 –, abweichende Meinung Richter Sommer, Rn. 258.

[84] BVerfG, Beschluss vom 09. März 1994, – 2 BvL 43/92 –, abweichende Meinung Richter Sommer, Rn. 259, Herv. d. d. Unterzeichnerin.

[85] BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 –, Rn. 112, Herv. d. d. Unterzeichnerin.

[86] BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 –, Rn. 114.

[87] BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 –, Rn. 115.

[88] BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 –, Rn. 136, Herv. d. d. Unterzeichnerin.

[89] Zum Vorstehenden: DER SPIEGEL, Video aus dem Sterbezimmer, 19/2014, S. 102f.; vgl. auch die Besprechung bei Borasio, selbst bestimmt sterben, 2014, S. 47-54.

[90] So jüngst OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Mai 2015 – 8 LC 123/14 –, Rn. 30 m.w.N.

[91] OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Mai 2015 – 8 LC 123/14 –, Rn. 50.

[92] BT-Drs. 18/5373, S. 14.

[93] EGMR, R.R. ./. Polen, Urteil vom 26.05.2011, Nr. 27617/04, Rn. 191.

[94] Angeführt bei Herdegen, Stellungnahme zu den Gesetzesentwürfen zur Sterbehilfe, 9. September 2015, S. 3, abrufbar unter https://www.bundestag.de/.../herdegen-data.pdf, abgerufen am 09.02.2017.

[95] Soweit nicht explizit anders angegeben, beruhen die nachfolgenden Ausführungen zur Rechtsprechung des EGMR auf Jacob, Sterbehilfe unter der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: vorgänge 210/211 (2-3/2015), S. 79-98; EGMR, Sterbehilfe – Urteile des Gerichtshofs, Juni 2015.

[96] EGMR, Pretty ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29.04.2002, Nr. 2346/02, NJW 2002, S. 2851, 2855 Rn. 89.

[97] EGMR, Pretty ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29.04.2002, Nr. 2346/02, NJW 2002, S. 2851, 2854 Rn. 65.

[98] EGMR, Pretty ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29.04.2002, Nr. 2346/02, NJW 2002, S. 2851, 2853 Rn. 52 m.w.N.

[99] EGMR, Pretty ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29.04.2002, Nr. 2346/02, NJW 2002, S. 2851, 2853 Rn. 55.

[100] R (on the application of Purdy) v Director of Public Prosecutions reported at [2009] UKHL45; Weitere Informationen unter https://www.bindmans.com/.../house-of-lords, abgerufen am 24.02.2017.

[101] Die Richtlinien sind abrufbar unter http://www.cps.gov.uk/publications/code_for_crown_prosecutors/, abgerufen am 24.02.2017.

[102] Die Richtlinie ist abrufbar unter https://www.cps.gov.uk/publications/prosecution/assisted_suicide_policy.html, abgerufen am 24.02.2017.

[103] Zum Vorstehenden: Jacob, Sterbehilfe unter der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: vorgänge 210/211 (2-3/2015), S. 79-98.

[105] EGMR, Haas ./. Schweiz, Urteil vom 20.01.2011, Nr. 31322/07, NJW 2011, S. 3773, 3774 Rn. 51 und S. 3775 Rn. 60.

[106] EGMR, Haas ./. Schweiz, Urteil vom 20.01.2011, Nr. 31322/07, NJW 2011, S. 3773, 3774 Rn. 56, 60f.

[107] Jacob, Sterbehilfe unter der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: vorgänge 210/211 (2-3/2015), S. 79-98.

[108] EGMR, Koch ./. Bundesrepublik Deutschland, Urteil vom 19.07.2012, Nr. 497/09, NJW 2013, S. 2953, 2955 Rn. 52.

[109] Eine deutsche Übersetzung des Urteils ist abrufbar unter: http://www.dignitas.ch/.../gross-gegen-schweiz.pdf, abgerufen am 09.02.2017.

[110] Borasio, selbst bestimmt sterben, 2014, S. 172.

[111] Sinner in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 3 Rn. 21; EGMR, Pretty ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29.04.2002, Nr. 2346/02, Rn. 51.

[112] Sinner in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 3 Rn. 1.

[113] So auch Roxin, Die geschäftsmäßige Förderung einer Selbsttötung als Straftatbestand und der Vorschlag einer Alternative, NStZ 2016, S. 185, 191, allerdings ohne Bezugnahme auf die EMRK.

[114] BT-Drs. 18/5373, S. 17.

[115] BT-Drs. 18/5373, S. 18.

[116] Das Fallbeispiel stammt aus Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 27-34, 95.

[117] Das Fallbeispiel stammt aus Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 51-53.

[118] Das Fallbeispiel stammt aus Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 66f.

[119] Dies erkennt beispielsweise auch der Entwurf Hintze/Reimann, BT-Drs. 18/5374, S. 2 an.

[120] Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 52.

[121] Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 52f.

[122] Ebenso Verrel, Thesen zur Sterbehilfe, in: DGHS (Hrsg.), Wird Sterbehilfe zur Straftat?, Juli 2015, S. 18; de Ridder, Sind Suizidassistenz und Palliativmedizin miteinander vereinbar?, in: Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Assistierter Suizid: Stand der Wissenschaft, 2017, S. 100.

[123] S. hierzu Benzin, Der Ausklang – Leitfaden für Selbstbestimmung am Lebensende, 2015, S. 10ff., z.B. Fall 1, 5, 7, 11.

[124] Borasio, Faktencheck zur Sterbehilfe, DIE ZEIT, Artikel vom 22. September 2015, S. 1, abrufbar unter http://www.zeit.de/2015/38/bundestag-sterbehilfe-diskussion-gesetzesentwuerfe, abgerufen am 09.02.2017.

[125] Arnold, Letzte Hilfe, 2014, S. 209 und 209 Fn. 246.

[126] Ebenso VG Berlin, Urteil vom 30.03.2012, 9 K 63.09, Rn. 44.

[127] Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 78. EL September 2016, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Rn. 47.

[128] Ebenso ohne nähere Begründung Taupitz, Selbstbestimmung zum Sterben – Fürsorge zum Leben: Widerspruch für die Rechtsordnung, in: Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Assistierter Suizid: Stand der Wissenschaft, 2017, S. 78

[129] Zur fehlenden Möglichkeit einer restriktiven verfassungskonformen Auslegung des § 217 StGB s. o. unter A.