Ein Aufsatz von ifw-Beirat und Staatsminister a.D. Rolf Schwanitz
Es ist Donnerstag, der 31. Juli 1919 – in Weimar tagt die Nationalversammlung. Es geht um die Kirchenartikel der neuen Reichsverfassung. Nach wochenlanger Arbeit im Verfassungsausschuss findet heute endlich die Schlussberatung und Endabstimmung statt. Die Zeiten eines kaiserlichen Obrigkeitsstaates mit Amtskirchen als willige Helfershelfer sollen ein für alle Mal vorbei sein. Staat und Kirchen sollen sich trennen in der neuen Demokratie – zwar nicht vollständig, aber ganz besonders auch im Finanziellen. Wichtig ist den Kirchen dabei der Ablösungsauftrag der Staatsleistungen im neuen Artikel 138 Absatz 1. Die Kirchen wollen ihn so breit wie möglich fassen, damit nur wenige staatliche Zahlungen ersatzlos gestrichen, sondern möglichst viele in einer Übergangszeit mit einem Ausgleich förmlich abgelöst werden müssen. In der Schlussberatung geben die politischen Helfer der Kirchen noch einmal alles. Die national liberale Deutsche Volkspartei (DVP), die damals noch in einem monarchistischen Staatsbild verhaftet ist, unternimmt erneut den Versuch, den Ablösungsauftrag massiv zu erweitern. Er soll sich nicht nur auf rechtlich fundierte Zahlungen an die Kirchen beziehen, sondern faktisch auf alle bisherigen Geldzuwendungen, die die Kirchen bekommen. Den Abgeordneten der Nationalversammlung geht das aber viel zu weit. Erst ist die Auszählung über diesen Antrag unklar, dann werden per Hammelsprung 143 Ja-Stimmen und 171 Nein-Stimmen gezählt. Der Erweiterungsantrag der Kirchen-Lobby ist gescheitert.
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