IFG-Anfrage: Informationen des Bundeskanzleramts im Zusammenhang mit Fällen von sexuellem Missbrauch im Bereich der Katholischen Kirche aus dem Jahr 2010
Adressat der Anfrage: Bundeskanzleramt
Link zur offiziellen Anfrage: LINK
Datum: 20.12.2018
Inhalt der Anfrage
1. Informationen, Gesprächsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mails, SMS etc. zum Zeitpunkt, Inhalt und Ergebnis der folgenden Gespräche, die laut Bericht der BILD-Zeitung vom 24. Februar 2010 am Dienstag 23. Februar 2010 im Zusammenhang mit Fällen von sexuellem Missbrauch im Bereich der Katholischen Kirche geführt wurden:
a. Dr. Angela Merkel (Bundeskanzlerin) mit Dr. Robert Zollitsch (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof der Diözese Freiburg),
b. Dr. Angela Merkel (Bundeskanzlerin) mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Bundesjustizministerin).
2. Weitere Informationen, Gesprächsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mails, SMS etc., die im o.g. Zusammenhang stehen:
a. Bundeskanzleramt / Bischofskonferenz – Diözese Freiburg,
b. Bundeskanzleramt / Bundesjustizministerium.
3. Informationen, Gesprächsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mails, SMS etc., die im o.g. Zusammenhang vom Bundeskanzleramt an das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, insbesondere an den Chef des BPA und Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, ergangen sind.
Laut Merkur/DPA vom 24. Februar 2010 wurde "Stillschweigen" zwischen Kanzlerin Merkel und Erzbischof Zollitsch zu dem o.g. Austausch vereinbart. Die FAZ berichtete anschließend, die Bundeskanzlerin habe sich im Streit des DBK-Vorsitzenden Erzbischof Zollitsch mit der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger um die staatlichen Ermittlungsbemühungen "hinter Bischof Zollitsch gestellt." Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wirft die jüngste Aussage von Erzbischof Zollitsch in einem Video-Interview zur jahrelangen Verdeckung und Vertuschung des kirchlichen Missbrauchs "Wir waren alle beteiligt" in der ZEIT vom 7. Dezember 2018 ein neues Licht auf das Verhalten der Bundesregierung im Jahr 2010, die damalige medienwirksame Parteinahme der Bundeskanzlerin zugunsten der Anliegen des Bischofs und die mögliche Auswirkung auf die Mittel, den Umfang und den Erfolg der Ermittlungsbemühungen. Eine Berufung auf den Schutz vertraulich übermittelter Informationen scheidet vorliegend aus (§ 3 Nr. 7 IFG), da ein etwaiges Interesse von Herrn Dr. Robert Zollitsch nach seinen aktuellen Äußerungen ("Wir waren alle beteiligt") in dem o.g. Video-Interview offenbar jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr besteht.
Ich beanspruche die Informationen zu juristischen Forschungszwecken für meine Tätigkeit im << Adresse entfernt >> und zur öffentlichen Aufklärungsarbeit zum Stand der Umsetzung des Verfassungsgebots zur Trennung von Staat und Kirche.
Status der Anfrage
Anfrage abgeschlossen. Am 18.02.2019 übersandte das Bundeskanzleramt die folgenden Dokumente:
1. Schreiben des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz an Bundeskanzlerin vom 23.02.2010 mit Anlage des Schreibens des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz an die Bundesjustizministerin (Az. 333-25210-Ka7)
2. Vermerk des Referatsleiters 333 an die Leiterin des Kanzlerbüros vom 23.02.2010 (Az. 333-25210-Ka7)
3. Schreiben der Bundesjustizministerin an Bundeskanzlerin mit Anlage des Schreibens der Bundesjustizministerin an Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vom 25.02.2010 (Az. 333-25210-Ka7)
4. Sprechzettel für die Regierungspressekonferenz am 24.02.2010
Link zu den veröffentlichten Dokumenten (teilweise durch ifw geschwärzt) bei FragdenStaat.de
ifw-Kommentar
Zum "Stillschweigen" (Merkur/DPA) zwischen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und dem Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Robert Zollitsch im Jahr 2010 über ihren Austausch auf dem Höhepunkt des damaligen kirchlichen Missbrauchsskandals und die medienwirksame Parteinahme der Bundeskanzlerin über die Regierungspressekonferenz zugunsten der Anliegen der Täterorganisation legte das Bundeskanzleramt nur Informationen offen, die an die Kanzlerin gerichtet waren, jedoch keine, die von der Kanzlerin kamen.
Wesentliche Angaben der damaligen Medienberichte, z.B. Merkur/DPA am 24. Februar 2010, werden durch die offengelegten Informationen des Bundeskanzleramtes bestätigt.
Soweit ersichtlich, sind jedoch Informationen des Büros der Bundeskanzlerin, die für die inhaltliche Bearbeitung sowie für die Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Vollständigkeit des Verwaltungsvorgangs relevant sind, nicht entsprechend der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen veraktet worden.
Die Rolle des Bundeskanzleramtes und insbesondere der Bundeskanzlerin bleibt damit im Schattenbereich der Vertuschungsbemühungen der damaligen Kirchenführung um Erzbischof Zollitsch. Der Vorgang bedarf weiterer Aufklärung, jedoch sind die Mittel des IFG einstweilen erschöpft.
Entsprechend der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen gilt nach Einschätzung der Bundesregierung (Drucksache 19/10084): "Jegliches Verwaltungshandeln ist dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung verpflichtet, der wiederum auf dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) beruht. Nur durch die ordnungsgemäße Aktenführung wird ein rechtsstaatlicher Verwaltungsvollzug, eine Rechtskontrolle durch Gerichte sowie Aufsichtsbehörden und eine Überprüfung durch die Parlamente gewährleistet. Alle Beschäftigten einer Behörde sind diesen Prinzipien verpflichtet und an die jeweils geltenden Regelungen gebunden. Die ordnungsgemäße Aktenführung stellt die Pflicht der Behörde zur Aktenmäßigkeit und Regelgebundenheit dar. Das Prinzip der Aktenmäßigkeit besagt unter anderem, dass alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Bearbeitungsschritte eines Geschäftsvorfalls in der Akte zu führen (Prinzip der Schriftlichkeit) sowie vollständig, wahrheitsgemäß und nachvollziehbar zu dokumentieren sind, und zwar unabhängig davon, ob eine Behörde als führendes Aktensystem noch papierbasiert oder elektronisch veraktet. Hierzu können auch Anmerkungen auf den Unterlagen selbst oder auf dort beigefügten (Klebe-) Zetteln gehören. Solche beigefügten Anmerkungen und Hinweise werden vollständig zur Akte genommen oder – bei elektronischer Aktenführung – mit eingescannt, wenn sie aktenrelevant sind. Zu den aktenrelevanten Unterlagen zählen alle entscheidungserheblichen Informationen, unabhängig davon, auf welchem Weg sie die Behörde erreichen. Ggf. sind relevante Informationen zu verschriftlichen (z. B. Telefonate oder SMS) bzw. auszudrucken (z. B. Eingänge per E-Mail), wenn als führende Akte noch ein papierbasiertes System existiert … Insgesamt haben die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Aktenführung, die eine einheitliche und vollständige Dokumentation des Verwaltungshandelns einschließen, hohe Priorität. Wesentliche Grundlagen hierfür sind die "Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien" (GGO) sowie die Registraturrichtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in den Bundesministerien (RegR). Auch wenn die RegR nicht direkt die Geschäftsbereichsbehörden der Bundesministerien adressiert, sondern nur diese selbst, wird sie i. d. R. auch von diesen angewendet. Darüber hinaus finden die einschlägigen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Bundesarchivgesetzes Anwendung."