IFG-Anfrage: Informationen zur Berücksichtigung von Okkultismus durch das BMAS im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes SGB 13 bzw. SGB 14

Adressat der Anfrage: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Link zur offiziellen Anfrage: LINK

Datum: 18.01.2019

Inhalt der Anfrage

1. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat am 11. Januar 2019 um 15:42 Uhr über das Twitter-Konto (@BMAS_Bund) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) mitgeteilt, dass die Vermeidung der Zahl 13 bei der Nummerierung des Opferentschädigungsgesetzes / Sozialgesetzbuch (SGB) nicht "ungewöhnlich" sei. Das BMAS teilt im gleichen Tweet mit, dass es die Nummer 13 des Sozialgesetzbuches (SGB) nicht geben würde, sondern das Opferentschädigungsgesetz SGB 14 genannt würde. Bitte benennen Sie im Einzelnen die Verwaltungsvorgänge, bei denen das BMAS die Verwendung der Zahl 13 auch außerhalb des SGB vermeidet.

2. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat am 11. Januar 2019 um 15:42 Uhr über das Twitter-Konto (@BMAS_Bund) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mitgeteilt, dass "uns eine Reihe von Opferverbänden darauf hingewiesen" hätten, dass es viele Betroffene gäbe, die "bei so einer Zahl ein ungutes Gefühl" haben. Bitte teilen Sie uns mit, welche Opferverbände das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur amtlichen Verwendung der Zahl 13 angehört hat. Bitte benennen Sie die Verbände im Einzelnen, "die sich gegen die Bezeichnung SGB 13 für dieses Gesetz ausgesprochen haben" und deren Stellungnahmen bei der BMAS-Auswertung zur Nummerierung des Sozialgesetzbuches 13 bzw.14 berücksichtigt wurden.

3. Informationen über die Inhalte der Stellungnahmen von Verbänden oder Betroffenen, die bei der BMAS-Auswertung zur Nummerierung des Sozialgesetzbuches 13 bzw.14 berücksichtigt wurden.

4. Informationen, Verfahrensanweisungen, Gesprächsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mails etc. zur Verwendung der Zahl 13 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

5. Informationen, Verfahrensanweisungen, Gesprächsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mails etc. zur Verwendung der Zahl 666 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

6. Informationen darüber, ob das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Erkenntnisse hat, dass Gewalttaten (z.B. der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz im Jahr 2016) in Zusammenhang mit der Zahl 13 stehen.

Status der Anfrage

Anfrage abgeschlossen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte zuvor die Frist der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit um 91 Tage überschritten und erhielt vom ifw zwei Mahnungen.

ifw-Kommentar

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in der Antwort am 21.05.2019 behauptet, dass die ifw-Fragen (Kennung #45754) "inhaltsgleich" bereits bei einer früheren Anfrage eines Dritten (Kennung #35731) am 07.02.2019 beantwortet worden seien.

In der BMAS-Antwort (Kennung #35731) heißt es: "Mit der Neuordnung des Sozialen Entschädigungsrechts in einem Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) soll dem Empfinden vieler Menschen Rechnung getragen werden, die Entschädigungsleistungen für eine erlittene Gewalttat und damit verbundenes Leid und empfundenes Unglück nicht nach einem Dreizehnten Buch Sozialgesetzbuch beantragen möchten. Dieses Empfinden von Betroffenen wurde von Opferverbänden in Gesprächen mit dem BMAS vor der Versendung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts mit dem SGB XIV Ende November 2018 thematisiert, ohne dass entsprechende schriftliche Argumente und Begründungen der Verbände zu diesem Zeitpunkt übermittelt wurden. Die von Ihnen gewünschten amtlichen Informationen liegen daher nicht vor."

Daraus ist ersichtlich, dass das BMAS entweder die IFG-Anfrage des ifw (Kennung #45754) nicht vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet hat, oder 2018 weitgehend alle Aspekte der Rechtsstaatlichkeit der Aktenführung bei der Abstimmung der Neuordnung des Sozialen Entschädigungsrechts / Sozialgesetzbuch (SGB) missachtet hat (vgl. ifw-Fragen 2, 3, 4).

Auf die Aufforderung des ifw am 22.01.2019 über Twitter an Bundesminister Hubertus Heil (SPD) und das BMAS erfolgte vonseiten der Adressaten keine Antwort. Der ifw-Tweet lautet: "#Okkultismus. Bitte benennen Sie @hubertus_heil @BMAS_Bund im Einzelnen die Verbände, deren Position Sie bzgl. der Verwendung der Zahl 13 folgen?..."

Nun, dem ifw geht es hier selbstredend nicht primär um die Zahl 13 und die Eindämmung aufkeimenden Okkultismus in einem Bundesministerium. Was war der Anlass der ministerialen Stellungnahme zur Zahl 13 und der Anlass der Neuordnung Sozialen Entschädigungsrechts?

Im BMAS-Referentenentwurf heißt es: "Gewaltopfer müssen Leistungen schneller und zielgerichteter als bisher erhalten. Dies ist eine wesentliche Folgerung aus den Auswirkungen des verheerenden Terroranschlags vom 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin."

Der erwähnte Terroranschlag wurde gleichwohl nicht im Namen der Zahl 13 begangen, sondern im Namen des Islamischen Staates (vgl. Abschlussbericht des Sonderbeauftragten des Senats für die Aufklärung des Handelns der Berliner Behörden im Fall Amri. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D. Bruno Jost. 10.10.2017). Die Opfer des Terroranschlages leiden (jedenfalls die Überlebenden) also unter den Folgen des Islamismus und einer unzureichenden Prävention und Nachsorge durch die deutsche Regierung und keineswegs darunter, dass ein Bundesminister nicht die Verwendung der Zahl 13 vermieden hätte.

Haben sich Terroropfer öffentlich geäußert, dass die Verwendung der Zahl 13 vermieden werden solle? Nein, die Opfer und Hinterbliebenen äußerten vielmehr deutliche Kritik an der Bundesregierung mit einer anderen Begründung: So zitiert und bewertet das ZDF Aussagen der Terroropfer aus einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel aus dem Jahr 2017 (im Vorfeld der Neuordnung des Sozialen Entschädigungsrechts durch das BMAS):

"In dem offenen Brief an Kanzlerin Merkel, der dem ZDF sowie dem ‚Spiegel‘ vorliegt, werfen die Angehörigen der Opfer der Bundeskanzlerin vor, sie im Stich gelassen zu haben. ‚Es ist unsere konkrete Erwartung an Sie, Frau Bundeskanzlerin, dass die Bundesrepublik unseren Familien unbürokratisch und umfassend hilft‘, heißt es in dem Brief. Der Umfang der staatlichen Unterstützung bleibe weit hinter den Erwartungen zurück. Zudem kreiden sie Merkel an, sie habe auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert. ‚Es ist eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie als Regierungschefin im Namen der Bundesregierung unseren Familien gegenüber den Verlust eines Familienangehörigen durch einen terroristischen Akt anerkennen.‘ Der Anschlag am Breitscheidplatz sei auch eine tragische Folge der ‚politischen Untätigkeit Ihrer Bundesregierung‘. In einer Zeit, in der die Bedrohung durch Islamisten zugenommen habe, habe sie es versäumt, ‚die Reformierung der wirren behördlichen Strukturen‘ rechtzeitig voranzutreiben. ‚Sie werden Ihrem Amt nicht gerecht‘, heißt es in dem Schreiben."

In einem Brief von Terroropfern und ihren Angehörigen an die Fraktionsvorsitzenden des Bundestages CDU/CSU, SPD, AFD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2019 heißt es (im Nachgang der Neuordnung des Sozialen Entschädigungsrechts durch das BMAS):

"Unsere Kritik fängt mit der von den Regierungsparteien durchgesetzten chronologischen Aufarbeitung des Anschlages an: Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass diese Herangehensweise notwendig ist, um eine gründliche Arbeit sicherzustellen. Es ist vor allem wichtig, dass alle wesentlichen Themen mit den notwendigen Zeugen und Unterlagen bearbeitet werden. Die Strukturierung der Untersuchungen entlang der zeitlichen Abfolge stellt dies nicht sicher und sorgt für eine zeitliche Priorisierung, die für uns frustrierend ist. Es entsteht mittlerweile der Eindruck, dass so die Aufklärung besonders kritischer Themen bewusst verschleppt werden soll. Der Attentäter vom Breitscheidplatz wird von der Bundesregierung als Einzeltäter eingeschätzt. Diese Einschätzung erscheint allein aufgrund seiner Verbindungen zum Islamischen Staat in Libyen fraglich. Der Untersuchungsausschuss soll Erkenntnisse gewinnen, die dazu beitragen, dass das Risiko eines erneuten Terroranschlags reduziert wird. Für uns und unsere Gesellschaft allgemein ist das ein wichtiges Ziel. Für uns als Opfer und Hinterbliebene des islamistischen Terroranschlags am Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 sind jedoch auch die konkrete Hintergründe von elementarem Interesse, die dazu führten dass über 70 Menschen teilweise schwer verletzt und 12 Menschen ermordet wurden: unsere Ehe- und Lebenspartner, Väter, Mütter, Kinder, Geschwister, Enkel und Großeltern. Mitglieder aller 12 Familien der Todesopfer vom Breitscheidplatz."

Vor diesem Hintergrund mag es ein beabsichtigter politischer Effekt des Bundesministers Heil gewesen sein, die öffentliche Debatte vom Thema des islamistischen Terroranschlags auf das populäre Thema der okkulten Fragen einer numerischen Zahl zu verschieben und damit von dem aus Opfersicht offenkundigen Regierungsversagen hinsichtlich der Gefahren und der Folgen des Islamismus abzulenken.

Im Ergebnis gehört es zu den Tiefpunkten der Amtsführung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), für diesen öffentlichen Effekt sogar noch die Opfervertreter vorzuschieben, ohne Belege anzuführen, ferner die (von ministerieller Seite behaupteten) Stellungnahmen von Opfervertretern zur Zahl 13 im BMAS nicht zu verakten und zudem noch die gesetzlichen Bestimmungen des IFG zu missachten.