Staatsleistungen - kein Ende in Sicht?

Monatelange verhandelten Bund, Länder und Kirchen ohne die Beteiligung säkularer Interessensvertreter:innen, wie das "Bündnis altrechtliche Staatsleistungen abschaffen" (BASTA) Anfang des Jahres kritisierte, über die seit über 100 Jahren verfassungsrechtlich gebotene Ablösung der Staatsleistungen. Die Verhandlungen sind nun, wie der hpd unter Auswertung verschiedener Presseberichte schreibt, wohl vorerst am Veto der Länder gescheitert.

Deutlich Worte zum Scheitern der Verhandlungen findet ifw-Beirat Bodo Pieroth im breit rezipierten Interview mit der WELT. Er hält die diskutierten Ablösesummen "nicht nur für viel zu großzügig gegenüber den Kirchen, sondern für geradezu verfassungswidrig."

Hintergrund des Scheiterns scheinen dabei gerade die sehr hohen im Raum stehenden Ablösesummen gewesen zu sein.

Friedrich Coradill (Sprecher von BASTA) erläuterte im Januar 2023 in dem Zusammenhang: "Das Nichts-Tun bzw. die Nicht-Ablösung hat die deutschen Länder seit 1949 bis jetzt 21 Milliarden Euro gekostet und die zu erwartende Ablösung könnte nach Schätzungen zusätzliche 11 Milliarden Euro kosten. Wenn die Ablösezeiträume wieder 5 + 20 Jahre sein sollen, kommen im Worst-Case weitere 21 Milliarden Euro an Weiterzahlungen dazu, also fast das Doppelte der Ablösung! Und das alles hinter verschlossenen Türen. Dagegen war das Maut-Desaster Scheuers geradezu eine Petitesse."

Ifw-Beirat Rolf Schwanitz erteilte der diskutierten Milliardenablöse bereits Anfang des Jahres in seinem sehr lesenswerten ifw-Aufsatz eine klare Absage: "Es ist deshalb weder vermittelbar noch gerechtfertigt, diesem milliardenschweren einhundertjährigen Geldregen weitere Entschädigungszahlungen folgen zu lassen. Alle vorstellbaren Ausgleichsansprüche sind dadurch bereits abgegolten. Alles andere wäre einfach unverhältnismäßig. Deshalb sollte bei der Bemessung der Ausgleichszahlungen die Anrechnung der Staatsleistungen seit 1919 zwingend in das Grundsätzegesetz aufgenommen wer- den. Die fiskalischen Belastungen der öffentlichen Hände dürften in diesem Bereich deshalb nahezu bei null liegen."

Kritisch kommentierte diese Woche ferner ifw-Beirat Johann-Albrecht Haupt gegenüber dem Deutschlandfunk das Scheitern der Verhandlungen: "Es sieht derzeit danach aus, als wollten die Länder überhaupt nicht mehr mitmachen. Das könnte der Vorwand für den Bund sein, ganz auszusteigen. Dann braucht auch er sich nicht weiter mit den Kirchen anzulegen. Und die Kirchen können damit rechnen, dass sie bis zum Ende aller Tage in wachsendem Maße staatliche Gelder bekommen: In 25 Jahren etwa wären wir bei 1 Milliarde Euro pro Jahr, bei einer angenommenen jährlichen Steigerung von 2 Prozent. Ob die Länder nicht merken, dass sie sich mit der Weiterzahlung ständig selbst ins Knie schießen?"

Abschließend warnt die stellvertretende Direktorin des ifw Jessica Hamed: "Es sieht derzeit danach aus, dass der seit über 100 Jahren bestehende Verfassungsauftrag, die millionenschweren jährlichen Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen, erneut unerfüllt bleibt. Das ist indes keine Option. Es ist nämlich ein Verfassungsgebot. Es scheint, als ob die Skandalösität des Vorgangs aber vielfach nicht erkannt wird."