Elternrecht

I. Elternrecht als Grundrecht

1. Das Elternrecht ist ein individuelles Grundrecht der Elternteile und gleichzeitig pflichtgebunden. Es ist verankert in Art. 6 II GG. Dieser lautet: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Art. 6 III betrifft die Zulässigkeit der staatlich verfügten Wegnahme der Kinder beim (auch unverschuldeten) Versagen der „Erziehungsberechtigten“. Das betrifft aber nur gravierende Fälle der Gefährdung des Kindeswohls. Das Elternrecht umfasst die freie Entscheidung über die Sorge für das körperliche Wohl und die geistig-seelische Entwicklung Minderjähriger in umfassendem Sinn. Inwieweit auch körperliche Züchtigung noch als Erziehungsmittel durch das Elternrecht gedeckt ist, ist umstritten. Grundlose Züchtigungen sind jedenfalls durch Art. 6 II GG nicht gedeckt. Inhaltliche Erziehungsziele sind rechtlich grundsätzlich nicht vorgeschrieben, nur Missbrauch ist untersagt (vgl. zu den staatlichen Schutzmaßnahmen §§ 1666 ff. BGB). Die Eltern bestimmen somit allein den Gesamtplan der Erziehung, was für die spezielle Problematik der religiösen Kindererziehung und das Verhältnis zur schulischen Erziehung (s. Schulaufsicht, Schulhoheit) von Bedeutung ist. Ein Kindesgrundrecht ist in Art. 6 II GG nicht mitenthalten. Kinder haben aber eigene Grundrechte, die von den Erziehungsberechtigten treuhänderisch zu beachten sind. Das ist in der Frage der Beschneidung (s. dort) von Bedeutung.

2. Träger des Elternrechts im Sinn des Art. 6 II GG sind jedenfalls auch die Mütter außerehelicher Kinder und Adoptiveltern. I. d. R. müssen Eltern ihre Rechte gemeinsam geltend machen. Im Einzelnen ist verfassungsrechtlich Vieles streitig, insb. das Verhältnis der Rechte der Eltern und Kinder. Von besonderer Bedeutung ist daher die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Gesetzgeber, wozu generell auf die familienrechtlichen Regelungen des BGB verwiesen wird. Verschiedene Gesetze sehen eine Reihe altersmäßiger Abstufungen für Rechte Minderjähriger vor (s. hierzu unter Grundrechtsausübung). In religiös-weltanschaulicher Hinsicht ist heute noch das „Gesetz über die religiöse Kindererziehung“ aus dem Jahr 1921 bundesweit von Bedeutung (s. Religiöse Kindererziehung).

II. Das sog. konfessionelle Elternrecht

Dieses wurde, historisch bedeutsam, von der kath. Kirche 1948/49 massiv gefordert. Gemeint ist ein Anspruch der Eltern gegenüber dem Staat, in religiöser Hinsicht die Schulformen (Konfessionsschulen, Gemeinschaftsschulen) bestimmen zu können. Der Kirche ging es darum, wieder Zugriff auf die staatlichen Schulen zu bekommen, während eine wirklich freie Entscheidung der gesamten Elternschaft ihr fern lag. Schon die erstmalige Ermöglichung einer Nichtteilnahme am Religionsunterricht durch die Weimarer Verfassung hatte katholische Bischöfe wie Kardinal Faulhaber in Rage gebracht, weil dadurch die religiöse Erziehung der Willkür der Eltern (!) preisgegeben werde.[1] Ein konfessionelles Elternrecht im o. g. Sinn war zwar einer der Hauptstreitpunkte bei den schulrechtlichen Beratungen des Parlamentarischen Rats, wurde jedoch mit knapper Mehrheit ausdrücklich abgelehnt und ging nicht in das GG ein. Gleichwohl wurde von manchen Juristen noch bis 1960 ein aus Art. 4 GG abzuleitendes konfessionelles Elternrecht gefordert. Teilweise wurden den Eltern nach 1949 landesrechtlich Antragsrechte auf konfessionelle Schulen eingeräumt (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen). Das bayerische Konkordat von 1924 erkannte in Art. 6 ein konfessionelles Elternrecht an, ebenso Art. 23 des Reichskonkordats (insoweit überholt).

 


[1] Hirtenbrief vom 29. 1. 1919

>> Beschneidung; Grundgesetz, Entstehungsgeschichte; Grundrechtsausübung; Konkordate; Erziehung; Schulaufsicht.

Literatur:

  • BVerfGE 41,29/48 f.; 52,223/236; 93,1/17 (religiöse Erziehung)
  • Hörnle/Huster: Wie weit reicht das Erziehungsrecht der Eltern? JZ 2013,328
  • Jestaedt, Matthias: Das elterliche Erziehungsrecht im Hinblick auf Religion, HdbStKirchR Bd. 2, 2.  A. 1995, 371-414 (auch allg. zum Elternrecht)

© Gerhard Czermak / ifw (2017)