Kirchenaustritt – ein zulässiger Kündigungsgrund?

Unser ifw-Beirat Christoph Schmitz-Scholemann, Richter am BAG aD, beschäftigt sich in einem Blogbeitrag "Der liebe Gott und das Arbeitsrecht" vom 15.06.2023 mit dem Fall einer von einem Krankenhaus des Caritasverbandes gekündigten Hebamme. Ihr wurde gekündigt, weil die unstreitig gläubige Katholikin wegen der Missbrauchsskandale aus der Kirche ausgetreten war. Für die Gekündigte war das angesichts dessen, dass in dem Krankenhaus auch konfessionslose Hebammen beschäftigt sind, nicht nachvollziehbar, weshalb sie vor Gericht zog.

Damit steht die Hebamme nicht alleine, auch einer Erzieherin wurde in einer evangelischen Kita aufgrund ihres Kirchenaustritts gekündigt.

Schmitz-Scholemann fasst den Fall der gekündigten Hebamme in seinem Blogbeitrag zusammen:

"Eine 1972 geborene Katholikin (Frau K.) war von 1994 bis 2014 als Hebamme in einem Krankenhaus des Caritasverbands in Dortmund beschäftigt. 2014 machte sie sich selbständig. Während ihrer Selbständigkeit ärgerte sich Frau K. über die diversen Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche derart, dass sie austrat. 2019 beschloss sie, ihre Selbständigkeit wieder aufzugeben und bewarb sich bei ihrem früheren Arbeitgeber. Im Einstellungsgespräch wurde über die Konfession nicht gesprochen. Frau K. bekam den vom Krankenhaus schon unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag zugeschickt, unterschrieb ihrerseits und gab ihn in der Personalabteilung ab, zusammen mit einem Personalfragebogen, in den sie wahrheitsgemäß eingetragen hatte, dass sie aus der Kirche ausgetreten war.

Nachdem Frau K. ihre Arbeit im Krankenhaus aufgenommen hatte, fiel ihrem Arbeitgeber auf, dass sie nicht mehr katholisch war. Der Personalleiter drohte ihr die Kündigung an für den Fall, dass sie nicht wieder eintrete. Frau K. wies darauf hin, dass im Krankenhaus auch konfessionslose Hebammen beschäftigt seien. Außerdem sei sie nach wie vor gläubig und werde wieder eintreten, wenn endlich die Missbrauchstäter bestraft würden. Der Institutspfarrer, der ein langes Gespräch mit ihr hatte, erklärte dem Arbeitgeber, Frau K. sei eine religiös geprägte Mitarbeiterin; es wäre schade, sie zu verlieren. Gleichwohl kündigte das Krankenhaus. Frau K. zog vor das Arbeitsgericht."

In erster Instanz obsiegte die Hebamme, in zweiter das Krankenhaus. Das Landesarbeitsgericht begründet dies, so führt Schmitz-Scholemann aus, damit, "dass das Krankenhaus einerseits konfessionslose Mitarbeiter beschäftige, katholische Mitarbeiter aber beim Kirchenaustritt kündige, sei nicht zu beanstanden. Wenn die katholische Kirche Krankenhäuser betreibe, könne sie aufgrund der Religionsfreiheit selbst bestimmen, welche Loyalität sie von wem verlange. Außerdem seien Atheistinnen prinzipiell nicht kirchenfeindlich, sondern nur gleichgültig. Wer jedoch – wie Frau K. – aus der Kirche austrete, sei kirchenfeindlich; es bestehe die Gefahr, dass sie die Kirche gegenüber Patientinnen schlechtmache."

Das zur Entscheidung berufene Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor (Aktenzeichen: C-630/22 – 1).

Schmitz-Scholemann und Martin Brune haben die rechtlichen Fragen hierzu in NZA 2022, 1646 umfassend beleuchtet, stellen die Rechtsprechung und die maßgeblichen Fälle rund um die Frage der Loyalitätspflichten dar und geben abschließend einen erhellenden Ausblick. Den Grund für die Vorlage des BAG vermuten sie dabei mit nachvollziehbarer Begründung "in dem schon seit längerer Zeit schwelenden Kirchrechts-Konflikt zwischen dem BVerfG und dem EuGH. Manche Karlsruher Richter halten die Rechtsprechung des EuGH zu Loyalitätspflichten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen für übergriffig."

Juristisch wird der Streit um die Grenzen der Loyalitätspflichten mutmaßlich noch Jahre andauern, politisch indes könnte es, wie das Beispiel Bremen zeigt, schneller gehen. Sollte der Streit tatsächlich politisch schneller gelöst werden als juristisch, würden sich die Rechtsfragen faktisch erledigen.