Staatliche Neutralität

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Fällt der bayerische Kreuzerlass von 2018? Zum Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 27.5.2020

Mit diesem im Juni veröffentlichten Beschluss erlangte das VG München viel Aufmerksamkeit, erntete aber wenig Kritik. Das lag auch daran, dass der Pressesprecher des Gerichts betont hatte, es handele sich nur um die prozessrechtliche Frage, ob die einschlägige neue Vorschrift der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (§ 28 AGO) nur behördeninterne Bedeutung habe oder ob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) über die generelle Gültigkeit der Vorschrift als Rechtsnorm mit Außenwirkung zu entscheiden habe. Letzteres sei der Fall, so dass die Sache an den BayVGH verwiesen wurde. Ein Kommentar von Gerhard Czermak.

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EGMR: Russland muss Religionsfreiheit im Strafvollzug beachten

In der Entscheidung "Korostelev gegen Russland" (Aktenzeichen Nr. 29290/10) vom 12.05.2020 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einem Strafgefangenen muslimischen Glaubens recht. Dieser hatte sich auf eine Verletzung seiner Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK berufen, nachdem ihm sein nächtliches Gebet durch ein russisches Gefängnis untersagt worden war.

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VG München: "Kreuzerlass" greift in Art. 4 GG ein

hpd: Der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München und der bfg Bayern zeigen sich erfreut über den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 27. Mai zum sogenannten "Kreuzerlass" der bayerischen Staatsregierung. Unter anderem hat das Gericht festgestellt, dass der Kreuzerlass einen Eingriff in die Religions- und Weltanschauungsfreiheit darstellt und dass dieser "gezielt darauf gerichtet (ist), jeden Behördenbesucher mit dem Kreuz zu konfrontieren". (Weiterlesen)

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BayVGH: Popularklage gegen Kreuzerlass unzulässig

Am 3. April 2020 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) abgewiesen. Diese Regelung, wonach im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ein Kreuz anzubringen ist, stellt nach Ansicht des BayVGH nach Form und Inhalt eine Verwaltungsvorschrift dar, die nicht mit der Popularklage angegriffen werden kann (Az. Vf. 8-VII-18). Über die Anfang Oktober 2018 von 27 Personen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingereichte Klage gegen den Kreuzerlass ist hingegen noch nicht entschieden worden. Zu den Klägern gehören neben mehreren Privatpersonen auch der bfg-München KdöR und der bfg Bayern KdöR. Einige klagende Privatpersonen sind Mitglieder des bfg Bayern oder des bfg München oder anderer säkularer Organisationen, wie z.B. der Giordano-Bruno-Stiftung. Dieses Verfahren ist in der ifw-Rubrik Rechtsfälle dokumentiert.

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Rezension zu Kämper/Schilberg (Hg.): Staat und Religion in Nordrhein-Westfalen

von Gerhard Czermak

Der thematisch umfassende Sammelband betrifft fast nur das religionsrechtliche Landesrecht in NRW. Er wurde herausgegeben von dem Katholiken Kämper und dem Protestanten Schilberg, beide Honorarprofessoren für Kirchen- bzw. Staatskirchenrecht  an der Juristischen Fakultät in Bochum und mit wichtigen Funktionen in ihrer Kirche betraut. Bei den 45 Autoren handelt es sich meist um höher- und hochrangige Juristen aus Kirche und Staat, vereinzelt auch Theologen. Die umfangreiche Darstellung gibt einen Überblick über den großen, weitgehend unbekannten Umfang landesrechtlichen Religionsrechts am Beispiel des einwohnerstärksten Bundeslandes.

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Zur weltanschaulich-religiösen Neutralität der Justiz und zum Kopftuch von Rechtsreferendarinnen

Der Beschluss des 2. Senats zu einer Verfassungsbeschwerde wurde mit 7:1 Stimmen gefasst. Seine besondere Bedeutung besteht darin, dass er das Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität gegenüber der Glaubensfreiheit entscheidend stärker gewichtet als der 1. Senat im Jahr 2015 in seiner umstrittenen Entscheidung zum Lehrerinnen-Kopftuch. Der 2. Senat schließt jetzt in der Neutralitätsfrage an sein Urteil zum Lehrerinnen-Kopftuch von 2003 an und führt diese Linie für den Bereich der Justiz weiter. Ein Kommentar von ifw-Direktoriumsmitglied Gerhard Czermak zum Beschluss des BVerfG (1. Senat) betreffend das begrenzte Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen vom 14. 1. 2020 (Az. 2 BvR 1333/17).

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BVerfG: Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen verfassungsgemäß

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten ein Kopftuch zu tragen, zurückgewiesen. Danach ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren. Zwar stellt diese Pflicht einen Eingriff in die Glaubensfreiheit und weitere Grundrechte der Beschwerdeführerin dar. Dieser ist aber gerechtfertigt. Als rechtfertigende Verfassungsgüter kommen die Grundsätze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie die negative Religionsfreiheit Dritter in Betracht. Hier kommt keiner der kollidierenden Rechtspositionen ein derart überwiegendes Gewicht zu, das dazu zwänge, der Beschwerdeführerin das Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder zu erlauben.

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Rezension zu Isensee: Staat und Religion. Abhandlungen aus den Jahren 1974-2017

von Gerhard Czermak

Der Band umfasst die wesentlichen Teile der vom nunmehr über 80-jährigen Autor verfassten Texte zur Thematik Staat-Religion-Kirche. Er verdient schon deswegen Beachtung, weil Isensee, zusammen mit Paul Kirchhof auch Mitherausgeber des jetzt 13-bändigen Handbuchs des Staatsrechts, einer der öffentlichkeitswirksamsten deutschen Staatsrechtslehrer ist. Dass der Katholizismus in der Person des Verfassers tief verankert ist, kommt auch in den hier zu erörternden gesammelten Schriften klar zum Ausdruck. Gerade das kann von Interesse sein für jemand, den das Denken eines solchen Juristen in diesem speziellen Gesamtzusammenhang interessiert und der eine Einordnung im Vergleich mit anderen Religionsrechtlern anstellen möchte.

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IFG-Anfrage: Reaktion des Staatsministers im AA, Niels Annen MdB (SPD), auf Aussagen des Kalifen der Ahmadiyya Muslim Jamaat am 22. Oktober 2019 in Berlin

Diese IFG-Anfrage hat den Text der Rede des Staatsministers Niels Annen MdB (SPD) auf der Veranstaltung "Islam und Europa" der Ahmadiyya Muslim Jamaat im Hotel Adlon in Berlin vom 22. Oktober 2019 angefordert, sowie Stellungnahmen, Gesprächsnotizen oder Verwaltungsakte, mit denen das AA auf die Rede "Seiner Heiligkeit, Kalif und Oberhaupt der weltweiten Ahmadiyya Muslim Jamaat, Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba)" reagiert hat. Die Anfrage ist abgeschlossen. Das AA verneinte den Anspruch des ifw auf Informationszugang und verwies bzgl. der Rede auf den Youtube-Kanal "Muslim TV" (betrieben von Ahmadiyya), um genaueres zur Position des AA-Staatsministers zu erfahren. Die Aktenführung im AA wie auch die ausgebliebene Reaktion des Staatsministers gegenüber dem Kalifen auf dessen verbale Angriffe gegen Apostaten und religionsfreie Menschen bewertet das ifw als unangemessen distanzlos, unzureichend und nachbesserungsbedürftig.

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