BVerfG (1 BvR 387/65): Gesundbeter-Fall, verweigerte Bluttransfusion
Zur Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Glaubensfreiheit auf die Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 330 c StGB)
Umfangreichste öffentlich zugängliche Sammlung von weltanschauungsrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit jeweils eigenem ifw-Kommentar.
Zusammengestellt und kommentiert von Gerhard Czermak.
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Zur Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Glaubensfreiheit auf die Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 330 c StGB)
Die Anknüpfung der Kirchensteuerpflicht an innerkirchliche Regelungen, die die Kirchenmitgliedschaft von Taufe und Wohnsitz abhängig machen, verstößt nicht gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sowie die negative Vereinigungsfreiheit, sofern der Kirchenangehörige jederzeit die Möglichkeit hat, seine Mitgliedschaft zu beenden
Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG steht nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, sondern auch Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben
1961 wurde das bis dahin geltende System des Vorrangs sozialer Einrichtungen der öffentlichen Hand umgekehrt in einen Vorrang der freien, d. h. in der Praxis vorwiegend kirchlichen Einrichtungen. Das geschah ohne sachliche Notwendigkeit und unter Benutzung des genau genommen "leerformelhaften" (Roman Herzog) Subsidiaritätsprinzips der katholischen Soziallehre, und zwar gegen den Widerstand etlicher Städte und Gemeinden.
Das Grundgesetz gebietet nicht, den in einer konfessionsverschiedenen Ehe lebenden Ehegatten, die für die Einkommensteuer die Zusammenveranlagung gewählt haben, die Möglichkeit einzuräumen, für die Kirchensteuer die getrennte Veranlagung zu wählen. Die Eheleute wurden zusammen veranlagt, da sie keine getrennte Veranlagung gewählt hatten.
Eine Regelung, wonach der keiner steuererhebenden RG angehörender Ehepartner zur Kirchensteuer des Partners herangezogen wird, ist verfassungswidrig. Auch eine steuerliche Haftung ist unzulässig.
Die Heranziehung zur Kirchenbausteuer auf Grund des Badischen Ortskirchensteuergesetzes verletzt die juristischen Personen in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundgesetz verbietet dem Staat, einer Religionsgesellschaft hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner Religionsgesellschaft angehören.
Das Kostengesetz von NRW ist wegen Art. 3 I GG so auszulegen, dass die Neuapostolische Kirche des Landes als Körperschaft des öffentlichen Rechts Gebührenfreiheit genießt.
Das Grundrecht der Glaubensfreiheit erlaubt auszusprechen und auch zu verschweigen, dass und was man glaubt oder nicht glaubt. Die Glaubensfreiheit umfasst auch die Werbung für den eigenen Glauben wie die Abwerbung von einem fremden Glauben. Wer einem anderen für die Lösung von seinem Glauben unter Ausnutzung besonderer Verhältnisse Genussmittel verspricht, genießt hierfür nicht den Schutz der Glaubensfreiheit.
Das BVerfG kann über die Gültigkeit internationaler Verträge mit innerstaatlicher Wirkung für die Verfahrensbeteiligten als verfassungsrechtliche Vorfrage entscheiden.
Die Entscheidung hat keinen spezifisch religionsverfassungsrechtlichen Einschlag, ist aber mit obigem Zitat wichtig für den freiheitlichen Grundcharakter des Systems. Das kann auch in vielen religionsrechtlichen Streitfällen von Bedeutung sein. Die Erklärung zur Voraussetzung eines Parteiverbots kann auch gut zur Problematik des Verbots einer RG oder WG verwendet werden.