Rechtsfälle

Schlagwort Rechtsfälle

Versammlungsfreiheit: Der Fall "Nackter Luther" / Polizeiinspektion Dessau-Roßlau

wegen: Verletzung der Versammlungsfreiheit.

Das Verwaltungsgericht Halle hat entschieden: Die polizeiliche Verweigerung des Zugangs und des Aufenthalts in dem für Zuschauer vorgesehenen Sicherheitsbereich in der Straße Schlossplatz in Lutherstadt Wittenberg am 500. Reformationstag am 31. Oktober 2017 gegenüber dem Kläger als Versammlungsleiter für seine Versammlung mit der Figur "Der nackte Luther" war rechtswidrig und verletzte diesen in seinen Rechten aus Art. 8 Abs. 1 GG (Az. 3 A 374/18 HAL).

Weiterlesen

Meinungsfreiheit: Der Fall Amed Sherwan / Facebook Ireland Ltd.

wegen: Verletzung von Art. 5 GG.

Der religionskritische Aktivist und Blogger Amed Sherwan postete am 17. Dezember 2020 eine Fotomontage auf Facebook und Instagram. Sie stellt einen Kuss mit dem ägyptischen Atheisten Mohamed Hisham vor der Kaaba dar, die von gläubigen Muslimen als eines der zentralen Heiligtümer des Islam angesehen wird. Wie Amed Sherwan erklärt, handele es sich bei dem Bild um ein Zeichen der Solidarität mit LGBTIQ*-Personen in muslimischen Communitys. Kurze Zeit nach Veröffentlichung der Fotomontage wurden Sherwans Accounts bei Facebook und Instagram gesperrt.

Weiterlesen

Für Selbstbestimmung am Lebensende: Verfassungsbeschwerden gegen § 217 StGB

wegen: Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB.

Seit Ende 2015 war mit § 217 des Strafgesetzbuchs jede "geschäftsmäßige" Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt. Damit wurde v.a. schwer erkrankten Personen mit dem Wunsch, ihr Leben selbstbestimmt und würdevoll zu beenden, die für viele einzige realistische Möglichkeit genommen, das unter professioneller Beratung und Nutzung medizinischer Methoden zu tun. § 217 StGB wurde im Februar 2020 vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt (Az.: 2 BvR 2347/15). Eine Neuregelung der Sterbehilfe soll noch vor der Bundestagswahl 2021 im Deutschen Bundestag verabschiedet werden.

Weiterlesen

Untergang der Kirchensteuerpflichtigkeit mit dem Untergang der DDR? Der Fall Frau X gegen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg

wegen: Kirchensteuerabzug bei einer ehem. DDR-Bürgerin.

Die Eltern von Frau X tauften sie kurz nach Ihrer Geburt in der Evangelischen Kirchengemeinde in X. Knapp drei Jahre später trat zunächst der Vater und dann auch die Mutter offiziell aus der Kirche aus. Von ihrer Geburt im Jahr 1953 bis zum Jahr 2012 hatte sie in ihrer gesamten Lebensführung keinerlei Kenntnis von einer Mitgliedschaft in einer Kirche und keinerlei Beziehungen zur Kirche. Auch ausweislich Ihrer Steuererklärung galt sie offiziell bis zum Jahr 2011 als konfessionslos. Aus ihr unerfindlichen Gründen übersandte die Kirchensteuerstelle beim Finanzamt Prenzlauer Berg ihr plötzlich im Jahr 2011 einen Fragebogen zur Feststellung der Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft.

Weiterlesen

Klage auf Entschädigung nach OEG wegen Missbrauch in katholischem Heim

wegen: Klage auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) aufgrund sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche.

Die Klägerin stellte einen Antrag auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz beim Versorgungsamt des Landes Brandenburg aufgrund langjährigen sexuellen Missbrauchs durch zwei Priester in einem katholischen Kinderheim. Der Antrag wurde unter Berufung auf ein psychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten abgelehnt, welches der Klägerin mangelnde Glaubwürdigkeit attestiert, da deren Schilderungen nicht auf Tatsachen sondern Suggestion beruhen würden. Das Gutachten wurde rein nach Aktenlage und ohne ein persönliches Gespräch zwischen Gutachter und Klägerin erstellt. Aufgrund des ablehnenden Bescheids wurde eine Klage nach dem OEG erhoben. Das ifw unterstützt die Klage, da ein Gutachten rein nach Aktenlage, basierend auf einem in der Psychologie insbesondere für Traumaopfer höchst umstrittenen aussagenpsychologischen Ansatz, nicht den Ausschlag dafür geben darf, ob ein Opfer Entschädigung nach dem OEG bekommt.

Weiterlesen

Warum ein konfessionsfreier Franzose in Deutschland Kirchensteuer zahlt: Der Fall Herr B gegen das Erzbistum Berlin

wegen: Kirchensteuerabzug nach Zuzug aus Frankreich. 

Herr B. ist römisch-katholisch getauft, hat aber seit jeher eine atheistische Überzeugung und trägt diese auch nach außen. Zur katholischen Kirche hatte er weder in Frankreich noch in Deutschland je einen Bezug. Im laizistischen Frankreich gibt es seit dem Jahr 1789 keine Kirchensteuer mehr. Ein offizieller Austritt aus der katholischen Kirche ist nicht möglich.

Weiterlesen

Meinungsfreiheit: Der Fall Hamed Abdel-Samad / Facebook Ireland Ltd.

wegen: Verletzung von Art. 5 GG.

Hamed Abdel-Samad stellte am 27. November 2018 in seinem Facebook-Konto den folgenden Beitrag ein (LINK):

"Ihr Feiglinge! Viele junge Muslime/Muslimas leben im Westen und genießen die Vorzüge der Freiheit, setzen sie sich aber für diese Freiheit kaum ein. Viele sind gut gebildet und haben einen guten Job, bleiben aber in den Zwängen der Religion und der eigenen Community verhaftet. Ihre Bildung und Engagement stellen sie selten im Dienste der Aufklärung und des Gemeinwesens, sondern eher im Dienste des Islam oder der Parallelgesellschaft. […] Wenn ihr euch für die Freiheit aller einsetzen würdet, statt nur Sonderbehandlung für euch zu verlangen, wäre viel gewonnen!"

Am 28. November 2018 sperrte Facebook das Konto von Hamed Abdel-Samad für drei Tage und löschte den o.g. Text als "Hassrede". Am gleichen Tag stellte Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel (Hamburg) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Einen Tag später wurde die Facebook-Sperrung aufgehoben. Laut Facebook handelte es sich bei der Sperrung um einen "Fehler".

Das Landgericht Berlin lehnte den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab (Az 55 O 331/18). Ebenso der 10. Zivilsenat des Kammergerichts, welcher in seiner Entscheidung dennoch wichtige Aussagen traf. 

Weiterlesen

Twitter-Blockade und Art. 5 Grundgesetz: Der Fall ifw gegen den thüringischen Ministerpräsidenten

wegen: Verletzung von Art. 5 GG.

Mit dem Verfahren beabsichtigt das ifw, jenseits der Durchsetzung der Rechtsinteressen in eigener Sache, einen Beitrag zur Klärung zentraler Punkte der Netzpolitik auf dem "Neuland" der Kommunikation von Regierungsmitgliedern und Behörden in den Sozialen Medien zu leisten.

Von Interesse sind vor allem drei Punkte:

1. Zuordnung des Twitter-Kontos als Kommunikationsmedium zur amtlichen Tätigkeit.

2. Veröffentlichungen eines Ministerpräsidenten auf Twitter von Bedeutung für die politische Meinungsbildung. 

3. Blockieren von Twitter-Nutzern durch einen Ministerpräsidenten als Eingriff in die Grundrechte. 

Weiterlesen

„Dienst unter dem Kreuz“ in der Bundeswehr: Der Fall des Herrn K

wegen: Verpflichtung zur Teilnahme an Appellen vor einem lebensgroßen Holzkreuz in einer Bundeswehrkaserne. 

Herr K. ist Rüstungskontrollstabsoffizier bei der Bundeswehr und seit dem Jahr 2003 in einer Kaserne in NRW eingesetzt. Bis ins Jahr 2015 befand sich am Appellplatz auf dem Kasernengelände das christliche Symbol des Kreuzes in schlicht gehaltener Form aus Birkenholz. Es war zum Zwecke der Militärseelsorge von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Soldaten errichtet worden. Im Jahre 2015 wurde das Birkenkreuz entfernt und durch den Kasernenkommandanten stattdessen ein wesentlich größeres massives Kreuz aus Eiche mit einer Höhe von ca. 3 Metern auf dem Appellplatz/Antreteplatz errichtet. Die Appelle, an denen auch Herr K. teilnahm und teilnehmen musste, fanden vor diesem Eichenkreuz statt. Im Jahre 2016 beschäftigte sich der Beschwerdeführer intensiv mit der Geschichte des Christentums. Dabei musste er zur Kenntnis nehmen, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Heranziehung des religiösen Symbols des Kreuzes in der Vergangenheit verübt wurden. Diese religionskritische Auseinandersetzung führte dazu, dass er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und es nicht ertragen konnte, weiterhin unter dem Symbol des christlichen Kreuzes auf dem Appellplatz anzutreten.

Weiterlesen